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Reaktivierte „Zombieviren“ – doch Virologe sieht Gefahr ganz woanders

"Zombieviren" reaktiviert: Virologe sieht Gefahr ganz woanders
Foto: Pixabay MarcelDominic / Unsplash CDC

Der Klimawandel setzt nicht nur schädliche Treibhausgase aus den Permafrostböden frei. Auch Viren und Bakterien können aufgrund der Schmelze reaktiviert werden, wie Forschende nun feststellten. Welche Gefahr aber geht von den sogenannten „Zombieviren“ aus?

Der Klimawandel lässt den Permafrost auftauen. Das birgt Gefahren, warnen Wissenschaftler:innen. Einem internationalen Forschungsteam gelang es kürzlich, Viren, die jahrtausendelang vom Permafrost konserviert waren, zu reaktivieren. Vielfach ist von „Zombieviren“ die Rede; in der Preprint-Studie veröffentlichten die Forschenden um Jean-Marie Alempic von der Universität Marseille ihre Ergebnisse.

Bereits 2014 und 2015 hatte das Team zwei funktionsfähige Viren im Permafrostboden entdeckt. In der aktuellen Studie geht es um 13 weitere, bislang unbekannten Viren aus dem Eis.

Bei Permafrost handelt es sich um Eisschichten, die teils schon seit der letzten Eiszeit – die vor etwa 12.000 Jahren endete – bestehen. Permafrostgebiete liegen in Kanada, Alaska, Sibirien, aber auch in Hochgebirgen und -ebenen wie etwa in Tibet. Sie zählen zu den von der Erderwärmung am stärksten betroffenen Regionen. Und sie dienen als eine Art Kühltruhe, wie Guido Grosse, Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut der Tagesschau erklärt.

Forschende konnten „Zombieviren“ reaktivieren

Grosse war daran beteiligt, die Bodenproben aus Sibirien zu gewinnen, die in Marseille untersucht wurden. Aufgetaute Permafrostböden legten ihm zufolge sehr gut konservierte Tiere, wie etwa Mammuts frei – inklusive Haaren, Fleisch und Blut. Das Eis verhindert, dass sich das organische Material zersetzt.

Auch Bakterien und Viren bleiben so erhalten. Sie können erst aktiv werden, wenn der Permafrost schmilzt. Das Forschungsteam aus Marseille legen in ihrer Studie nah, dass diese „Zombieviren“ wieder aktiv werden können. Die Wissenschaftler:innen haben eine Amöben-Gattung als Köder für die Viren verwendet. Alle 13 untersuchten Viren waren demnach infektiös. Sprich: Sie befielen die Amöben. Bei einem der Viren schätzen die Forscher:innen, dass es 50.000 Jahre im Eis überdauert haben könnte.

Viele Frage allerdings noch offen

Gleichzeitig räumt das Team ein: Die Studienlage sei bislang noch zu dünn, um belastbare Aussagen – etwa zur Überlebensdauer der „Zombieviren“ in der Natur – treffen zu können. Die Risiken, die vom Tauen des Permafrosts ausgehen, müssten weiter erforscht werden, so die Wissenschaftler:innen weiter. Auch, welche Gefahr sie für Menschen bedeuten, ist bislang unklar. Es wäre aber denkbar, dass Viren auftauen, die den Menschen befallen können, erklärt Permafrostforscher Grosse im Gespräch mit der Tagesschau.

Auch Bakterien schlummern im Eis. In der Preprint-Studie heißt es dazu, dass bis zu 120.000 Jahre alte pathogene Mikroorganismen mit auftauen könnten, die mit aktuellen Erregern verwandt sind. Etwa der Milzbranderreger Bacillus anthracis, Streptokokken oder auch Staphylokokken. Im Gegensatz zu Viren, denen sehr begegnet werden muss, können Bakterien bislang mit Antibiotika recht effektiv behandelt werden.

Virologe hält lebende Wildtiere für die größere Gefahr

Der Veterinärmediziner und Virologe Albert Osterhaus schätz Viren beispielsweise aus Tier-Kadavern, die im Permafrost eingeschlossen waren, als eher geringe ein, schreibt die Tagesschau.

„Die Chance, dass solche Viren zu wirklich großen Problemen führen, ist klein, aber niemals zu 100 Prozent abwesend“, wird Osterhaus zitiert. Vielmehr stellten lebende Wildtiere eine größere Gefahr dar. Das habe die Corona-Pandemie gezeigt. Expert:innen gehen davon aus, dass das Coronavirus von einer Fledermaus auf den Menschen übersprang, und deshalb eine Zoonose auslöste.

Lösen sich 75 Prozent der Permafrostböden auf?

Abholzung, Armut, der Verzehr von sogenanntem „Bushmeat“ sowie das Bevölkerungswachstum machen solche Zoonosen wahrscheinlicher, wie jüngst eine Studie vom Oswaldo Cruz Institute in Rio de Janeiro analysierte.

Laut Permafrostforscher Grosse könnten sich mit dem bisher rasant voranschreitenden Klimawandel in diesem Jahrhundert 75 Prozent der Permafrostböden auflösen. Neben möglichen Viren, die dadurch aktiv werden können, setzt die Schmelze außerdem klimaschädliches Methan und Kohlenstoff frei. Denn: Permafrostböden sind eine wichtige Senke der Treibhausgase.

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