Wie nachhaltig geht Zalando mit seinen Retouren um? Eine Investigativ-Recherche zeigt: Der größte Online-Modehändler Europas schickt Ware systematisch tausende Kilometer durch Europa. Und bietet weit weniger wieder zum Verkauf an als behauptet wird.
Der größte Online-Modehändler Europas, Zalando, schickt Retourware bis zu 7000 Kilometer weit durch Europa. Das ergeben Recherchen des SWR-Investigativ-Formats Vollbild, der Zeit und des Recherche-Startups Flip. Dabei wirbt Zalando öffentlichkeitswirksam mit einem besonders nachhaltigen Umgang mit Retouren. Noch heute kommuniziert das Unternehmen, dass 97 Prozent der retournierten Ware wieder auf Zalando verkauft werde. Reporter:innen haben zehn Kleidungsstücke mit GPS-Trackern ausgestattet und festgestellt: Keines der Kleidungsstücke wurde wieder verkauft.
Zalando: „Ökologisch eine Katastrophe“
Zehn Kleidungsstücke haben die Reporterinnen Carmen Maiwald und Vanessa Materla bei Zalando retourniert. Ihr Ziel war es, herauszufinden, was mit der Ware passiert nachdem sie zurückgeschickt wurde. Um das zu prüfen, haben die Reporterinnen die Kleidungsstücke mit GPS-Trackern ausgestattet. So lässt sich der Weg der Ware genau zurückverfolgen. Insgesamt legen die Kleidungsstücke mindestens 28.822 Kilometer zurück, wie berichtet wird. Dabei werden die Retouren offenbar mehrmals durch Europa versendet, landen nach kurzer Zeit wieder im Ursprungsland, werden weiter verschickt und so weiter. Ein retournierter Babystrampler legt laut Recherche allein in nur drei Monaten mehr als 7000 Kilometer zurück, dann verliert sich seine Spur.
Björn Asdecker, Retouren-Experte an der Universität Bamberg hatte Einsicht in die Daten erhalten. Er kritisiert Zalando scharf: „Ökologisch ist das eine Katastrophe„. Besonders fragwürdig hält der Experte die Ergebnisse angesichts der Nachhaltigkeitsversprechen, die Zalando abgibt: „Es finden Tausende Kilometer an Transport statt, die nicht sein müssten. So was dürfte es eigentlich nicht geben, erst recht nicht, wenn sich ein Unternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt“.
Lkw dienen offenbar als Lagerräume
Ursache für die Zickzack-Reise der Waren sind offenbar sogennante „Predictive Analytics„. Ein Algorithmus, der Vorhersagen anhand historischer Daten berechnet. Bei Zalando komme dieses Programm zum Einsatz, um zu berechnen, wo ein retournierter Artikel am wahrscheinlichsten als nächstes bestellt wird, heißt es laut Recherche. Daher bewegten sich die Waren in Lkw durch Europa, um immer möglichst nahe an potentiellen Kund:innen zu sein und eine möglichst schnelle Lieferung zu garantieren. „Die Lkw dienen im Endeffekt als Lagerräume für Zalando“, analysiert Asdecker.
„‚Weniger schlecht‘ ist uns nicht gut genug“
Die Ergebnisse stehen im krassen Kontrast zur Nachhaltigkeitskommunikation von Zalando. Auf der Website von Zalando heißt es: „Unsere Vision bei Zalando ist es, eine nachhaltige Mode-Plattform zu sein, mit einer netto-positiven Auswirkung auf Mensch und Erde“. Weiter erklärt das Unternehmen, was das konkret bedeuten soll: „Wir führen unser Unternehmen so, dass wir der Gesellschaft und der Umwelt mehr zurückgeben, als wir nehmen. ‚Weniger schlecht‘ ist uns nicht gut genug“.
Mit den Recherche-Ergebnissen konfrontiert, erklärt Zalando, dass längere Transportstrecken bei retournierter Ware vorkommen könnten. Auch aus dem Einsatz von Predictive Analytics macht Zalando keinen Hehl: „[…] wohin genau entscheiden wir unter anderem danach, wie wahrscheinlich ein Wiederverkauf in der Region des entsprechenden Standortes bzw. Marktes ist“.
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Verbraucherzentrale: „Kunden werden von Zalando getäuscht“
Die Recherche deutet außerdem darauf hin, dass Zalando seinen Umgang mit Retouren zumindest nicht offen kommuniziert. Die Retouren-Politik von Zalando sieht vor, dass Artikel bis zu 100 Tage nach ihrem Kauf zurückgegeben werden können. Darüber hinaus gibt Zalando an, dass die Retouren-Quote wohl derzeit bei etwa 50 Prozent liege. Dabei würden nahezu alle retournierten Kleidungsstücke (97 Prozent) wieder auf Zalando zum Verkauf angeboten. Die Recherche weckt jedoch Zweifel an der Behauptung: Bis zu ihrer Veröffentlichung war demnach von den getrackten Artikeln nur noch einer auf Zalando überhaupt erhältlich. Ob das getrackte Kleidungsstück zum Verkauf steht, ist unklar.
Zalando scheint hier seine Nachhaltigkeitsversprechen vereinfacht darzustellen: Die getrackten Artikel seien nicht direkt von Zalando, sondern würden durch Partner-Unternehmen lediglich auf Zalando gehandelt, so das Unternehmen.
Auf Nachfrage räumt der Modehändler dem Bericht zufolge ein, dass die versprochenen 97 Prozent nicht für die Artikel gelten, die von Partnern auf der Plattform angeboten und von ihnen als Retouren auch direkt abgewickelt werden. Derzeit wickle Zalando nur rund die Hälfte aller Retouren von aktuell 1600 Partnern ab. Für die übrigen 800 Partner-Unternehmen gelte diese Aussage nicht.
„Zalando kann meist gar nicht wissen, wie ihre Partner wirklich mit der Ware umgehen“, erklärt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das Nachhaltigkeitsversprechen werde aber so kommuniziert, dass es für die gesamte Marke Zalando stehe: „Natürlich geht man dann davon aus, dass es für alle dort bestellten Produkte gilt. Die Kunden werden von Zalando getäuscht“, kritisiert Jorde.
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