Die „Sichere Wiesn“ ist eine Anlaufstelle für Besucher:innen auf dem Oktoberfest. Denn noch immer erleben vor allem Frauen auf der Münchner Wiesn sexualisierte Gewalt.
Triggerwarnung: Der Artikel thematisiert sexualisierte Gewalt.
Sexuelle Übergriffe finden auf dem Oktoberfest regelmäßig statt. Das Projekt „Sichere Wiesn“ versucht deshalb seit 2003 eine Anlaufstelle in Notsituationen zu sein und den Betroffenen vor Ort zu helfen – in einem sicheren Raum, den vor allem Frauen aufsuchen. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) spricht Manuela Soller vom Verein AMYNA, der das Projekt organisiert, über die Situation auf dem aktuellen Oktoberfest.
„Kolleginnen merken es, wenn eine Frau eine große Erinnerungslücke hat“
Soller verzeichnet einen ähnlich großen Andrang Hilfesuchender wie im vergangenen Jahr. Besonders auffällig sei nur diesmal, dass es am ersten Wiesn-Wochenende „mehrere Fälle mit Verdacht auf K.O.-Tropfen“ gegeben habe. „Es ist schwer nachzuweisen, aber die Kolleginnen merken es, wenn eine Frau überhaupt nicht klar wird oder eine große Erinnerungslücke hat, die nicht nur durch Alkohol induziert sein kann“, so die 32-Jährige. Dann würde die Ambulanz hinzugezogen.
2022 wandten sich 450 Menschen an AMYNA auf dem Wiesn-Gelände. Sexualisierte Gewalt wie auch Orientierungslosigkeit sind dort Thema, Vergewaltigung würden bei den Helfenden von AMYNA jedoch verhältnismäßig selten gemeldet. „Häufig werden Frauen in irgendeiner Form begrapscht. Eine Rolle spielt auch Upskirting, unter den Rock zu filmen oder zu fotografieren“, berichtet Soller.
Gleichzeitig würden Statistiken der Organisator:innen zeigen, dass es „immer“ einen Anstieg an Fällen gab. Das habe Soller zufolge auch damit zu tun, dass sexuelle Übergriffe sichtbarer geworden sind. „Früher herrschte eher die Haltung vor: Das gehört halt dazu auf dem Oktoberfest – wenn du da hingehen willst, musst du es dir gefallen lassen, ist ja nur ein Spaß.“ Heutzutage würden mehr Männer wie Frauen über sexualisierte Gewalt sprechen.
„Eigentlich wollen wir nicht, dass sich Mädchen und Frauen vorbereiten müssen“
Die Helferin rät Frauen dazu, sich insbesondere über den Heimweg Gedanken zu machen – obgleich „wir eigentlich nicht wollen, dass sich Mädchen und Frauen vorbereiten müssen“. Soller versteht nach eigenen Aussagen das Bedürfnis, bei den oft männlichen Tätern anzusetzen. Dennoch könnten Frauen, etwa wenn sie zu zweit den Heimweg antreten, das Risiko minimieren. „Kein Tipp der Welt kann vor sexueller Gewalt schützen, weil immer die Täter schuld sind“, stellt die Helferin klar.
Vor allem „eine sexualisierte Grundatmosphäre“ auf dem Oktoberfest kritisiert Soller. „Es gab zuletzt eine große Diskussion um Darstellungen von Frauen auf Fahrgeschäften, die sexistisch waren, teilweise auch rassistisch. Da wurde ein gewisses Bild von Frauen vermittelt, die leicht bekleidet sind, eine sexy Ausstrahlung haben. Die Frau wird als Objekt dargestellt.“ Dies schaffe einen sexualisierten Rahmen auf der Wiesn.
Quelle: RND, AMYNA e.V.
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