„Okay Boomer“: Einigen jungen Menschen ist die Sichtweise der älteren Generation ein Dorn im Auge. Das führt zu Konflikten, wie auch eine jüngste Studie beleuchtet. Eine Sozialforscherin ordnet die Ergebnisse ein und warnt davor, sich nur in der eigenen Bubble zu bewegen.
Junge Menschen haben Vorurteile gegenüber älteren und umgekehrt. Längst ist „Boomer“ zum geflügelten Wort für eine Person geworden, die Veränderung, Gleichberechtigung oder Fortschritt ablehnt. Dabei bezeichnet „Boomer“ zunächst einmal jene, die zwischen 1950 und 1960 geboren und jetzt zwischen 60 und 70 Jahren alt sind.
Simone Gretler Heusser ist Sozialwissenschaftlerin und forscht zu den Beziehungen zwischen Generationen. Auch sie gehört der Boomer-Generation an. In einem Interview mit dem Spiegel spricht die Expertin über die Missverständnis zwischen Jung und Alt – und sagt: Gesellschaftliche Probleme wie die Klimakrise können nur generationenübergreifend angegangen werden.
Werte verankern sich in der jeweiligen Generation
Laut Gretler Heusser zeigt die Forschung, dass die Gewichtung von Werten „meist an Generationen“ gebunden. Auch wenn es Ausnahmen gebe, schlägt sich sozialer Wandel bei Themen wie Gendern oder Rassismus je Generation nieder. „Zum Beispiel verweisen Ältere in Diskussionen gern darauf, dass sie früher das N-Wort gesagt haben. Sie haben kaum Verständnis dafür, warum das heute nicht mehr geht und etwa aus Kinderbüchern gestrichen werden soll“, erklärt die Expertin.
Anfang August erschien eine Studie im Fachmagazin Plos One, die zu dem Ergebnis kam, dass jüngere Menschen im Alter von 16 bis 40 Jahren, auf der Videoplattform TikTok Vorurteile gegenüber Personen verbreiten, die älter als 50 Jahre sind. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Älteren die Ansichten der Jüngeren nicht teilten. Auch von schlechten Erfahrungen mit Boomern berichten die Studienteilnehmer:innen.
„Erschreckend“, so Gretler Heusser
Gretler Heusser nennt diese Ergebnisse „erschreckend“. „Die Jungen fühlen sich offenbar von älteren Menschen provoziert oder angegriffen“, ordnet sie ein.
Gleichzeitig betont die Expertin, dass in der Studie unklar bleibt, um welche Erfahrungen es sich genau handelt. Hinzu kommt, dass für TikTok-Maßstäbe nur wenige Videos ausgewertet wurden – gerade einmal 673. Die Expertin sieht aber eine Bestätigung dessen, was Forschende schon lange vermutet haben. Und sie kann sich ein typisches Konflikt-Szenario vorstellen: in dem ältere Personen junge Menschen im öffentlichen Raum darauf hinweisen, nicht so laut zu sein.
„Junge haben oft keinen Raum, wo sie jung sein dürfen. Das ist nicht neu, wurde durch die Coronakrise noch akzentuiert und führt häufig zu Konflikten.“ Weiter betont die Sozialwissenschaftlerin: Bei all der wichtigen Abgrenzung, die junge Menschen bräuchten, „um sich zu positionieren“, müssten sie auch Gegenwind ausgesetzt werden.
„Irritieren und ihre Position infrage stellen“
Gretler Heusser zufolge seien Situationen wichtig, „die sie irritieren und ihre Position infrage stellen“. Solche Irritationen könnten Menschen hervorrufen, „die andere Lebensgeschichten oder politische Einstellungen haben – etwa weil sie älter sind, aber nicht nur“.
Immer häufiger, so die Forscherin, würden sich Millennials oder Personen der Generation Z in ihrer Bubble bewegen. Oder wie Gretler Heusser sagt, seltener mit „anderen Einstellungen und Lebensformen“ konfrontiert. „Sie sind in ihren Berufen oder bei TikTok häufiger unter Menschen, die ihnen ähnlich sind.“
Die Expertin ist der Überzeugung, dass mehr generationenübergreifend kommuniziert werden sollte. Insbesondere wenn es um gesellschaftliche Herausforderungen wie die Klimakrise geht. Es reiche nicht, wenn nur die jüngeren Generationen sich anders ernährten oder die Verbrennungsmotoren ersetzen. „Das muss zusammen gemacht werden.“ Auch Projekte könnten für ein Mehr an Miteinander sorgen, erklärt Gretler Heusser.
Ein erster Schritt ist ihrer Meinung nach, Konflikte und unterschiedliche Lebenswelten zwischen den Generationen transparent zu machen. „Erst wenn beide die Sichtweise der anderen verstehen, sehen sie, dass ein Kompromiss nötig ist.“
Verwendete Quellen: Spiegel, PLOS One
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?