Während amerikanische Arbeiter:innen „vermeiden, überhaupt zu arbeiten“, verlassen chinesische „nicht einmal die Fabrik“ – Elon Musks Lob für die chinesische Arbeitsmoral kann man nur als zynisch beschreiben. Denn mit seiner Äußerung beschreibt der Tesla-Chef treffend, was in seinem eigenen Werk in China schief läuft.
Elon Musk hat gegenüber der Financial Times unter anderem zum Thema Arbeitsmoral geäußert, und dabei China als Positivbeispiel hervorgehoben. „In China gibt es einfach eine Menge sehr talentierter, hart arbeitender Menschen, die fest an die Produktion glauben“, erklärte der Tesla-Chef am 10. Mai auf einer Konferenz in London. „Sie schuften nicht nur um Mitternacht, sondern auch um 3 Uhr morgens, sie verlassen nicht einmal die Fabrik.“
Mit amerikanischen Arbeiter:innen ging Musk dagegen hart ins Gericht: „In Amerika versuchen die Leute zu vermeiden, überhaupt zur Arbeit zu gehen.“
Lockdown in Shanghai: Tesla-Angestellte schlafen auf dem Fabrikboden
Dass der Tesla-Chef gängige Arbeitsbedingungen in China lobt, ist wenig verwunderlich – denn er profitiert selbst davon. Neben den Werken in den USA und in Berlin-Brandenburg betreibt der Autokonzern Tesla auch eine „Gigafactory“ in Shanghai. Dort herrscht derzeit ein strenger Lockdown, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen.
Doch das bedeutet nicht, dass die Arbeiter:innen der Gigafactory zu Hause bleiben mussten. Die Fabrik wurde gemäß dem sogenannten „Closed-Loop“-System weiterbetrieben, das chinesische Behörden bereits bei den Athlet:innen während der Olympischen Spiele in Peking eingesetzt hatten. Angestellte durften bereits im April die Tesla-Fabrik nicht mehr verlassen. Laut Guardian wurden die eingesperrten Arbeiter:innen dazu gebracht, 12-Stunden-Schichten zu arbeiten, an sechs Tagen die Woche, und auf den Böden der Fabrik zu schlafen. Laut Firmenangaben musste vergangene Woche schließlich die Produktion gestoppt werden, weil es bei einigen Bauteilen zu Engpässen kam.
Arbeitsbedingungen in chinesischen Tesla-Fabriken besonders schlecht
Solche exzessiven Arbeitszeiten sind auch in China eigentlich illegal. Wie der Guardian berichtet, schreibt das chinesische Arbeitsgesetz eine 40-Stunden-Woche vor, mit 36 monatlichen Überstunden. Doch umgesetzt wird dies kaum, stattdessen sind lange Stunden und Verpflichtung zu Überstunden die Norm. Viele Angestellte unterzeichnen Dokumente, mit denen sie ihr Recht auf bezahlte Überstunden und bezahlte Beurlaubung abtreten. Gewerkschaften werden oft von Unternehmen finanziert, was ihre Verhandlungsposition erheblich schwächt. Viele Firmen in China arbeiten zudem nach dem „996“-System. Die Angestellten beginnen die Arbeit um 9 Uhr morgens, machen um 9 Uhr abends Feierabend (also nach 12 Stunden) und dies 6 Tage pro Woche.
Wie es um die Arbeitsbedingungen in der Tesla-Fabrik steht, dazu hat sich das Unternehmen gegenüber Guardian nicht geäußert. Allerdings wurden schon seit Eröffnung des Werks, also auch schon vor Beginn des Lockdowns in Shanghai, Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften und Arbeitsrechte bekannt.
Utopia meint: Zahlreiche Branchen profitieren von Ausbeutung
Wer über circa 200 Milliarden US-Dollar verfügt, hat einen anderen Blick auf den Arbeitsmarkt als eine Mindestlohnarbeiterin. Tesla-Chef Elon Musk brüstet sich zwar damit, selbst ein Arbeitstier zu sein – doch ob er nach einer Woche Schichtarbeit in seiner chinesischen Fabrik noch von „Arbeitsmoral“ sprechen würde oder doch von moderner Sklaverei?
Leider ist die Autoindustrie nicht die einzige, die von Ausbeutung in Billiglohnländern profitiert. Zahlreiche Branchen – von der Textilindustrie und der Techbranche bis zur Feuerwerksproduktion – sind dafür bekannt. Mangelnde Transparenz macht es schwer, Marken zu unterstützen, die es besser machen. Zumindest in der Textilbranche gibt es einige empfehlenswerte Marken, die wir dir hier vorstellen: „Die besten Modelabels für Fair-Trade-Kleidung & nachhaltige Mode“.
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