Gleichberechtigung bedeutet für einige Paare, Kosten in gleichen Teilen zu stemmen. Was fair klingt, kann aber Partner:innen enorm benachteiligen, wie das Beraterpaar Marielle und Mike Schäfer im Utopia-Interview erklärt. Wie also Liebe und Finanzen vereinen?
Nach 13 Jahren Beziehung kennen Marielle und Mike Schäfer die Herausforderungen, die das Thema Geld in einer Partnerschaft mit sich bringt. Marielle ist Betriebswirtin und Business Coachin, Mike Psychologe. Gemeinsam beraten sie Paare bei ihren Finanzen, damit diese eine Beziehung auf Augenhöhe führen können. Im Utopia-Interview erklären Marielle und Mike, wann eine Geldaufteilung von 50/50 unfair wird, wann eine finanzielle Abhängigkeit in Ordnung ist und wie Paare über das immer noch heikle Thema Geld sprechen sollten.
Utopia: Seit 13 Jahren sind Sie ein Paar und haben selbst die Erfahrung gemacht, dass die Geldaufteilung in Beziehungen ungerecht sein kann. Ab wann ist das Ihrer Meinung nach der Fall?
Marielle: Die Aufteilung ist gerecht, wenn das Paar nicht einfach einem Automatismus folgt. Indem man zum Beispiel sagt, dass die gemeinsamen Kosten pauschal 50/50 oder 80/20 aufgeteilt werden, weil das „alle so machen“. Am Ende kann die Geldaufteilung tatsächlich von Paar zu Paar unterschiedlich aussehen und trotzdem fair sein. Wichtig ist, dass sich beide damit wohlfühlen und darüber gesprochen wurde.
Wann wäre eine 50/50-Aufteilung ungerecht beziehungsweise gerecht?
Mike: Wenn beide ähnlich viel verdienen, beispielsweise 2.000 und 2.200 Euro netto, ihr Arbeitsweg etwa gleich lang ist und sie auch ein ähnliches Konsumverhalten haben, dann kann man sagen: 50/50 wird wahrscheinlich gerecht sein. Aber nehmen wir unser eigenes Beispiel, als wir zusammengezogen sind: Ich habe in den Arbeitsphasen als Selbstständiger mehr verdient als Marielle. Wohingegen sie durch ihr Angestelltenverhältnis zwar weniger, dafür beständiger verdient hat. Zudem verfügte sie über mehr Vermögen; ihr Arbeitsweg war kürzer. Meine Strecke war fast acht Mal so lang wie ihre und ich hatte noch eine zweite Wohnung, die ich parallel unterhalten musste. Da fühlte sich eine 50/50-Geldaufteilung auf einmal nicht mehr so fair an.
Marielle: Und bei uns war es genauso: Wir haben einfach 50/50 gemacht, weil es der Automatismus war. Ich habe gesagt 50/50 ist fair und Mike hat es damals nicht hinterfragt. Eine Weile hat das funktioniert und uns ist erst viel später aufgefallen, wie sehr Mike dadurch benachteiligt wurde.
„Wie soll dieses Paar denn die Kosten zu exakt gleichen Teilen tragen?“
Kann eine 50/50-Aufteilung bei einem Paar mit einen noch größeren Gehaltsunterschied dann überhaupt fair sein?
Marielle: Bei einem sehr unterschiedlichen Gehalt nicht – wenn beispielsweise die eine Person 80 Prozent des gemeinsamen Einkommens verdient und die andere 20 Prozent. Wie soll dieses Paar denn die Kosten zu exakt gleichen Teilen tragen? Das ist für die gering verdienende Person nicht machbar. Selbst wenn man sich auf einen niedrigeren Lebensstil einigt, ist das für die Person, die wenig verdient, immer ein riesiger Stretch. Sie hat nie die Möglichkeit, Geld zur Seite zu legen. Die Schere zwischen den beiden Vermögen wird dadurch noch verstärkt. Stattdessen kann es dann Sinn machen, dass eine Person 70 Prozent der gemeinsamen Ausgaben übernimmt.
Es geht aber nicht nur um die monetären Kosten, wie Sie aus eigener Erfahrung sagen?
Marielle: Es gibt viele Komponenten, die bei der Ausgabenverteilung zusätzlich zum Einkommen berücksichtigt werden sollten. Dazu gehört der bereits genannte Arbeitsweg, vorhandene Schulden und eventuelle Unterhaltszahlungen für ein Kind aus einer vorherigen Beziehung. Deshalb plädieren wir einfach dafür, dass man als Paar darüber spricht und alles auf den Tisch legt.
Dann sollte sich ein Paar vermutlich auch einigen, ob es getrennte Konten oder ein gemeinsames möchte. Was ist besser?
Mike: Wir raten zu einem Drei-Konten-Modell. Dabei sollten beide ihr eigenes Konto behalten. Das bedeutet nämlich eigenes Geld zu haben und eigene Entscheidungen treffen zu können. Das ist sehr wichtig für die Beziehung, man verschmilzt so nicht zu einer Person. Das dritte, gemeinsame Konto, vereinfacht den Ausgabenprozess und nimmt Stress aus der Beziehung. Beide können einen im Vorfeld abgesprochenen Betrag auf das Konto per Dauerauftrag überweisen, womit dann gemeinsame Ausgaben gedeckt werden. Wenn ein Paar ausschließlich zwei separate Konten hat, und sich einen Überblick über die Ausgaben verschaffen möchte, ist das mit sehr viel Schreib-, Sammel- und Rechenarbeit verbunden.
„Für die Person vorsorgen, die in der Zeit finanziell zurücksteckt“
Wer an Finanzen in Beziehungen denkt, berücksichtigt zunächst Essengehen, später Miete, Strom und Lebensmittel. Welche weiteren finanziellen Aspekte sollten nicht untergehen?
Marielle: Am Anfang sind es nur diese Alltagsdinge. Sollten sich zwei Menschen zum Beispiel später für ein gemeinsames Kind entscheiden, dann gehen sie ein ganz anderes Commitment ein. Mit einem Kind entstehen, oftmals leider vor allem bei Frauen, Ausfallzeiten bezüglich Rentenkasseneinzahlungen. Dann sollte sich ein Paar Gedanken machen, wie es die Elternzeit oder die zukünftigen Ausgaben regeln möchte, um die Balance der Beziehung und die Augenhöhe beizubehalten. Beispielsweise kann man Rentenpunkte ausgleichen oder anders für die Person vorsorgen, die in der Zeit finanziell zurücksteckt.
Mike: Manchmal verändert sich auch das Einkommen, beispielsweise durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Schwangerschaft. Eine frühzeitige Lösung kann dann ein Rücklagenkonto sein. Wie bei dem dritten Konto, können sich auch hierfür Paare einen Schlüssel überlegen, den sie monatlich überweisen.
Und wie sieht das mit der Altersvorsorge und Versicherungen in Beziehungen aus?
Mike: Wir haben für uns zum Beispiel entschlossen, dass die private Altersvorsorge tatsächlich auch privat ist. Die liegt bei uns in separaten Depots und wir haben diesen Betrag auch im Ehevertrag von der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen. Das Geld würde im Scheidungsfall also nicht angefasst werden. Wir wollen im Alter abgesichert sein, auch wenn der gemeinsame Weg nicht bis dahin geht. Wenn wir bis dahin zusammenbleiben, profitieren wir beide davon. Paare sollten sich also überlegen, wie sie sich gegen bestimmte Eventualitäten absichern wollen. Wenn Kinder ins Spiel kommen, wird eine Berufsunfähigkeitsversicherung interessanter. Paare sollten sich von dem Gedanken distanzieren: „Oh, wir planen unsere Trennung“. Besser ist die Auffassung: „Wir stellen so sicher, dass es uns auf jeden Fall immer gut geht“.
„Die Frage ist doch, ab wann das in ein ungesundes Verhältnis driftet“
Wie können Paare vermeiden, dass Geld zum Machtinstrument in der Beziehung wird?
Marielle: Wenn eine Person das Gefühl hat, dass so ein Machtgefälle langsam entsteht, sollte sie das direkt ansprechen. Nicht in einem vorwurfsvollen Ton, sondern erklären, wie es einem selbst damit geht. Meistens ist es am Anfang eine kleine Stellschraube, die Paare angehen müssen. Vielleicht fühlt sich eine der Personen unwohl mit der Verteilung der Ausgaben oder mit einer Ausgabe, die vom gemeinsamen Konto bezahlt wird. Eine Sorge kann auch sein, in eine finanzielle Abhängigkeit zu gelangen, wenn man sich für ein Kind entscheidet.
Mike: Man muss aber unterscheiden. Denn abhängig sind wir auch voneinander durch gemeinsame Investitionen oder eine Unternehmensgründung. Die Frage ist doch, ab wann das in ein ungesundes Verhältnis driftet.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Mike: Ein Paar wirft alles Geld auf ein Konto, es bekommt Kinder und nur noch ein Elternteil geht arbeiten. Es entsteht auf einmal eine totale Abhängigkeit, wenn nur ein Teil das Konto füllt und der andere Part fragen muss, bevor er oder sie etwas kaufen kann. Wenn man um Geld fragen muss, kann das ein großes Warnsignal sein. Ein weiterer Punkt ist, wenn man merkt, eine Person kommt leichter aus der Beziehung raus als die andere. Als wir zusammengezogen sind, hätte Marielle Schluss machen und von mir verlangen können, auszuziehen. Das wäre für sie finanziell leicht gewesen, aber ich hätte dann mit meinen Möbeln auf der Straße gestanden und nicht genügend Geld für eine andere Miete gehabt. Da hatten wir eine totale Dysbalance. Jetzt ist das anders.
„Ist es in Ordnung, dass du mich in den nächsten zwei Jahren mitfinanzierst?“
Für welche Zeitspanne ist es in Ordnung, in einer Abhängigkeit zu sein?
Mike: Es kommt darauf an, was in dieser Zeit gemacht wird. Wenn in der Zeit ein Fortschritt entsteht und beide diese Abhängigkeit abbauen, ist so ein Zustand auch für zwei, drei oder sogar fünf Jahre okay.
Marielle: Vielleicht absolviert jemand auch nochmal eine Ausbildung oder ein Studium. Das ist eine bewusste Entscheidung, die vorher besprochen werden sollte: Ist es in Ordnung, dass du mich in den nächsten zwei Jahren mitfinanzierst? Dann kann die Abhängigkeit auch mal zwei bis drei Jahre andauern. Aber wichtig ist eben ein Plan.
Mike: Sollte dieser Fortschritt nicht vorhanden sein, muss man für sich selbst ein ganz klares Limit setzen, bis zu welchem Zeitpunkt man kämpft. Wirklich gefährlich wird es, wenn der Partner oder die Partnerin kein Interesse hat, eine Abhängigkeit abzubauen, obwohl das einem persönlich sehr wichtig ist. Ab da wird eine Person mit Gewalt in der Beziehung gehalten. Das ist wirklich eine red flag, bei der ich sagen würde: Es ist Zeit aus der Beziehung rauszukommen.
Sie beide betonen, wie wichtig Kommunikation sei. Wann ist der ideale Moment das erste Mal das Thema Geld anzusprechen?
Mike: Vor dem ersten Date! Das erste Date ist mittlerweile mit sehr vielen Erwartungen verbunden. Wir hängen immer noch in diesem Rollenmodell der 50er, 60er Jahre, bei dem der Mann zahlt. Das vermischt sich jetzt gerade mit den modernen Rollenbildern: Parität, Gleichberechtigung, Emanzipation.
„Nur um das Thema Geld machen viele einen großen Bogen“
Wie soll das konkret vor dem ersten Date aussehen?
Mike: Indem man vorher einmal fragt: „Marielle, wir haben nächste Woche ja unser Date und ich würde dich gerne einladen. Ist das okay für dich?“ Dann wissen beide, woran sie sind und können den Abend viel besser genießen. Nach dem ersten Date lernt sich das Paar auf allen möglichen Ebenen kennen – Hobbys, Familie, Wünsche, Träume, Vergangenheit. Nur um das Thema Geld machen viele einen großen Bogen. Dabei sollten wir das Thema nicht vernachlässigen.
Marielle: Der späteste Zeitpunkt, wann man sich über Geld unterhalten muss, ist beim Zusammenziehen. Ab dann übernimmt man eine finanzielle Verantwortung füreinander. Im Falle einer Arbeitslosigkeit wird bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes das Gehalt der anderen Person mit einbezogen – selbst wenn man als Paar nicht verheiratet ist.
Welche konkreten Tipps gibt es für Geld-Gespräche in der Partnerschaft?
Mike: Eine ganz geschickte Sache, wenn man sich jetzt auch nicht so traut den ersten Schritt da zu machen, ist von Artikeln zu dem Thema zu erzählen. Man kann sagen: „Ich habe da einen Artikel bei Utopia gelesen und die sagen, man soll sich über Geld unterhalten. Hast du nicht Lust?“ Dabei gibt man die Schuld einer dritten Partei und man ist schnell im Gespräch, ohne direkt Initiator:in zu sein.
Marielle: Bei kritischeren Themen generell empfehlen wir, einen Termin zu machen, auf den sich beide vorbereiten können. Unser Tipp für solche Gespräche: draußen spazieren gehen. Das ist angenehmer, als am Tisch zu sitzen mit den Laptops dazwischen und auf Zahlen zu kucken. In den wenigsten Fällen geht es bei solchen Gesprächen ganz konkret um Zahlen, sondern um Gefühle.
Seit 2016 führen Marielle und Mike Schäfer als „Beziehungsinvestor*innen“ einen Blog und einen dazugehörigen Podcast. Im Februar 2023 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Love & Money“. Darin geben sie Paaren unter anderem Tipps zur Kommunikation in Beziehungen sowie zu Finanz- und Anlagestrategien.
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