Männliche Küken legen keine Eier. Deshalb werden jährlich allein in Deutschland rund 45 Millionen Eintagsküken getötet. Bei Rewe und Penny ist damit jetzt Schluss!
Jedes Jahr sterben allein in Deutschland ungefähr 45 Millionen Küken. Nur weil sie männlich sind. Und damit weder Eier legen noch beim Mästen genug Fleisch ansetzen. Sie als sogenannte Bruderhähne aufzuziehen ist zu kostspielig. Bei Mastgeflügelrassen (viel Fleisch) werden sowohl weibliche wie auch männliche Küken verwendet, bei den Legehennenrassen (300 Eier pro Jahr) sind die männlichen Küken ungewollt, sie sind überflüssig und werden bislang gleich nach dem Schlüpfen getötet.
Um die Praxis des grausamen Kükentötens zu beenden, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit circa fünf Millionen Euro die Entwicklung praxistauglicher Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei gefördert. Damit sollen männliche Küken erst gar nicht ausgebrütet werden.
Durchbruch bei der Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei
Jetzt ist das Verfahren marktreif: Heute wurde das Seleggt-Verfahren vorgestellt. In insgesamt 223 Rewe- und Penny-Märkten können Kunden ab sofort die ersten respeggt- Freiland-Eier „Ohne Kükentöten“ kaufen. Das respeggt-Versprechen besagt: „Jedes Lebensmittel, das das respeggt-Siegel trägt, ist garantiert ohne Kükentöten in seiner Lieferkette erzeugt worden.“ Die respeggt-Freilandeier „Ohne Kükentöten“ tragen ein Siegel auf der Verpackung, dazu ist jedes einzelne Ei mit einem „respeggt“-Stempel gekennzeichnet.
Die Eier sind nur wenige Cent teurer
Die Kosten sind absolut überschaubar, die Packung mit sechs Eiern kostet 1,59 Euro. Zum Vergleich: Freiland-Eier, bei denen das Seleggt-Verfahren nicht angewendet wird, sind ungefähr 10 Cent billiger. Der etwas teure Preis von 1 bis 2 Cent pro Ei kommt dadurch zustande, dass die Abläufe geändert und in neue Technik investiert werden muss. Jan Kunath, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Rewe-Group, meint: „Ich bin davon überzeugt, dass der Mehrpreis von einigen wenigen Cent pro Packung gut investiert ist. Im Laufe des kommenden Jahres können unsere Kunden dann sukzessive in ganz Deutschland die respeggt-Freiland-Eier kaufen.“ Damit ist Deutschland Auftaktgeber einer Methode, die das Kükentöten beenden kann.
Seleggt: Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei
Das Seleggt-Verfahren ist ein endokrinologisches Verfahren zur Geschlechtsbestimmung. Mit Laser wird bei dem neun Tage gebrüteten Ei ein winzig kleines Loch in die Schale gebrannt. Dem Brut-Ei wird dann mittels einer feinen Nadel die sogenannte Allantoisflüssigkeit entnommen. Damit kann – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest – das Geschlecht des Kükens bestimmt werden. Der Embryo bleibt dabei unberührt. Das kleine Löchlein verschließt sich von selbst, da sich die innere Eimembran selbstständig zusammenzieht. Die Eier mit männlichen Küken werden wie auch die unbefruchteten Eier zu Futtermittel verarbeitet. Die weiblichen werden weiter ausgebrütet, die Küken schlüpfen am 21. Bruttag.
Die Genauigkeit des Seleggt-Verfahrens liegt bei 98 Prozent. Seleggt ist ein Joint Venture der Rewe-Group mit einem holländischen Technologie-Unternehmen, gefördert durch das BMEL.
Blockchain-Technologie für lückenlose Rückverfolgbarkeit
Um zu garantieren, dass eine Legehenne ohne das Töten ihres Bruders schlüpfen und aufwachsen konnte, bedarf es einer lückenlosen Kontrolle der Lieferkette. Hierfür sorgt die Blockchain-Technologie: Die Daten werden von der Brüterei über den Aufzuchtbetrieb der Junghennen bis zur Packstelle der Eier dezentral gespeichert.
Männliche Embryos werden zu Tierfutter
Ist es ethisch zu verantworten, wenn künftig Millionen männlicher Bruteier für Tierfutter verwendet werden? Die Antwort von Dr. Ludger Breloh, Seleggt-Geschäftsführer lautet „Ja“: „Auch aus unserer Sicht wäre ein wirtschaftliches Zweinutzungshuhn sicherlich als „Best-PracticeAnsatz“ auch für den Massenmarkt anzusehen, aber derzeit ist ein derartiger Zuchterfolg aufgrund von negativ korrelierten Eigenschaften eher nicht zu erwarten.“
Kritiker befürchten, dass die Embryos zu diesem Zeitpunkt bereits Schmerzen empfinden. Dem ist aber nicht so, da sind sich Experten einig. „Eines ist mit Sicherheit unbestritten, nämlich dass lebende Eintagsküken zum Zeitpunkt ihrer Tötung ein Schmerzempfinden haben“, so Ludger Breloh.
Kükenschreddern: eigentlich verboten
Bislang wurden allein in Deutschland Jahr für Jahr 45 Millionen männliche Küken der Legehennenrassen getötet. Entweder werden die Jungküken mit Kohlendioxid vergast oder sie landen lebendig im Schredder. Das gefällt nicht nur Tierschützern nicht: Der Gesetzgeber will es eigentlich auch nicht – macht aber eine Ausnahme, weil bislang keine praktikablen Alternativen existierten. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Große Koalition jedoch festgeschrieben, dass ab Herbst 2019 keine Küken mehr getötet werden dürfen.
Mit Seleggt ist jetzt endlich ein Verfahren reif für die Praxis. Technisch ist das System inzwischen so weit entwickelt, dass das Kükentöten in 2019 für jede Brüterei beendbar ist. Und bis Ende 2019 sollen die Produkte in allen Penny- und Rewe-Märkten in Deutschland erhältlich sein. Ab 2020 soll der branchenweite Roll-out folgen. „ Perspektivisch können auch Lebensmittel, die nennenswerte Anteile von verarbeitetem Frischei enthalten, gekennzeichnet werden, zum Beispiel Nudeln, Kuchen oder Kekse“, so Dr. Ludger Breloh.
Alternativen sind trotzdem gefragt
Parallel wird aber nach Alternativen gesucht. Ideen gibt es einige, etwa Bruderhahn und Zweinutzunghuhn . Beim Bruderhahn-System werden auch die männlichen Küken aufgezogen, auch wenn sich das weniger lohnt, weil sie weniger Fleisch bilden. Beim Zweitnutzungshuhn strebt man eine Züchtung an, bei denen die Weibchen als Legehenne, die Männchen als Masthuhn einsetzbar sind. Für den Massenmarkt taugen beide Auswege noch nicht.
Utopia meint: Mag die Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei kein idealer Ersatz für das Zweitnutzungshuhn sein, weil sie keine Alternative zur industriell getriebenen Tieroptimierung bietet, so garantiert sie doch, vom bislang noch geduldeten massenhaften Kükenschreddern bald wegzukommen. Und das ist in jedem Fall zu begrüßen.
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