Bei Burnout denkt man gerne an zu viele Überstunden, enormen Druck und Erschöpfung im Beruf. Doch Menschen können auch von sozialen Beziehungen ausgebrannt sein, wie Expert:innen erklären.
Wer Burnout hört, denkt an Menschen, die von der Arbeitsbelastung sprichwörtlich ausgebrannt sind: Überstunden, Mehrbelastung, das Gefühl von unermesslicher Erschöpfung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2019 Burnout als „chronischen Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird“ anerkannt. Doch Burnout kann auch andere Lebensbereiche durchziehen: das Privatleben. Dann ist von sozialem Burnout die Rede.
Brunch am Sonntag, Abendessen mit den Eltern am Montag, der Sportkurs mit Freund:innen nach Feierabend am Dienstag und noch zwei weitere Dates gegen Ende der Woche. Vor allem mit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen hätten sich viele Menschen mit ihren Kontakten übernommen, schreibt Amelia Aldao in einem Beitrag für Psychology Today. Sie hat klinische Psychologie studiert und ist Spezialistin im Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie.
Expertin warnt vor einer Art Spirale beim Burnout
Aldao zufolge bestehe bei einigen Personen der Drang, zuvor eingeschränkte soziale Events nachzuholen. Sie empfinden dadurch aber Druck. „Entweder halten wir uns an unsere Verabredung oder wir sagen sie ab, haben dann aber ein schlechtes Gewissen“, erklärt die Expertin.
Sie warnt: Wer sich von vielen zwischenmenschlichen Kontakten überfordert fühlt, ist so gefährdet, in eine Art Burnout-Spirale zu geraten. Je mehr Burnout eine Person demnach fühlt, desto weniger flexibel sei sie kognitiv, weshalb sie sich noch mehr in soziale Kontakte stürzen würde, um mitzuhalten. Das aber wiederum verstärkt die Erschöpfung.
Symptome für Burnout sind laut WHO das Gefühl von Erschöpfung beziehungsweise Antriebslosigkeit, eine zunehmend geistige Distanz oder negative Haltung, sowie ein verringertes Leistungsvermögen, das sich zum Beispiel als Konzentrationsschwäche äußert. Allerdings weist WHO darauf hin, dass der Begriff Burnout ausschließlich im beruflichen Zusammenhang und nicht „für Erfahrungen in anderen Lebensbereichen“ verwendet werden sollte.
„Eine Erschöpfung kommt von dysfunktionalen Beziehungen“
Das hält Ärztin und Burnout-Beraterin Mirriam Prieß für problematisch, wie sie gegenüber der Zeit erklärt. Sie sagt: „Eine Erschöpfung kommt von dysfunktionalen Beziehungen – und die gibt es im privaten Umfeld genauso wie im Job.“ Damit meint die Expertin: Verbringen Menschen zu viel Zeit mit anderen Personen oder Tätigkeiten, die ihnen nicht guttäten, laufen sie Gefahr, sich sozial zu erschöpfen.
Prieß zufolge sei es kritisch, wenn Menschen ihren Selbstwert von anderen Personen – in vielen sozialen Kontakten – oder dem eigenen Job abhängig machten. Bricht dann nämlich davon etwas weg, fühlten sich die Betroffenen häufig verloren. Prieß rät dazu, dass Menschen in Therapien „wieder mit sich selbst in den Dialog treten.“ Die eigenen Bedürfnisse müssten allerdings auch nach außen kommuniziert und gepflegt werden – also beispielsweise mit Freund:innen oder der Familie. „Burnout ist niemals nur das Problem der Personen, die ausbrennen und die Fassade aufrechterhalten, es betrifft auch die Mitmenschen.“
Mögliche Strategien gegen zu viel Freizeitstress
Auch Aldao empfiehlt, sich selbst „flexible Erwartungen“ zu setzen. Das bedeutet zum Beispiel, zu hinterfragen, wie lange bestimmte soziale Events tatsächlich dauern müssen. Oder ob man sich lieber mit einzelnen Personen anstatt in einer großen Gruppe treffen möchte. Zudem sei die Erwartungshaltung kritisch: „Nicht jede Aktivität wird eine 10/10 in puncto Spaß und Spannung“, schreibt die Expertin.
Außerdem könne es helfen, die Menge an Aktivitäten einer Woche zu visualisieren und zu priorisieren: Was muss wirklich erledigt werden? Was würde einem selbst Freude bereiten? Und was kann verschoben werden? Trotzdem sollte man sich Spielraum geben, sollten Pläne anders verlaufen.
Burnout im Privatleben auch bei Menschen, die Care Arbeit leisten
Neben einem zu vollen Terminkalender mit privaten Verabredungen, gibt es noch weitere Dimensionen, durch die Menschen im Privatbereich auslaugen. Laut der Vorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Psychiater, Christa Roth-Sackenheim, können Burnout-Symptome im Privatbereich auch durch „nicht erholsamen Schlaf“ bedingt sein – oder zusätzliche Belastung, die etwa durch Care Arbeit entsteht, wie sie im Gespräch mit dem Stern betont. Demnach seien Alleinerziehende und pflegende Angehörige von Burnout im Privatleben etwas häufiger betroffen. Arbeitslosigkeit sowie finanzielle Probleme können ebenfalls Risikofaktoren darstellen.
Hinweis: Grundsätzlich ist es ratsam, bei einem Verdacht auf Burnout professionelle Hilfe aufzusuchen. Erste Ansprechpartner:innen können Hausärzt:innen sein. Sie sollten bei Bedarf an Spezialist:innen überweisen, üblicherweise Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen oder Psycholog:innen.
Wer sich psychisch belastet fühlt, kann außerdem bei der Telefonseelsorge Hilfe finden: Unter der Telefonnummer 0800/1110111 oder 0800/1110222. Alternativ gibt es das Chat-Angebot unter: online.telefonseelsorge.de
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