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„Ahnungslosigkeit ist erschreckend“: Energie-Experte Quaschning kritisiert Politik

Quaschning: "Ahnungslosigkeit einiger Politiker beim Thema E-Fuels ist erschreckend"
Foto: Unsplash engin akyurt / Jakob Schäuffelen

Kein „Klima-Blabla“, sondern Technologieoffenheit: Die FDP setzt beim Klimaschutz auf synthetische Kraftstoffe für Autos – kurz E-Fuels. Doch diese sind umstritten. Auch Energie-Experte Volker Quaschning sieht die Herstellung des künstlichen Kraftstoffs kritisch, wie er gegenüber Utopia erklärt.

Deutschland muss nach Ansicht von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Weg zur Klimaneutralität mit einer technologieoffenen und innovationsfreundlichen Politik beschreiten. „Wir können unser Land nur mit konkreten Vorschlägen voranbringen und nicht mit Klima-Blabla“, sagte er am Samstag in Mainz auf dem rheinland-pfälzischen FDP-Parteitag.

Konkret geht es Wissing um synthetische Kraftstoffe für Autos. Diese – so die Meinung des Bundesministers – würden an Bedeutung gewinnen, da der Verkehr auf der Schiene und auch auf den Straßen weiter zunehmen werde. Demnach könne Deutschland ohne synthetische Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, seine Klimaziele nicht sichern. „Es geht darum, klimaneutrale und bezahlbare Fahrzeuge zu haben“, betont der FDP-Politiker.

Sind E-Fuels klimafreundlich?

Wie ernst es Wissing und seiner Partei mit ihrer Haltung zum Thema Mobilität ist, verdeutlichte der Verkehrsminister in den vergangenen Wochen. Die EU-Abstimmung über das geplante Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 war auf Drängen Deutschlands verschoben worden. Wissing verlangt von der EU-Kommission einen Vorschlag, wie E-Fuels nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden könnten. Auch Parteichef Christian Lindner fordert ein Umdenken der EU.

Tatsächlich sind E-Fuels umstritten. Zwar werden sie meist aus Wasser (genauer gesagt Wasserstoff per Elektrolyse) und bereits vorhandenem Kohlendioxid (CO2) gewonnen – allerdings nur unter hohem Energieaufwand. Ob die Herstellung von E-Fuels klimafreundlich ist, hängt demnach davon ab, woher der Strom zur Produktion kommt.

Werden Erneuerbare Energien für die E-Fuel-Produktion verstromt, gelten synthetische Kraftstoffe als klimaneutral. Denn dann, so die Logik, setzt die E-Fuel-Herstellung im Gegensatz zu Benzin oder Diesel kein neues CO2 frei. Das CO2, das dem Wasserstoff zugeführt wird, kann nämlich aus Industrieprozessen stammen oder mit Direct Air Capture aus der Umgebungsluft gefiltert werden. Eine große Herausforderung, wie Energie-Experte Volker Quaschning gegenüber Utopia betont: „Um alle deutschen Autos mit E-Fuels zu betanken, bräuchte man für deren Herstellung deutlich mehr Strom als derzeit in Deutschland insgesamt verbraucht wird. Diese Mengen lassen sich in Deutschland nicht klimaneutral herstellen.“

Quaschning: „Aufhören, weitere Altlasten zu schaffen“

Quaschning, der als Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin lehrt, verweist auf Porsches E-Fuel-Pilotanlage. Diese wurde Ende 2022 im windigen Chile eröffnet und soll dort in der Pilotphase 130.000 Liter E-Fuels pro Jahr herstellen; Kapazitäten von bis zu 550 Millionen Liter sind möglich, heißt es. Doch um die Autos in Deutschland nur mit E-Fuels betanken zu können, müsste man Quaschning zufolge die Stromproduktion in Chile mindestens verachtfachen.

„E-Fuels sind eine Möglichkeit, die veraltete Verbrennertechnologie übergangsweise klimaneutral zu betreiben“, so Quaschning. Doch durch den Ressourcenaufwand seien die synthetischen Kraftstoffe „eher ein notwendiger Fluch als ein zu feiernder Segen“. Heißt: Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, müsste Deutschland bis 2030 klimaneutral werden. Da in dieser kurzen Zeit nicht alle herkömmlichen Flugzeuge, Schiffe und Autos ersetzt werden können, stellen E-Fuels laut dem Experten eine Übergangslösung dar. „Nur: E-Fuels sind knapp und teuer. Darum sollten wir möglichst sofort aufhören, weitere Altlasten zu schaffen, die wir ohne E-Fuels nicht klimaneutral bekommen können. Sprich: Wir sollten möglichst sofort die Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren einstellen.“

„Alleine das dürfte die nächsten 10 Jahre eine enorme Herausforderung werden“

Das geplante Aus im Jahr 2035 komme für den Klimaschutz zu spät, meint Quaschning. Er wertet den Widerstand der FDP als „reinen Schaukampf“, mit dem die Partei versuche, Stimmen von Wähler:innen zurückzugewinnen.

„Bevor wir uns Gedanken darüber machen, den Bedarf an E-Fuels nach oben zu treiben, sollte man erst einmal versuchen, so viel wie möglich davon herzustellen. Alleine das dürfte die nächsten 10 Jahre eine enorme Herausforderung werden.“

Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist der klimaschonende Effekt von E-Fuels, wenngleich Politiker wie Wissing, Lindner oder Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß für sie vor dem Hintergrund der Technologieoffenheit werben.

Der europäische Thinktank Transport and Environment (T&E) hat etwa berechnet, dass Autos, die zu hundert Prozent mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, über die gesamte Lebensdauer hinweg deutlich mehr CO2 ausstoßen als reine Elektroautos. „Ein Elektrofahrzeug wäre 53 Prozent sauberer als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen, was vor allem auf Verluste in der E-Fuel-Herstellung und den ineffizienten Verbrennungsmotor zurückzuführen ist“, resümiert die T&E-Studie.

Expert:innen fordern faktenbasierte Diskussion

Expert:innen wie Quaschning fordern daher eine faktenbasierte Diskussion. Nicht immer scheint diese zu gelingen, wie ein Auftritt des Bundestagsabgeordneten Ploß zeigt. Der Vorsitzende der CDU Hamburg erklärte jüngst in einer Plenardebatte, Deutschland sei „eines der letzten Länder in der Europäischen Union“, in der E-Fuels noch nicht getankt werden könnten. Auf die Frage eines Grünen-Politikers, in welchen Ländern denn tatsächlich E-Fuels getankt würden, hat der sonst so lautstarke Ploß ad hoc keine Antwort – weil E-Fuels bislang nirgendwo zum Tanken verfügbar sind.

„Die Ahnungslosigkeit einiger Politiker beim Thema E-Fuels ist schon erschreckend. Nicht alle Politiker müssen sich zu allen Themen auskennen. Bevor sich Politiker in die öffentliche Diskussion einbringen, kann man aber eigentlich erwarten, dass sie sich fachkundig machen“, findet Quaschning – auch mit Blick auf mögliche Fehlentscheidungen.

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