Fürs Fleischessen und gegen Veganismus sprach sich der Naturschützer und ehemalige BUND-Vorsitzender Professor Dr. Hubert Weiger aus. Ihm zufolge würden Kühe unter bestimmten Bedingungen sogar das Klima schützen. Doch das geht an der Realität vorbei.
Esst Fleisch und trinkt Milch, fordert Professor Dr. Hubert Weiger laut einem Interview mit BR24, dem Nachrichtenangebot des Bayerischen Rundfunks. Laut dem Naturschützer und ehemaligen Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) schützen Kühe das Klima. Veganismus hingegen sei ein Angriff auf die Landwirtschaft.
In dem BR24-Interview widersprach Weiger der Aussage, Kühe seien schädlich für das Klima. „Im Gegenteil, sie schützen das Klima“, so der 77-Jährige. Sie seien keine Klimakiller, wenn sie „auf der Weide stehen und Gras fressen“. Weiger sieht es jedoch kritisch, wenn die Tiere in großen Ställen stehen und mit Mais, Getreide und Soja gefüttert werden.
Der ehemalige BUND-Vorsitzende erklärt seine Aussage wie folgt: Für Menschen ist Gras unverdaulich, Wiederkäuer dagegen können es in ein „Lebensmittel umwandeln“, nämlich in Milch und Fleisch. „Nur mit Rindern“ könne Grasland für den Menschen nutzbar gemacht und erhalten werden. Weiger zufolge seien Wiesen ein Kohlenstoff-Speicher und die „artenreichsten Lebensräume, die wir haben“.
Die Realität sieht für viele Rinder jedoch anders aus als das Bild, das Weiger zeichnet. Ein Beispiel: Während 2010 noch 42 Prozent der Milchkühe in Deutschland Zugang zur Weide hatten, waren es zehn Jahre später nur noch 31 Prozent. Das berechnete Greenpeace im März anhand von Daten der Bundesländer.
Klimakiller Kuh? Das sagt eine Tierärztin
Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) stammen zwei Drittel des Methan-Ausstoßes in Deutschland aus der Landwirtschaft. 80 Prozent dessen stammt demnach von Rindern. Ein Tier stößt laut UBA etwa 100 bis 200 Liter Methan am Tag aus.
Auch Dr. Anita Idel, Tierärztin und Lead-Autorin des Weltagrarberichts, erklärt laut dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), dass Rinder bei artgerechter Haltung keine Klimakiller seien. Ihr zufolge regten Kühe das Graswachstum an, wenn sie es fressen. Dadurch würden sich Feinwurzeln mit besonders vielen Wurzelenden bilden, wodurch Graslandböden mehr CO2 speichern können als es Waldböden tun.
Menge an Fleisch und Milch nicht mit reiner Grasfütterung möglich
Das Problem sei der Expertin zufolge die Massentierhaltung, unter der die Rinder im Stall gehalten und mit Soja gefüttert werden. Idel zufolge können die Tiere, sollten sie ausschließlich mit Gras gefüttert werden, nicht die nötige Energie erbringen, die sie brauchen, um Fleisch und Milch in dem Maße zu produzieren, wie die Landwirtschaft von ihnen fordert. Durch diese Form der Haltung und Fütterung gehe laut der Tierärztin der Kreislauf zwischen Kuh und Grasland nicht mehr auf.
Klimaschädlich sind laut Idel daher die Massentierhaltung und die Nahrungsketten. Das Soja für die Fütterung wird meist in Südamerika produziert, auf Flächen, für die meist Regenwald – einer der wichtigsten CO2-Speicher – abgeholzt wurde. Schlecht fürs Klima sei daher auch der Transport des Sojas nach Europa. Rund 80 Prozent der weltweiten Soja-Ernte landen als Futtermittel in Tiertrögen.
„Angriff auf bäuerliche Strukturen“
Manche Kuhbetriebe setzen auf eine sogenannte Kombihaltung, bei der die Kühe im Sommer auf der Weide leben und im Winter angebunden im Stall stehen. Die Art der Haltung befürwortet Weiger laut dem Bayerischen Rundfunk im Gegensatz zu anderen Tierschützer:innen. Sie erhalte kleinere Betrieben, die keine Möglichkeit hätten in neue Ställe zu investieren. Entscheidend sei laut Weiger, „dass die Tiere überhaupt eine Möglichkeit haben, im Sommer auf die Weide zu gehen. Denn 70 Prozent unserer Kühe in Bayern haben diese Möglichkeit nicht.“
Gegenüber dem BR24 erklärt Weiger außerdem, was er von der Forderung der Jugendorganisation des Bund Naturschutz hält, auf BUND-Veranstaltungen nur noch vegane Gerichte zu servieren. Laut ihm sei „Vegansimus als Leitbild ein zentraler Angriff auf bäuerliche Strukturen.“ Diese müsse jedoch erhalten bleiben. Denn durch die Tierhaltung würden Landwirt:innen die Landschaft erhalten und pflegen und ohne Tierhaltung würden viele alte Nutztierrassen aussterben. Wenn es keine Nutztiere mehr gäbe, so sieht es Weiger, wäre das „ein kultureller Verlust für unsere Landschaft“.
Warum Weigers Aufforderung zu kurz greift
Utopia meint: In einer idealen Welt, in der Kühe den ganzen Tag auf einer Weide stehen und Gras fressen, wird Weiger wohl Recht haben. Doch im Zuge der industrialisierten Nahrungsmittelversorgung sind Massentierhaltung im Stall sowie das Verfüttern von Soja zum klimaschädlichen Standard geworden. Daher ist eine derartig offensive Aufforderung, weiterhin Fleisch zu essen, mehr als problematisch. Die schiere Menge an Tieren müsste drastisch reduziert werden, damit der Ausstoß an Methan sowie der nicht nachhaltige Soja-Anbau für Futtermittel zurückgeht. Und das gelingt in erster Linie dadurch, dass Konsument:innen auf Fleisch aus Massentierhaltung verzichten.
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