Geo Engineering ist ein umstrittenes Thema und laut Geologin Maria-Elena Vorrath auch ein missverstandenes. Denn die Manipulation des Klimas findet der Expertin zufolge schon längst statt – „nur leider in die falsche Richtung“.
Die einen sehen es als letzte Rettung angesichts der Klimakrise, andere wittern Gefahr: Die Folgen von Geo Engineering – also des Eingreifens in das Klimasystem mit großtechnischen Maßnahmen – kann bisher noch niemand so genau abschätzen. Die Geologin Maria-Elena Vorrath erklärt im Interview mit der taz, warum sie Geo Engineering für dringend notwendig hält, warum die Skepsis nur bedingt angebracht ist, und was verwitternde Steine fürs Klima tun können.
„Hollywood hat da ganze Arbeit geleistet“
Dass viele Menschen dem Konzept des Geo Engineering gegenüber skeptisch sind, liegt laut der Expertin an den von der Filmindustrie gezeigten Szenarien und Technologien. Man habe sofort Katastrophenfilme und Wettermanipulation im Kopf, „weil Hollywood da ganze Arbeit geleistet hat“. Doch eigentlich hieße Geo Engineering nur, „dass wir auf globaler Ebene die geochemischen oder biogeochemischen Kreisläufe verändern.“ Dazu zählt laut der Expertin beispielsweise auch, einen Baum zu pflanzen.
„Geo Engineering findet bereits statt“, sagt die Expertin, schon sehr lange und in großem Stil, „nur leider in die falsche Richtung“: Indem die Menschheit seit der Industrialisierung massenhaft CO₂ in die Atmosphäre entlassen hat, hat sie auch die Erderwärmung ausgelöst. Sprich: das Klima manipuliert.
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Ist Geo Engineering wirklich notwendig, um der Klimakrise zu begegnen?
Für die Geologin ist Geo Engineering notwendig, um die Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Sie betont, dass wir uns in einer „absoluten Notfallsituation“ befänden. Auch das 1,5-Grad-Ziel kann die Menschheit ihr zufolge nicht schaffen. „Fahr doch ein bisschen Fahrrad und iss mal ein Soja-Schnitzel, dann wird schon alles gut“ – dass noch immer viele Menschen so oder ähnlich über die Klimakrise denken, sei nicht mehr zeitgemäß.
Sie stellt heraus, dass im breiten Feld des Geo Engineering einige Maßnahmen viel besser erforscht und weniger einschneidend sind als andere. Einzelne Länder könnten beispielsweise in Extremsituationen auf kurzfristigere Maßnahmen zurückgreifen, deren Auswirkungen auf das Weltklima noch nicht verstanden seien.
Vorrath bringt als Beispiel an: Indem man Schwefeldioxid in die Atmosphäre sprüht, kann das Sonnenlicht für kurze Zeit gedimmt werden. Darauf könnten einzelne Länder bei extremer Hitze zurückgreifen – doch die längerfristigen globalen Folgen davon seien unklar. Internationale Wissenschaftsteams warnen deshalb eindringlich vor der Technologie. Um solche Panikreaktionen zu vermeiden, rät die Expertin stattdessen frühzeitig zu „Klimaschutz und Klimaanpassung.“
Geo Engineering als Freibrief für noch mehr CO₂-Ausstoß?
Wichtig laut Vorrath: Selbst wenn durch Geo Engineering viel CO₂ wieder eingefangen und/oder gebunden werden kann, ist das kein Freibrief für noch höhere Emissionen. Denn wenn die Industrie rund um die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre sich bis 2050 alle zwei Jahre verdopple, müssten wir gleichzeitig den Ausstoß um 90 Prozent reduzieren. Erst dann seien die Maßnahmen effektiv, so die Geologin.
Die Wissenschaft sei sich einig, dass Geo Engineering nur für Emissionen verwendet werden darf, die sich absolut nicht einsparen lassen. Vorrath stellt gegenüber: Ein Kohlekraftwerk lasse sich sehr einfach vermeiden, für das CO₂-intensive Zement gebe es jedoch noch keinen adäquaten Ersatz.
Forschende wollen bestehende Prozesse effizienter machen
Statt in großem Stil ins Klima einzugreifen und Prozesse in Gang zu setzen, die die Erde so nicht kennt, versuchen Forschende, die bereits in der Natur bestehenden Abkühlungsprozesse weiterzunutzen. So auch Vorrath: Eins ihrer Spezialgebiete ist die Gesteinsverwitterung, wo CO₂ in das unschädliche Mineral Bikarbonat umgewandelt wird. Dieser Prozess findet ganz natürlich statt, wenn Kohlenstoffdioxid mit Wasser und dann wiederum mit Gestein in Berührung kommt.
Um der Klimakrise zu begegnen, wollen die Forschenden das Ganze jedoch beschleunigen – zum Beispiel, indem man die Gesteine möglichst klein mahlt, um die Oberfläche zu maximieren. So hat die Kohlensäure (die entstandene Kombination CO₂ und Wasser) mehr „Angriffsfläche“ und wird schneller mineralisiert. Man könnte das fein gemahlene Gestein dann etwa auf einem Acker ausbringen, wo bei Niederschlag die Mineralisierung automatisch in Gang kommt. Auch die Arten des Gesteins oder die Temperaturen können eine Rolle spielen und werden erforscht.
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