Ob milder oder schwerer Verlauf: Manche Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, leiden noch danach an gesundheitlichen Folgen. Wir erklären, was die „Coronavirus-Geister“ mit Long Covid zu tun haben könnten.
Genesen sein bedeutet noch lange nicht, gesund zu sein: Das zeigt das aktuelle Coronavirus sehr deutlich. Denn einige Betroffene leiden nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung noch Wochen oder Monate danach an gesundheitlichen Beschwerden.
Zusammen gegen Corona vergleicht diese Langzeitfolgen zwar mit denen von anderen Infektionserkrankungen wie etwa die Spanische Grippe, jedoch träten die sogenannten „Long Covid“-Symtome nach einer Infektion aus statistischer Sicht häufiger und länger auf.
Forscher:innen haben jetzt neue Erkenntnisse veröffentlicht, in welchem Zusammenhang sogenannte „Coronavirus-Geister“ damit stehen könnten.
Long Covid: Was ist das überhaupt?
Von Long Covid sprechen Mediziner:innen dann, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen nach einer Infektion über vier Wochen oder länger fortbestehen. Im Gegensatz dazu lässt sich das Post-COVID-19-Syndrom abgrenzen, das auch neu auftretende Symptome einschließt, die erst Wochen nach der überstandenen COVID-19-Erkrankung auftreten.
Das RKI listet eine Reihe von systematischen und unspezifischen Beschwerden auf, die im Zusammenhang mit Long Covid bei Betroffenen bisher beobachtet wurden:
- Gefühl der ständigen Erschöpfung (Fatigue)
- Konzentrationsstörungen und „Brainfog“
- Luftnot
- Schwindel
- Schlafstörungen
- Riech- und Schmeckstörungen
- Muskelschwäche
- allgemein eingeschränkte Belastbarkeit
Wie viele Personen konkret an Long Covid leiden, kann bisher nicht verlässlich gesagt werden. Schätzungen gehen von bis zu 15 Prozent aller Infizierten aus, wobei Patient:innen mit schweren Krankheitsverläufen häufiger betroffen wären. Zwei Prozent sollen an Post Covid leiden.
Neue Forschungstheorie über virale Reservoirs im Körper
Bisher vertraten viele Forscher:innen die These, wonach Long Covid durch das außer Kontrolle geratene Immunsystem ausgelöst wird. So spricht die Leiterin der Immundefektambulanz an der Berliner Charité, Prof. Carmen Scheibenbogen, in einem Podcast von einem sehr aktiven Immunsystem, das Autoantikörper bildet. Diese Autoantikörper könnten weitere Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise Diabetes Mellitus oder Multiple Sklerose nach sich ziehen.
Im weiteren Verlauf erwähnt die Expertin auch eine neuere Theorie, und zwar dass manche Patient:innen anhaltend Virusreste im Körper haben. Solche Fragmente habe man beispielsweise in Darm-Biopsien nachgewiesen. Forscher:innen fanden in diesem Zusammenhang anhand von Stuhlproben heraus, dass virale Reservoirs von Sars-CoV-2 offenbar über mehrere Monate hinweg noch im Darm überleben könnten. Es seien auch diese „Coronavirus-Geister“, wie Ami Bhatt von der Stanford Medicine sie nennt, die unter anderem für die gastrointestinalen Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen verantwortlich sein könnten.
Weitere Forschungsarbeiten unterstützen die Theorie
Auch eine andere Forschungsgruppe stützt die Theorie, nachdem sie eigene Proben von Proband:innen untersuchte. Denn die Wissenschaftler:innen der Universität Innsbruck konnten ebenfalls Studienergebnisse publizieren, wonach Sars-CoV-2-Antigene Wochen und Monate nach der Erstinfektion im Gewebe verblieben. Sie untesuchten insgesamt 46 Teilnehmer:innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die Long-Covid-Symptome zeigten. Bei ihren Untersuchungen stellten die Forscher:innen fest: Bei den Teilnehmer:innen, bei denen Virusreste vorlagen, zeigten sich typische Long-Covid-Beschwerden wie Abgeschlagenheit oder Müdigkeit. Hierbei machten 90 Prozent der untersuchten Patient:innen vorab eine milde Akutphase durch. Was dafür spricht, dass auch leichte oder asymptomatische Infektionen Long Covid nach sich ziehen könnten.
Vieles spricht also dafür, dass sich Reste des Virus noch über Monate hinweg im menschlichen Körper befinden. Mitunter kamen andere Studien sogar zu dem Ergebnis, dass die virale DNA viele Stellen im Körper befalle, darunter auch das Herz oder das Gehirn.
Allerdings konnten die Forscher:innen bisher noch keine eindeutige Kausalität mit Long Covid beweisen, sodass die aktuellen Erkenntnisse weiterer Forschung bedürfen. Im Moment besteht nur eine anekdotische Evidenz, bei der es viele Unbekannte gibt.
Deshalb erhoffen sich Forscher:innen wie Bhatt zukünftig mehr Proben, anhand derer man die Virusreservoir-Hypothese bekräftigen kann. Möglicherweise könnte das US-amerikanische National Institute of Health, das eine Studie mit dem Namen „RECOVER“ mit Biopsien bei Long-Covid-Patient:innen durchführt, zur Klärung beitragen. Auch die Frage, inwieweit sich Impfungen oder Virusvarianten wie Omikron auf Long Covid auswirken, wird wissenschaftlich zu beantworten sein.
Wo Betroffene Hilfe finden
Unabhängig davon, ob die Hypothese zu den Coronavirus-Geistern zukünftig wissenschaftlich haltbar ist oder nicht: Für Betroffene ist es wichtig, Hilfe zu bekommen. Inzwischen gibt es in der gesamten Bundesrepublik zahlreiche Anlaufstellen für Long-Covid-Patient:innen, beispielsweise Spezialambulanzen.
Des Weiteren hat das Bundesministerium für Gesundheit die Interministerielle Arbeitsgruppe Long-COVID eingerichtet, die Bestandsaufnahmen vornimmt und Handlungsempfehlungen für Ärtz:innen, Kliniken und Therapeut:innen ausspricht. Zusätzlich dazu hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) ein neues Online-Angebot auf den Weg gebracht: Longcovid-Info versteht sich als Online-Wegweiser, der Betroffenen und deren Angehörige über das Krankheitsbild und Behandlungsmöglichkeiten informieren möchte.
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