Für manche Menschen sind kurze Gesprächspausen bereits unerträglich. Wie ist es dann zehn Tage am Stück zu schweigen? Die Teilnehmerin eines Schweige-Kurses berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen. In der Wissenschaft unterscheidet man diverse Formen des Schweigens.
In der Meditation und dem Schweigen wollen Praktizierende Inne halten und den Fokus auf die eigenen Gefühle, Gedanken und eigene Befinden legen. Laut der Sprachwissenschaftlerin Sina Lautenschläger mache Schweigen „etwas mit uns“ und sei ein Mittel zum Ausdruck. Mit 25 Jahren hat sich Elisabeth Inhester 10 Tage lang dem Schweigen ausgesetzt. Gegenüber Spektrum erklärt sie, was die Meditation mit ihr gemacht hat.
Unterschiedliche Formen des Schweigens
Was Schweigen mit uns macht und welche Rolle es im Alltag spielt, untersucht Sprachwissenschaftlerin Lautenschläger von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg seit einigen Jahren. Sie unterscheidet zwischen verschiedenen Formen des Schweigens.
Dazu gehöre das „schmollende Schweigen„, mit dem Menschen demonstrierten, dass sie sich ungerecht behandelt fühlen. Das sei der Expertin zufolge ein Mittel, um Macht zu erlangen. Gesellschaftlich kann das Schweigen laut der Wissenschaftlerin auch ein Ausdruck von Ohnmacht oder Unterdrückung sein. Es brauche demnach für Veränderungen immer einen lauten Aufschrei. „Und wenn einem das verweigert wird, etwa durch patriarchale Strukturen, wird man zum Schweigen gebracht.“ Auch könne man „implizit“ oder „sprechend“ Schweigen, indem man im Gespräch ausweicht und plötzlich von einem anderen Thema spricht, so Lautenschläger.
An manchen Stellen sei die Ruhe Lautenschläger zufolge angebracht. Beispielsweise auf Beerdigungen, in einer Bibliothek oder während der Meditation. Dabei spricht Lautenschläger von „konventionellem Schweigen„.
Kulturelle Unterschiede beim Schweigen
Kulturell gesehen gibt es Unterschiede im Umgang mit Schweigen. Deutschland, Frankreich und die USA gehören zu den „Redekulturen„, in denen Gesprächspausen von 1,5 Sekunden bereits unangenehm wahrgenommen werden. Dabei gilt es als unhöflich sich ins Wort zu fallen. In sogenannten „Schweigekulturen“ wie Finnland, China oder Japan dagegen sollte man „nicht zu früh wieder anfangen zu sprechen“, so Lautenschläger.
Persönliche Erfahrung im Schweige-Kurs
Die damals 25-jährige Elisabeth Inhester schwieg zehn Tage lang im Rahmen eines Vipassana-Kurses, um einen Ausgleich von ihrem Arbeitsalltag zu bekommen. Dieser war geprägt von Zeitdruck und schlechten Arbeitsbedingungen, wie Inhester sagt.
Während einem Vipassana-Kurs verbringen die Teilnehmer:innen zehn Tage lang auf dem Kursgelände. Dabei schweigen sie die gesamte Zeit. Auch nonverbal sollen die Teilnehmenden nicht miteinander kommunizieren. Zehn Stunden Meditiation stehen während der Kurstage auf dem Programm. Es ist eine der ältesten Meditationstechniken Indiens. Sie soll Menschen helfen, die „Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind“, heißt es auf einer Webseite zu Vipassana-Meditation. Das Schweigen hat demnach zum Ziel, sich selbst zu „beobachten“ und somit die „geistigen Unreinheiten“ zu lösen und „Liebe und Mitgefühl“ zu entwickeln.
Für Inhester war der Vipassana-Kurs laut eigener Aussage eine innere Achterbahn. Das Schweigen fühlte sich für sie zwar natürlich an, weil es alle taten. Ihr Befinden schwankte jedoch zwischen Euphorie und Bedrückung. An einigen Tagen, so berichtet sie gegenüber Spektrum, sei die Zeit geschlichen. Besonders dann, wenn sie sich negative Gedanken machte. Sie sagt, diese Gefühle durch das Schweigen akzeptiert aber auch losgelassen zu haben – um sich nicht zu sehr mit ihnen zu identifizieren. Am Ende der Zeit aber habe sie nicht sofort sprechen wollen, sondern hatte das Bedürfnis, weiter zu schweigen und zu meditieren.
Mittlerweile sind seit dem Kurs fünf Jahre vergangen. Aus der Zeit mitgenommen habe sie folgende Erkenntnis: „Wie viel Überflüssiges man eigentlich sagt. Wie wenig von den eigenen Worten eigentlich Relevanz hat.“ Seitdem besuchte sie weitere Kurse.
Studie zu Meditation
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