Wer sich für eine bessere Welt engagiert, braucht Hoffnung. Denn wer nicht an bessere Zustände glaubt, setzt sich erst gar nicht für sie ein. Eine Kolumne von Ingwar Perowanowitsch.
Wer sich für eine bessere Welt engagiert, für den ist Hoffnung unausweichlich. Hoffnung darauf, dass es besser werden wird und kann. Darauf, dass der Einsatz in der Gegenwart, Veränderungen in der Zukunft bewirkt. Wer nicht an bessere Zustände glaubt, setzt sich erst gar nicht für sie ein.
In letzter Zeit ist es mit der Hoffnung nicht ganz so leicht. Pandemie, Krieg, Terror, der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien – all das gibt wenig Anlass, hoffnungsvoll zu sein. Und über allem steht die Klimakrise, die als Brandbeschleuniger Konflikte schafft und anheizt.
Pessimismus ist allgegenwärtig
Und so ist der Pessimismus der dominierende Sound der Gegenwart geworden und wird in Leitartikeln, Talkshows, Kolumnen und Social Media verstärkt. Düstere Prognosen haben Hochkonjunktur und alle steigen darauf ein. Egal ob links, grün, liberal, konservativ oder rechts: Überall wird gemahnt, gewarnt, zu schnellem Handeln gedrängt, bevor es zu spät ist. Optimismus versprüht kaum jemand. Mit Zuversicht und Hoffnung gewinnt man derzeit keine Wahlen. Sie scheinen in diesen Zeiten nahezu deplatziert.
Selbstverständlich: Viele Sorgen sind berechtigt, das kann man gar nicht leugnen. Und doch darf man sich von diesem Gefühl nicht komplett vereinnahmen lassen, denn die Nachrichtenlage ist trügerisch. Das Trommelfeuer an Pessimismus, Empörung, Resignation und Angst, das uns täglich in die Timelines gespült wird, ist auch einfach ein Mechanismus, um Klicks, Likes, Reaktionen und Umsätze zu generieren.
Die Protagonist:innen der Aufmerksamkeitsökonomie wissen, dass Berichte über Katastrophen, Skandale, Chaos und Fehler mehr Interaktion erzeugen als Nachrichten darüber, was alles funktioniert und immer besser wird. “Negativity Bias” nennt man dieses Phänomen in der Psychologie. Im Journalismus ist daher auch der Spruch bekannt: “Good news are no news”. Frei übersetzt: Über gute Nachrichten lohnt es sich gar nicht erst zu berichten.
Die Verantwortung von Medien
Über Dinge zu berichten, die falsch laufen, ist per se nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Es ist die Voraussetzung dafür, dass überhaupt etwas besser werden kann. Problematisch wird es aber, wenn der Fokus fast ausschließlich darauf gerichtet wird. Dann verzerrt es unsere Wahrnehmung auf die Welt und uns beschleicht das Gefühl, dass alles den Bach runtergeht. Und wenn daraus genug Menschen die Erkenntnis ableiten, dass alles zwecklos ist, wird das zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Dann gewinnen die Pessimist:innen, die Zyniker:innen und die Gleichgültigen.
Was wir brauchen, ist eine neue Sensibilität über die Verantwortung von Medien und vor allem auf Konsument:innenseite ein Bewusstsein dafür, dass die Berichterstattung nie die ganze Realität, sondern immer nur Teile davon abbildet.
Was Hoffnung gibt
Denn unter dem Mantel der schlechten Nachrichten gibt es auch viele kleine und größere Geschichten des Gelingens. Sie mögen unbedeutend wirken, angesichts der Schwere vieler Krisen vielleicht wenig weltbewegend – und doch geben sie Aufschluss über größere Trends, die bei aller Sorge über den Zustand der Welt Anlass zur Hoffnung geben. Zum Beispiel darüber, dass der Weg zur Klimaneutralität global längst eingeschlagen ist, die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bald rückläufig sein wird, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien Jahr für Jahr gesteigert wird und Rekordsummen in Klimatechnologien investiert werden.
Auch darüber, dass sich die Verkehrswende in vielen Städten immer sichtbarer zeigt, sei es durch die Renaissance des Fahrrads oder der wachsenden Bedeutung der E-Mobilität. All das wird unsere Städte leiser, sicherer, sauberer und grüner machen.
Und selbst aus der Landwirtschaft gibt es neuerdings gute Nachrichten, denn mehr und mehr wird erkannt, dass Landwirtschaft auf Dauer nur mit der Natur, nicht gegen sie gelingt. Und so sind Agroforst, Humusaufbau oder regenerative Weidehaltung längst kein Nischenthema kleiner Ökobetriebe mehr, sondern halten zunehmend Einzug in die industrielle Landwirtschaft und werden von höchster politischer Ebene unterstützt – natürlich noch ungenügend und nur in Ansätzen, doch die Richtung stimmt.
Megatrends für eine nachhaltige Zukunft
Neben diesen gut laufenden Entwicklungen, die ganz unabhängig großer Krisen verlaufen, gibt es ein weiteres Phänomen. Vielen Megatrends wohnt eine paradoxe Gleichzeitigkeit inne. Ein Beispiel: Die Urbanisierung ist eine Herausforderung, birgt aber im Kampf gegen Klimawandel und Armut auch Chancen. Autonomes Fahren kann den autozentrierten Status Quo zementieren und doch unsere Städte autoärmer machen. Der Umbruch in der Medienwelt trägt zur Verbreitung von Fake-News bei und kann doch der Wahrheitsfindung dienen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz droht riesige Mengen an Energie zu verschlingen, kann aber dennoch eine Effizienzrevolution auslösen.
Und selbst das Erstarken rechtspopulistischer und revanchistischer Kräfte kann zweierlei gelesen werden: Als der große Angriff auf die liberale Demokratie oder als das letzte Aufbäumen der alten Ordnung und ihrer einst Mächtigen auf dem Weg zu einer nachhaltigen, gleichberechtigteren und friedlicheren Welt. In dieser Gleichzeitigkeit liegt die Hoffnung, dass alles anders sein kann, die Zukunft nicht vorbestimmt ist und täglich von uns neu gemacht wird.
Den Blick auf das Gute schärfen
Ich will mit dieser Kolumne den Perspektivwechsel vornehmen. Nicht um die Herausforderungen, die es zweifellos gibt, zu leugnen – auch um die soll es hier gehen –, sondern um den Blick zu schärfen auf das, was gut ist oder das Potenzial besitzt, gut zu werden.
Einmal im Monat möchte ich ab sofort über spannende Initiativen, Ideen, Entwicklungen und Utopien schreiben – aus Deutschland, Europa und der Welt. Über Lösungen statt Probleme, über Optimismus statt Resignation. Oder kurz gesagt: über all die großen und kleinen Geschichten des Gelingens, die ohne Hoffnung nie geschrieben werden könnten.
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