Baum statt Grabstein: Die Urnen und Särge von Capsula Mundi entspringen einem radikal neuen Konzept von Beerdigung und Gedenken. Sie sind biologisch abbaubar und wo sie begraben werden, soll hinterher ein Wald wachsen.
Es ist ein Thema, mit dem sich die meisten Menschen nicht gerne auseinandersetzen, das aber deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hat: Was passiert mit dem Körper nach dem Tod?
Die Idee des italienischen Unternehmens Capsula Mundi: ein Begräbnis in eiförmigen Kapseln aus biologisch abbaubaren Materialien.
„Ein Vermächtnis an die Nachwelt“
Nach dem Begräbnis der Kapsel soll darauf ein Baum gepflanzt werden, den sich der oder die Verstorbene zu Lebzeiten selbst aussuchen kann. Dieser Baum „dient als Denkmal für den Verstorbenen und als ein Vermächtnis an die Nachwelt und die Zukunft unseres Planeten“, heißt es auf der Website von Capsula Mundi. Die Hoffnung: „Familie und Freunde werden den Baum fortwährend pflegen während er wächst.“
Die Kapseln soll es nach den Plänen der Entwickler*innen sowohl als Urne für die Asche von Verstorbenen als auch als Sarg-Alternative für den ganzen Körper geben. Im zweiten Fall soll der Leichnam „in Fötus-Position“ in der Kapsel beerdigt werden.
Die „Capsula Mundi“ zersetzt sich schließlich vollständig. Sie besteht aus einer Art Bioplastik, das auf Basis von organischem Material hergestellt wird – mehr als diese ziemlich vage Angabe ist auf der Website der Gründer und auch auf unsere Nachfrage hin nicht in Erfahrung zu bringen.
Die kompostierte Kapsel und der sich zersetzende Körper bzw. seine Asche sollen den darüber gepflanzten Baum mit Nährstoffen versorgen – der Körper wird also gewissermaßen in einen Baum „verwandelt“.
Anders als bei traditionellen Begräbnissen, sollen hinterher keine potenziell umweltschädlichen Sarg- oder Urnenteile in der Erde zurückbleiben – und kein Grabstein soll die Ruhestätten markieren, sondern ein Wald. Der Baum soll dabei als Symbol für Kontinuität stehen.
Wald statt Friedhof
Dieses etwas esoterisch anmutende Projekt hat ein Anliegen, das über das Begräbnis an sich hinaus geht: Es soll ein neues Bewusstsein und einen neuen Umgang mit dem Tod schaffen und es stellt das Konzept von heutigen Friedhöfen komplett in Frage.
„Teil des Projekts ist die Vorstellung, dass der Friedhof zu etwas anderem wird,“ sagt Mitgründer Raoul Bretzel in einem Video des Unternehmens. Er glaubt, dass anstatt auf den Friedhof in den Wald zu gehen um Verstorbene zu besuchen, „die Wahrnehmung und unseren Bezug zum Gedenken verändern würde“.
Die Vision des „Capsula Munid“-Gründungsteams Anna Citelli und Raoul Bretzel: Gedenk-Wälder anstelle von Friedhöfen, wilde Natur und Leben anstelle von manikürten Rasen und Grabsteinen.
Anstatt also eine Fläche zu haben, die ausschließlich der Ruhe der Toten und gelegentlichen Besuchen der Angehörigen dient, wollen die beiden Orte schaffen, die Totenruhe, Gedenken und Naturerlebnis zugleich bieten.
Diese Vision beinhaltet die Idee, ein GPS-System zu entwickeln, welches die Standorte der Bäume kartiert und mit persönlichen digitalen Erinnerungen an die Verstorbenen verknüpft, zum Beispiel Bildern, Videos und Audiodateien – eine Art Karte des virtuellen Gedenkens.
Die Urne: der „erste Meilenstein“
Lange war das Projekt ein theoretisches, im Sommer 2016 schließlich wollten die Erfinder*innen von „Capsula Mundi“ ernsthaft mit der Entwicklung eines Prototypen beginnen und Gussformen für den „Öko-Sarg“ produzieren.
Bei einer Crowdfunding-Kampagne kam dann aber nicht der erhoffte Betrag zusammen. Die Entwickler*innen geben jedoch nicht auf: Auf ihrer Website rufen sie nun zu Spenden auf.
Zumindest eines der Capsula-Mundi-Produkte konnten sie inzwischen finanzieren: Seit Mai 2017 kann man die Capsula-Mundi-Urne im Onlineshop kaufen. Die Kapseln, die teilweise in Handarbeit in Italien hergestellt werden, kosten um die 400 Euro und werden weltweit versandt.
Die Urne sehen ihre Entwickler als „ersten Meilenstein“; sie wollen weiterhin an der Kapsel für den ganzen Körper arbeiten.
Ist Capsula Mundi wirklich öko?
Ob und um wieviel nachhaltiger eine Bestattung in einer „Capsula Mundi“ ist, hängt unter anderem davon ab, aus welchem Material die traditionellere Alternative besteht und welche Rohstoffe für die Kapseln genau zum Einsatz kommen.
„Bei Särgen gilt ohnehin schon, dass diese verrottbar sein müssen,“ sagt Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas e.V.. Die entscheidende Frage sei hier, unter welchen Bedingungen der Sarg gefertigt wurde, ob beispielsweise das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stamme, und ob Schadstoffe im Lack oder Kleber enthalten seien. „Je weniger schädliche Stoffe in den Boden gelangen, umso besser,“ so Helbach.
Ein nachhaltig produzierter, schadstofffreier Holzsarg muss demnach nicht weniger nachhaltig sein als die „Capsula Mundi“ – und umgekehrt hat die Beerdigungskapsel an sich nicht unbedingt ökologische Vorteile.
Bei Urnenbestattungen wird in den vergangenen Jahren grundsätzlich diskutiert, ob die Totenasche möglicherweise umweltschädliche Schadstoffe an den Boden abgeben kann. Ein abschließendes Urteil ist hier aber noch nicht möglich und daher auch kein abschließendes Urteil zur Caspula-Mundi-Urne.
Unabhängig von der Bestattungsart selbst ist es aber natürlich deutlich umweltfreundlicher, einen (heimischen) Baum zu pflanzen als einen Grabstein her- und hinzustellen. Und ein Bestattungswald könnte im Gegensatz zu einem traditionellen Friedhof einen ungleich höheren ökologischen Mehrwert bieten.
Jennifer DeBruyen, Professorin für Biosystemtechnik und Bodenkunde an der University of Tennessee, äußerte sich CNN gegenüber positiv über die Idee von Capsula Mundi und ihre ökologischen Vorteile. „Ich denke, es gibt genügend Forschung und Übereinstimmung darin, dass dies eine realisierbare Option darstellt.“ Allerdings, das glauben einige Bestattungsunternehmen und -expert*innen, eine vergleichsweise kostspielige.
Wie realistisch also die Beerdigung in der „Capsula Mundi“ wirklich ist, wird sich zeigen müssen, wenn (oder falls) die Kapsel schließlich auf den Markt kommt.
Wie realistisch ist Capsula Mundi in Deutschland?
„Biologisch abbaubare Urnen werden heute schon für Baumbestattungen in Bestattungswäldern verwendet“, sagt Helbach von Aeternitas.
Wenn die Bestattung der Asche in der Caspula-Mundi-Urne auf einem Friedhof oder in einem rechtlich gleichgestellten Areal wie zum Beispiel einem Friedwald stattfände, entspräche sie auch dem in Deutschland herrschenden Friedhofszwang. Helbach sieht bei der Urne daher rechtlich keine Probleme. „Die geltenden Landesbestattungsgesetze sprechen nicht dagegen.“ Allerdings sollte man sich bei der örtlichen Gemeinde informieren, ob eine solche Art der Bestattung in der entsprechenden Satzung vorgesehen ist.
Anders sieht es bei der Bestattung des ganzen Körpers in der größeren „Capsula Mundi“ aus. Die Bestattungsgesetze der meisten deutschen Bundesländer würden diese wohl nicht zulassen: Sie schreiben beispielweise Holzsärge oder flüssigkeitsundurchlässige Särge vor und lassen Ausnahmen meist nur aus religiösen Gründen zu. Lediglich das Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen macht keine Vorgaben zu Särgen.
„Es hängt vom jeweiligen Bundesland und der genauen Beschaffenheit des Sargersatzes ab und davon, ob eine Gemeinde bereit wäre, die eigene Satzung so zu ändern, dass solche Bestattungen möglich wären“, erklärt Helbach. Sollte es die Kapsel tatsächlich eines Tages auf dem Markt geben, müsste man also genau recherchieren, ob die Gesetze und Satzungen am eigenen Wohnort die Bestattung darin erlauben.
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