Fleischersatzprodukte werden oft für ihre vielen Zusatzstoffe kritisiert und wurden von einem Ernährungsmediziner kürzlich als „Killer“ bezeichnet. Ein Lebensmittelchemiker stellt klar, wieso diese pauschale Kritik den Produkten nicht gerecht wird.
Daniel Wefers ist Professor für Lebensmittelchemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Gespräch mit dem Spiegel erklärt er, wie (un-)gesund Fleischersatzprodukte wirklich sind und welchen verbreiteten Irrglauben viele aufsitzen.
Fleischersatzprodukte als „Killer“? Chemiker findet Aussage „hanebüchen“
Der Internist und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl hatte im März in der Sendung „Stern TV am Sonntag“ bei RTL vor Fleischersatzprodukten gewarnt und diese als „Killer“ bezeichnet. Er kritisierte unter anderem, dass die Produkte mit „Maschinenöl“ verunreinigt seien. Wefers teilt diese Einschätzung nicht, die er als „undifferenziert und übertrieben“ bezeichnet.
„Generell halte ich es für absolut hanebüchen, zu behaupten, dass einzelne Lebensmittel einen umbringen“, erklärt er im Interview. Die Ernährung habe zwar Einfluss auf die Lebensdauer. Dass aber gerade Veggieschnitzel zu einem frühen Ableben beitragen, sei „weder belegt noch plausibel“.
Wefers betont außerdem, dass Produkte „aus Maschinen“ nicht per se ungesünder seien – anders als dargestellt. „Nahezu alles, was wir im Supermarkt kaufen, hat irgendwie mal eine Maschine gesehen.“ Mineralölbelastungen kämen nicht nur bei Fleischersatzprodukten vor.
Zu viel Salz und Zusatzstoffe?
Wie Riedls Aufritt bei RTL vermuten lässt, ist er einer von vielen Kritiker:innen vegetarischer und veganer Fleischersatzprodukte. Oft werden diese gerügt, weil sie zu viel Salz oder viele Zusatzstoffe enthielten.
Lebensmittelchemiker Wefers findet dieses Argument „ziemlich schwach“. Wieso, erklärt er am Beispiel einer vegetarischen Salami: Wenn man diese mit einer „echten“ Salami vergleiche, würden man in den meisten Fällen feststellen, dass sie gleich viel oder sogar weniger Salz enthält, so Wefers. Die reine Anzahl der Zusatzstoffe sei ebenfalls ein „unsinniges Kriterium“, findet der Experte. Zum einen seien viele Zusatzstoffe völlig unbedenklich, zum anderen seien auch in tierischen Produkten teils viele davon enthalten – zum Beispiel in „Brühwurst“.
„Heißt nicht, dass man keine Fleischersatzprodukte essen sollte“
Sind hochverarbeitete Lebensmittel nun gesundheitlich bedenklich oder nicht? Laut Wefers belegen Studien, dass Menschen, die viele solcher Lebensmittel essen, häufiger an bestimmten Krankheiten leiden. Frisch zubereitetes Essen mit viel Gemüse sei besser für die Gesundheit „als jeden Tag kiloweise Fertigprodukte“, stellt der Experte klar. „Das heißt aber nicht automatisch, dass man keine Fleischersatzprodukte essen sollte.“ Für ein pauschales Urteil sei die Gruppe der hochverarbeiteten Lebensmittel viel zu heterogen. Sie umfassen neben zuckerhaltiger Limonade auch Produkte wie Vollkornbrote.
Wefers rät, im Einzelfall sehr genau auf Aspekte wie Nährstoffzusammensetzung und Energiedichte zu achten. Außerdem sei wichtig, wie viel man von einzelnen Produkten zu sich nimmt. Die Lebensmittelindustrie sei bemüht, umstrittene Zusatzstoffe zu ersetzen und arbeite zunehmend „gesundheitsförderliche Zutaten“ wie Ballaststoffe in verschiedene Lebensmittel ein.
Utopia meint
Für tierische Produkte wie Fleisch müssen Tiere jahrelang gehalten und ernährt werden. Das geht nicht nur mit vielen Treibhausgasemissionen einher, sondern in der Massenhaltung auch oft mit Tierleid. Fleischersatzprodukte enthalten oft wenig bis keine tierischen Inhaltsstoffe. Dazu dienen sie vielen Menschen als Einstieg in den Veganismus oder Vegetarismus. Aus Tierwohlsicht sind sie also empfehlenswert.
Der Trend geht nach wie vor zu Fleischersatzprodukten, die genau schmecken sollen, wie das tierische „Original“. Hier stehen also nicht gesundheitliche Aspekte wie der Nährwert im Vordergrund, sondern die Imitation von echtem Fleisch, Käse oder anderen Produkten. Wie gesund diese sind, ist für Lai:innen schwer erkennbar. Wer sich ausgewogen ernähren will, sollte solche Produkte besser nicht zur Basis der eigenen Essgewohnheiten machen, sondern nur hin und wieder konsumieren. Wie eine ausgewogene Ernährung gelingen kann, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) auf ihrer Webseite. Wer vegan lebt, kann sich an der veganen Ernährungspyramide orientieren.
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