Ein neuer Dokumentarfilm blickt hinter die Kulissen von Finanzindustrie und Kapitalismus und sucht Antworten auf die Frage: Warum wollen wir auf einem endlichen Planeten unendlich wachsen?
Im neuen Kino-Film „System Error“ begibt sich Filmemacher Florian Opitz („Der Große Ausverkauf“, „Speed – auf der Suche nach der verlorenen Zeit“) in die Welt von amerikanischen Hedgefondsmanager, europäischen Finanzstrategen und brasilianischen Fleischproduzenten – also in die Welt von Menschen, die unser modernes kapitalistisches Wirtschaftssystem am Laufen halten.
System Error: aus der Perspektive der Kapitalisten
Wir erhalten Einblicke in deren Lebensrealitäten und Gedankenwelten – und lernen, warum die „Kapitalisten“ das Wirtschaftswachstum fast für ein Naturgesetz halten und sich eine Welt ohne stetiges Wachstum nicht vorstellen können. Solange wir Bedürfnisse haben, würde es Wachstum geben – davon ist ein Kapital-Manager im Film überzeugt.
Opitz schaffte es, für „System Error“ Szene-Größen vor die Kamera zu holen: etwa den Hedgefonds- und Ex-Berater Donald Trumps, Anthony Scaramucci, den chinesischen Airbus-Präsidenten Eric Chen, den Chefinvestor der Allianz Andreas Gruber, Carlos Capeletti, den größten Hühnerproduzenten Brasiliens und Tim Jackson, Ökonom und bekannter Wachstumskritiker.
Die Natur bezahlt für unseren Wohlstand
Jackson ist dann auch derjenige, der die berechtigte Frage stellt: Wie kann man in einem begrenzten Raum stetig wachsen wollen? Seine Gegenstimme beleuchtet kritisch die Idee vom Wirtschaftswachstum als Selbstzweck. Über all dem schwebt in der Doku die Stimme von Karl Marx, dem wohl bekanntesten Analytiker des Kapitalismus – und der dieses Jahr seinen 200. Geburtstag feiert.
In „System Error“ erfahren wir, welche selbstzerstörerischen und unkontrollierbaren Mechanismen es auf dem Finanzmarkt gibt: Einem Markt, an dem wir als Konsumenten und Anleger Teil haben und welchen wir durch unser Kapital auch mitgestalten. Langjährige Insider räumen ein, dass sie das Geschehen am Markt nicht mehr verstehen und die Finanzindustrie auf einer Illusion basiert. Aussteiger erklären in „System Error“, dass im Finanzkapitalismus oft die gewöhnlichen Menschen auf der Strecke bleiben – etwa die Menschen, die ihr Geld für die Altersvorsorge am Kapitalmarkt angelegt haben.
Opitz hakt kritisch nach, wenn der Airbus-Manager von den sechs Milliarden Kunden schwärmt, die noch nicht fliegen – es aber bald tun sollen: Was ist mit unserer Luft? Unserer Umwelt? Solche Bedenken werden vom Manager beiseite gewischt – der kritische Zuschauer bleibt ernüchtert zurück und stellt fest: Die Natur zahlt für unser Streben nach Wohlstand einen hohen Preis.
System Error: ernüchternd und beklemmend
Mehr als vier Jahre hat Florian Opitz an „System Error“ gearbeitet: Ihm gelingt es, ein authentisches Bild des komplexen Finanzmarktes zu vermitteln und zu zeigen, dass sich unser gängiges Wirtschaftsmodell ändern muss.
Der Film will anregen, sich auf die Suche nach Alternativen zu machen. Dass es bereits Alternativen und Menschen gibt, die etwas verändern – das zeigt „System Error“ nicht und hinterlässt daher ein ernüchterndes und beklemmendes Gefühl.
„System Error“ ist auch ein Film, in dem man Frauen vergebens sucht. Opitz‘ Protagonisten sind allesamt Männer, was an der bekannten gläsernen Decke liegen mag: Je höher es in der Karriere geht, desto männlicher wird es – besonders im Finanzsystem. Was wäre, wenn wir in einer Welt leben würden, in der Frauen statt Männer Wirtschaft und Politik dominierten? Das ist vielleicht eine noch viel spannendere Frage.
„System Error“ läuft ab dem 10. Mai 2018 in den Kinos. (R: Florian Opitz, Deutschland 2018, 96 Min.)
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