Die Gas- und Strompreise sind so stark gestiegen, dass manche Menschen mit ihren Rechnungen in die Bredouille kommen. Doch es gibt Auswege wie die Verbraucherzentrale erklärt – nur sollte man schnell handeln.
Die erste Mahnung liegt im Briefkasten: Wenn Verbraucher:innen ihre Gas- oder Stromrechnung nicht mehr zahlen können, lassen die Energieversorger mit Post nicht lange auf sich warten. Ist die Lage besonders ernst, droht eine Versorgungssperre. Dann besteht akuter Handlungsbedarf. Ein Fahrplan:
1. Fristen kennen
Laut Inse Ewen von der Verbraucherzentrale Bremen passiert nämlich genau das: „Wir erleben, dass Verbraucher die Briefe nicht öffnen. Aber die Dinge gehen ja weiter.“
Post vom Energieversorger sollten Betroffene also unbedingt öffnen. Die gute Nachricht: Auch für Kund:innen, die ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können, gebe es einen Hoffnungsschimmer, die finanzielle Schieflage wieder in Ordnung zu bringen, so Ewen.
Grundsätzlich gilt: Liegt der Zahlungsrückstand bei mindestens 200 Euro, darf der Energieversorger Strom oder Gas nach frühestens zwei Monaten abstellen. Doch er muss das schriftlich ankündigen. Auf die erste Mahnung darf er nach frühestens vier Wochen eine zweite Mahnung versenden, in der er meist schon auf die drohende Versorgungssperre hinweist. Bevor eine Sperre aber umgesetzt wird, muss der Grundversorger die Verbraucher:innen noch einmal acht Tage vorab über das genaue Datum informieren.
2. Rechnungen und Zählerstände prüfen
Es kommt vor, dass den Versorgern Fehler bei der Abrechnung unterlaufen oder zu zahlende Abschläge auf zu hohen Vorausschätzungen des Verbrauchs beruhen. Inse Ewen rät deshalb dazu, sowohl Zählerstände als auch Abrechnungen unter die Lupe zu nehmen.
„Beim Strom lässt sich mit den tatsächlichen Zählerständen eine Neuberechnung anfordern„, sagt die Verbraucherschützerin. „Im positiven Fall fällt die Rechnung geringer aus.“ Jedoch können sich bei real höherem Verbrauch auch weitere Nachforderungen ergeben.
Gas rechnen Verbraucher oft nicht mit dem Grundversorger direkt ab. Sie erhalten als Mieter:in eine Abrechnung von den Vermieter:innen. „In den Abrechnungen kommen immer wieder Formfehler vor“, sagt Ewen. So müssen die dort aufgeführten Verbrauchswerte anhand der Zähler im Gebäude beziehungsweise in der Wohnung nachvollzieh- und überprüfbar sein – was nicht immer der Fall ist. Auch das Zustelldatum der Abrechnung spielt eine Rolle. Liegt es mehr als ein Jahr hinter dem Ablesedatum, ist dies unzulässig.
Doch sind alle Forderungen berechtigt, formal korrekt eingefordert und werden dennoch nicht beglichen, kann sich daraus ein Sonderkündigungsrecht für die Vermieter:innen ergeben, so Ewen.
3. Finanzierungsmöglichkeiten suchen
Oft sind es Empfänger:innen von Transferleistungen wie dem Arbeitslosengeld II, die ihre Gas- oder Stromrechnung nicht mehr zahlen können. Aber auch Menschen, die keine staatlichen Hilfen beziehen, geraten angesichts explodierender Strom- und Gaspreise nun schnell in die Bredouille. „Dann sind Betroffene in einer Lage, in der sie keinen Bankkredit bekommen. Das ist die Situation vieler“, berichtet Energieexpertin Ewen von ihren Erfahrungen aus Beratungen.
Was viele nicht wissen: Egal, ob sie Transferleistungen beziehen oder nicht, können sich Verbraucher:innen bei ausstehenden Strom- oder Gasrechnungen an das Jobcenter oder ein Sozialamt wenden. Diese bewilligen unter bestimmten Voraussetzungen Kredite. Wer Transferleistungen bezieht, kann auch auf Übernahme der Kosten hoffen.
Zudem stehen die Energieversorger selbst in der Pflicht, „eine Möglichkeit zum Schuldenabbau aufzuzeigen“, so die Verbraucherschützerin. Dies geschieht mit einer sogenannten Abwendungsvereinbarung, in der die Versorger zum Beispiel einen Vorschlag zur Ratenzahlung unterbreiten.
Auch auf unabhängige Beratungsangebote wie von den Verbraucherzentralen, Schuldnerberatungsstellen oder staatliche Unterstützungsmöglichkeiten müssen sie hinweisen. Die Abwendungsvereinbarung muss mit der ersten Sperrankündigung verschickt werden.
4. Notnägel Härtefallfonds
„Wenn die Abwendungsvereinbarung aber platzt und zum Beispiel schon die zweite Rate nicht mehr gezahlt werden kann, kommt es zu einem neuen Sperrverfahren“, erläutert Ewen. Säumige Kund:innen können sich grundsätzlich an einen Härtefallfonds wenden, den viele Bundesländer gespeist aus öffentlichen Mitteln aufgelegt haben.
„Das ist ein Notnagel, um die Forderung akut vom Tisch zu bekommen. Man muss natürlich nachweisen, dass eine Finanzierung anders nicht möglich ist“, so Ewen. „Über Härtefallfonds informieren Jobcenter oder Sozialämter oder auch der Energieversorger.“
5. Gang zur Schuldnerberatung
Bei Zahlungsunfähigkeit droht die Privatinsolvenz, auch Schulden bei Strom und Gas können existenzgefährdend sein. Helfen kann dann der Gang zur kostenfreien Schuldnerberatung – Stellen finden sich auf dem Infoportal der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG SB).
„Schuldnerberater verhandeln für ihre Mandanten mit den Gläubigern“, sagt Ewen. „Es geht dann um Fragen wie: Verzichtet der Energieversorger auf Teile der Forderung oder lässt sich die Forderung strecken?“
6. Kosten senken
Oft handelt es sich allerdings „um eine Kette ohne Ende, neben den Energieschulden bestehen oft noch weitere finanzielle Verpflichtungen“, so Ewen. Empfehlenswert ist hier dann auch eine Budget-Beratung.
Man sollte sich zum Beispiel verdeutlichen: Welche Versicherungen habe ich, benötige ich alle? Gibt es günstigere Handyverträge als die bestehenden? Auch sollten sich Verbraucher einen Überblick über bestehende Abonnements – vom Streaming-Dienst über Smartphone-Apps bis zum Online-Speicher – verschaffen. „Da lässt sich oft viel an laufenden Kosten einsparen“, so Ewen. Gleiches gilt übrigens für den Energieverbrauch.
Einen Ratschlag, der noch vor einem Jahr sinnvoll war, kann die Verbraucherschützerin nicht mehr geben: den Strom- oder Gasanbieter wechseln und auf günstigere Konditionen setzen. „Das lohnt sich nur noch ganz, ganz selten.“
Wer es sich aber leisten könne, dem empfiehlt sie vorausschauend höhere Abschläge als die von den Versorgern geforderten zu zahlen – „damit es erst gar nicht zu hohen Nachzahlungen kommt, die man sich später womöglich nicht leisten kann“.
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