Der Anker-Effekt kann deine Entscheidungen in vielen Lebensbereichen beeinflussen – und das oft ganz unbewusst. Hier erfährst du, was es damit auf sich hat.
Der „Anker-Effekt“ hat nichts mit Schiffen zu tun, sondern ist der Name für ein psychologisches Phänomen, bei dem Personen in ihrer Entscheidungsfindung durch Informationen beeinflusst werden, die sie zuvor gehört haben. Besonders in der Wirtschaft und der Werbung wird dieser Umstand oft bewusst genutzt, um das Kaufverhalten von Verbraucher:innen zu steuern.
Werbestrategien kannst du mit mehr Abstand begegnen, wenn du dir den Einfluss solcher Informationen – der sogenannten Anker – auf die Entscheidungsfindung bewusst machst. Dieses Wissen kann dir helfen, bewusstere Entscheidungen in deinem Kaufverhalten zu treffen.
Was ist der Anker-Effekt?
Der israelische Psychologe Daniel Kahneman und der amerikanische Ökonom Amos Tversky prägten in den 1970er-Jahren den Begriff des Anker-Effekts. Er beschreibt, wie sich Menschen in unbekannten Situationen auf zuvor gehörte Informationen verlassen, um in der neuen Situation eine Entscheidung zu treffen – auch wenn sie die entsprechende Information vielleicht erst einmal gehört haben. Diese Information, auf der alle weiteren Entscheidungen in diesem Moment basieren, wird der „Anker“ genannt.
Viele verschiedene Informationen können als Anker fungieren, zum Beispiel der Preis eines Produkts oder auch bestimmte Zahlen oder Wörter.
Ein Beispiel: Wenn zwei Produkte nebeneinander präsentiert werden und eines merklich teurer ist, dann dient dieser hohe Preis als Anker, durch den das günstigere Produkt für Betrachter:innen attraktiver erscheint und mit größerer Wahrscheinlichkeit gekauft wird.
So beeinflusst dich der Anker-Effekt
Der Anker-Effekt beeinflusst uns in vielen Situationen, auch wenn die Anker, auf die wir uns verlassen, ungenau oder irrelevant sind. Oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Die Folge können falsche Einschätzungen von Situationen sein oder auch Entscheidungen, die wir später bereuen – beispielsweise wenn wir uns zum Kauf von Artikeln verleiten lassen, die wir eigentlich gar nicht brauchen.
Der Anker-Effekt kann Menschen sogar dann beeinflussen, wenn sie um diesen Effekt wissen und ihn bewusst wahrnehmen. Dennoch kann es dir zu bewussteren Entscheidungen verhelfen, wenn du in einer Situation erkennst, dass gerade der Anker-Effekt zum Einsatz kommt.
Im Alltag begegnet uns der Anker-Effekt besonders häufig bei Kaufentscheidungen. Zum Beispiel in folgenden Formen:
- Namensgebungen: Forscher:innen fanden heraus, dass sogar Faktoren wie der Name eines Lokals beeinflussen kann, wie viel Geld die Menschen dort ausgeben, weil der Name in dieser Situation als Anker fungieren kann. So seien Kund:innen in einer Bar namens „Studio 97“ eher geneigt, dort mehr Geld auszugeben als in einer Bar mit dem Namen „Studio 17“.
- Rabatte: Wenn du einen Artikel siehst, der zuvor 60 Euro kostete und jetzt als „50 Prozent reduziert“ ausgeschrieben ist, also nur noch 30 Euro kostet, kommt dir das wie ein Schnäppchen vor. Das liegt daran, dass dein Gehirn den Originalpreis von 60 Euro als Anker benutzt und den neuen Preis damit vergleicht. Da dieser im Vergleich sehr niedrig wirkt, wirst du hier mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Kauf verleitet – denn der Anker-Effekt suggeriert dir eine gute Gelegenheit zum Sparen.
- Verschiedene Preisklassen: In einem Verkaufsgespräch werden Kund:innen oft zuerst die teuersten Produkte gezeigt. Der hohe Preis dient dann als Anker in der Situation und den Kund:innen kommen im Vergleich alle folgenden Produkte sehr viel günstiger vor, wenn sie weniger kosten als das erste Produkt. Auch wenn die folgenden Produkte eigentlich immer noch recht teuer sind und du eigentlich nicht so viel Geld ausgeben wolltest: Durch den Anker-Effekt wirken die günstigeren Preise auf einmal doch wie ein gutes Angebot.
- Preisausschreibungen mit 99 Cent: Viele Produkte haben 99-Cent-Preise, weil dein Gehirn in diesem Fall die erste Zahl vor dem Komma als Anker nutzt und dir der Preis so günstiger vorkommt. Beispielsweise erscheint ein Produkt für 4,99 Euro automatisch günstiger als dasselbe Produkt für fünf Euro – auch wenn nur ein Cent zwischen den Beträgen liegt.
- Mindestbestellwerte für Gratisversand: Onlineshops arbeiten meist mit Mindestbestellwerten, die erreicht werden müssen, damit du kostenlosen Versand erhältst. Das führt oft dazu, dass Kund:innen mehr kaufen: Sie haben dann aufgrund des Gratisversands das Gefühl, dass sie ein Produkt für weniger Geld oder gratis bekommen.
Wie kann ich den Anker-Effekt für mich nutzen?
Der Anker ist oft die Information, die Menschen im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation zum ersten Mal gehört haben. Deshalb gilt beim Anker-Effekt zum Beispiel für den Preis: Wer zuerst den Anker setzt, bestimmt, in welche Richtung es preislich geht. Das ist beispielsweise besonders in folgenden Situationen relevant:
- Neueinführungen von Produkten
- Gehaltsvorstellungen (für Tipps zu einer erfolgreichen Gehaltsverhandlung lies auch: Nur auf das Geld fokussieren? 6 Fehler in einer Gehaltsverhandlung)
- Vorstellungen von fairen Preisen für Spenden, Services etc.
Das heißt: Wenn du den Anker-Effekt für dich nutzen willst, solltest du die erste Person sein, die eine Zahl oder einen möglichen Anker für eine Situation in den Raum stellt – zum Beispiel dann, wenn du einen Preisvorschlag für ein Produkt oder eine Dienstleistung machst. Der endgültige Preis kann später oft noch etwas von deinem ersten Vorschlag abweichen. Er wird aber in der Regel nicht sehr weit weg davon sein.
Kann man den Anker-Effekt umgehen?
Der Anker-Effekt kann für dich auch zum Nachteil werden – nämlich, wenn jemand anderes den Anker für dich festlegt und du von dem Effekt beeinflusst wirst. Oft lassen sich Menschen auch dann noch vom Anker-Effekt leiten, wenn sie um dessen Effektivität wissen. Das liegt daran, dass der Effekt dein Gehirn größtenteils komplett unbewusst beeinflusst. Es gibt jedoch eine gute Möglichkeit, diese automatisch ablaufenden Vergleiche mit dem Anker zu durchbrechen:
Dreh den Spieß um und frage dich, welche Zahl (Preisklasse oder ähnliches) du ohne den Anker erwartet hättest.
Das ist nicht immer ganz einfach. Die Frage kann dir aber helfen, bewusstere Entscheidungen in Situationen zu treffen, in denen der Anker-Effekt besonders oft zum Einsatz kommt. Ganz ausschalten kannst du den Anker-Effekt nicht, denn er ist Teil der psychologischen Prozesse, mit denen dein Gehirn Entscheidungen in unbekannten Situationen trifft.
Mit etwas Übung wirst du aber immer besser erkennen können, ob du dich in bestimmten Situationen gerade vom Anker-Effekt beeinflussen lässt und kannst gegebenenfalls gegensteuern. Das kann dir helfen, dich in Zukunft in den entsprechenden Situationen bewusster zu entscheiden.
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