In einer klinischen Studie soll nachgewiesen werden, worauf Tierversuche bereits hindeuteten: Die Substanz Dichloracetat soll Linderung bei Endometriose verschaffen – als erste nicht-hormonelle, nicht-chirurgische Behandlungsmöglichkeit.
Ein neues Medikament auf der Basis von Dichloressigsäure, oder Dichloracetat (DCA), könnte Betroffenen von Endometriose helfen, die für die derzeit zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten nicht infrage kommen oder diese ausgeschöpft haben. Nach vielversprechenden Labor- und Tierstudien blicken Forschende an der Universität Edinburgh laut dem Guardian optimistisch auf die anstehende klinische Studie an 100 Frauen.
Im Erfolgsfall wäre DCA die erste nicht-hormonelle, nicht-chirurgische Behandlung von Endometriose, einer schmerzhaften Erkrankung, bei der Gewebe, das normalerweise die Gebärmutter auskleidet, auch außerhalb der Gebärmutter wächst.
Bisherige Behandlungsmethoden nicht für alle eine Option
Laut dem Guardian ist etwa eine von zehn Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter von Endometriose betroffen. Nicht alle von ihnen können zur Behandlung der oft starken durch die Endometriose ausgelösten Schmerzen auf die gängigen Behandlungsmethoden zurückgreifen, so Janet Lindsay, Geschäftsführerin einer Wohltätigkeitsorganisation für Frauengesundheit gegenüber dem Guardian. Ihre Organisation, Wellbeing of Women, finanziert zusammen mit der schottischen Regierung die anstehende Studie.
Denn dazu gehören konventionelle Schmerzmittel, Hormontherapien und in besonders schweren Fällen chirurgische Eingriffe. Hormonelle Behandlungen kämen für viele Betroffene aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht infrage, oder weil sie schwanger werden möchten, so der Guardian. Die chirurgische Entfernung des Gewebes sei hingegen mit Risiken verbunden und oft nicht dauerhaft. Konventionelle Schmerzmittel sind also für viele bislang die einzige verbleibende Möglichkeit.
„Längst überfällig“: Neues Medikament verspricht Linderung
DCA könnte daher der „längst überfällige“ Fortschritt in der Endometriose-Behandlung darstellen, so Lindsay. „Es ist komplett inakzeptabel, dass es die letzten 40 Jahre keine neuen Behandlungsmöglichkeiten für Endometriose gegeben hat“, sagt sie.
Auch die Studienleiterin Dr. Lucy Whitaker, klinische Dozentin für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universität von Edinburgh, äußert sich optimistisch: „Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen vielversprechende Ergebnisse, dass DCA einen großen Unterschied machen kann.“
In Labor- und Tierversuchen konnte bereits festgestellt werden, dass das Medikament die Produktion von Laktat durch bestimmte Zellen in der Beckenwand verringert. In Frauen mit Endometriose produzieren diese Zellen größere Mengen an Laktat – einem Abfallstoff, der vom Körper bei Sport gebildet wird und potenziell schädlich ist.
Bei Endometriose kann das Laktat Studien zufolge das Wachstum von Gewebe außerhalb der Gebärmutter begünstigen. In Experimenten an Mäusen zeigte sich, dass sich durch das DCA die Laktatproduktion verringert und damit die Größe der Endometriose-Herde.
Im Rahmen der im kommenden Herbst beginnenden Studie soll festgestellt werden, wie wirksam DCA zur Linderung von Schmerzen und anderen Endometriose-Symptomen auch im Menschen ist.
Zulassung außerhalb klinischer Studien fehlt
In einer ersten Pilotstudie mit 30 Frauen sollen dem Guardian zufolge eine anfängliche leichte Magenverstimmung und Fingerkribbeln die Hauptnebenwirkungen gewesen sein. DCA werde auch zur Behandlung seltener Stoffwechselstörungen bei Kindern und verschiedener Krebsarten eingesetzt.
DCA ist aufgrund seiner Entstehung als Nebenprodukt bei der Wasseraufbereitung mit Chlor sowie bei der Zerfallsreaktion bestimmter Industriechemikalien und Medikamente in der Umwelt weit verbreitet. Die Chemikalie kommt in der Umwelt nicht natürlich vor und wird als umweltgefährdend eingestuft. Die US-Amerikanische Umweltbehörde EPA listet die Chemikalie außerdem als beim Menschen wahrscheinlich krebserregend.
DCA ist daher in den USA und in Europa außer im Rahmen klinischer Studien generell nicht als Medikament oder Nahrungsergänzungsmittel zugelassen. Als sogenanntes Orphan-Arzneimittel kann es allerdings zur Behandlung seltener Erkrankungen zum Einsatz kommen.
Auch wenn die Endometriose-Studie ein Erfolg wird – noch ist nicht klar, ob darauf auch eine Zulassung des Medikaments für die allgemeine Endometriose-Behandlung folgt.
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