Wer erschöpft ist, sollte manchmal aktiv werden, statt sich beim Nichtstun zu entspannen. Eine Expertin erklärt, dass es mehr als eine Art der Erschöpfung gibt – und man deshalb auch mehrere Arten der Erholung im Leben brauche.
Die US-amerikanische Internistin Dr. Saundra Dalton-Smith spricht im Interview mit Zeit Online darüber, wie man die eigene Erholung besser gestalten kann: Man müsse erkennen lernen, weshalb man eigentlich erschöpft sei und dementsprechend eine oder mehrere der sieben Arten der Erholung gezielt nutzen: körperlich, mental, spirituell, emotional, sozial, sensorisch oder kreativ.
Dalton-Smith begann sich aufgrund eigener Erschöpfungssymptome mit dem Thema Work-Life-Balance zu beschäftigen. So hat sie verschiedene Formen von Stress und Erschöpfung identifiziert und sieben darauf abgestimmte Arten von Erholung definiert. Unter anderem kam sie zu der Erkenntnis, dass Schlaf und Ruhepausen nicht jeder Art von Anspannung Abhilfe schaffen können. 2017 veröffentlichte sie ein Buch zu dem Thema.
Das Konzept der Erholungsdefizite
Als Erholung definiert Dalton-Smith gegenüber der Zeit die Regeneration jener Teile unseres Körpers und unserer Psyche, „die im Alltag besonders beansprucht werden“. Es geht ihr zufolge deshalb „nicht nur darum, sich bei einem Urlaub oder auf der Couch zu entspannen, sondern darum, gezielt auf der Ebene anzusetzen, auf der wir ein Erholungsdefizit haben.“
Mit ihrer Forschung zu Erholung hat Dalton-Smith bei ihren eigenen Patient:innen angefangen. Unabhängig von ihrem sozialen und ökonomischen Hintergrund zeigten deren Erschöpfungssymptome die immer wieder gleichen Muster, erklärt sie gegenüber der Zeit.
Der Ärztin zufolge gibt es körperliche, mentale, spirituelle, emotionale, soziale, sensorische und kreative Erholung. In jedem dieser Bereiche könne dementsprechend ein Erholungsdefizit entstehen.
Emotionale, mental oder doch kreativ erschöpft? Die Symptome
Symptome eines körperlichen Erholungsdefizits seien Schmerzen in den Gelenken sowie im Rücken- und Nackenbereich. Hinzu kämen lymphatische und kardiologische Unregelmäßigkeiten, wie Herzrasen und Wassereinlagerungen. Sensorisch überstimulierte Menschen reagierten dagegen oftmals mit Gereiztheit und spontanen Wutausbrüchen.
Mental erschöpfte Menschen zeigen demnach beispielsweise Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche und Schlafstörungen. Ein soziales Erholungsdefizit äußere sich darin, dass man sich von den Mitmenschen nicht wertgeschätzt oder sogar ausgenutzt fühlt.
Manchmal seien die Formen der Erholung auch nicht klar anhand der Symptome voneinander abzugrenzen. Sowohl die kreative Erholung als auch die spirituelle Erholung dienen beispielsweise der Suche nach einem höheren Sinn im Leben, so Dalton-Smith.
Emotionale Erholung brauchen ihr zufolge Menschen, die ihre eigenen Gefühle permanent unter Kontrolle halten müssen – wie beispielsweise Ärzt:innen oder auch Flugbegleiter:innen. Denn sie müssen im Arbeitsleben die Gefühle anderer kompensieren, und das sei belastend.
Die 7 Arten von Erholung laut Dalton-Smith
Wie Dalton-Smith der Zeit erklärt, ließen sich mit bestimmten Tätigkeiten und Maßnahmen Erholungsdefizite in allen sieben Bereichen auflösen.
- Körperliche Erholung könne aktiv oder passiv geschehen: Eine Person, die im Alltag sehr viel sitzt, sollte als Ausgleich regelmäßigen Sport und Bewegung in ihr Leben integrieren. Jemand mit einem körperlich anstrengenden Beruf sollte dagegen auf ausreichend guten Schlaf achten.
- Dass manche Aktivitäten auch bei verschiedenen Erholungsdefiziten gleichzeitig helfen können, zeigt Dalton-Smith anhand vom Joggen. Die repetitive Tätigkeit kann nicht nur der körperlichen, sondern auch der mentalen Erholung dienen, indem sie Menschen erlaubt, beim Laufen den Kopf „auszuschalten“.
- Spirituelle Erholung sieht die Ärztin darin, einen höheren Sinn im Leben zu finden. Das kann der Glaube an Gott sein und die Teilhabe an religiösen Gemeindestrukturen. Doch auch die Zugehörigkeit zu einer nicht-religiösen Organisation oder soziales Engagement können spirituell erholsam sein.
- Ein emotionales Erholungsdefizit entsteht laut Dalton-Smith, wenn man sich nicht authentisch ausdrücken kann, beispielsweise weil man sich als Teil des Jobs höflich und professionell geben muss. In solchen Fällen ist es wichtig, hinterher Raum für emotionale Erholung zu schaffen, indem man mit einer sicheren Bezugsperson seine eigenen Gefühle teilt und sich verletzlich zeigt. Auch Gefühle aufzuschreiben könne helfen, beispielsweise in einem Tagebuch.
- Soziale Erholung sei möglich, wenn man Zeit mit Menschen verbringt, die nichts von einem fordern und mit denen man einfach sein kann. Für die meisten sind das enge Freund:innen.
- Für die sensorische Erholung nennt Dalton-Smith verschiedene Strategien. Diese sollten sich idealerweise praktikabel im Alltag umsetzen lassen. Beispielsweise kann man bei der Arbeit im Großraumbüro für bestimmte Zeiträume Ohrstöpsel tragen. Bei viel Screen-Time kann es helfen, ab und an für eine Minute die Augen zu schließen oder in einen abgedunkelten, stillen Raum zu gehen. Die Ärztin selbst schaltet regelmäßig für einen Tag alle digitalen Geräte aus.
- Kreative Erholung geschehe dann, wenn man aus Schönheit Energie und Inspiration zieht. Das könne geschehen, indem man Zeit in der Natur verbringe oder auch beim Musizieren und Malen.
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„Bewusst planen“: Wohlbefinden ganzheitlich denken
Dalton-Smith möchte alle Menschen dazu ermutigen, „bewusst zu planen, wie man seine Zeit für Ruhe und Erholung nutzt“. Dafür sei es notwendig, sich auf jene Bereiche zu konzentrieren, in denen es am meisten an Erholung fehlt.
Die Ärztin plädiert dafür, das eigene Wohlbefinden nicht nur anhand von gesundheitlichen Faktoren zu messen, sondern ganzheitlicher zu denken. Gesunde Ernährung, Sport und ausreichend Schlaf seien ihr zufolge zwar eine wichtige Basis, doch genauso wichtig sei es, im Leben stärker die Menschen und Aktivitäten zu priorisieren, die einem Kraft geben.
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