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Tag gegen Queerfeindlichkeit: Mehr Coming-Outs – aber auch mehr Hass

Coming Out im Fußball
Foto: CC0 Public Domain - Unsplash/ Sven Kucinic, Kyle Bushnell

Zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (kurz: IDAHOBIT) sind einige Aktionen geplant – unter anderem ein Gruppen-Coming-Out unter Fußballern. Das verlief jedoch anders als geplant.

Am 17. Mai wird jährlich der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (kurz: IDAHOBIT) gefeiert. Der Hintergrund: Am 17. Mai 1990 strich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus der Liste der psychischen Krankheiten. Um das zu zelebrieren, finden an diesem Tag jedes Jahr Kundgebungen in einigen Großstädten Deutschlands statt und vielerorts werden die Fahnen gehisst. Passend zum Aktionstag billigte der Bundesrat heute das Selbstbestimmungsgesetz, das der Bundestag beschlossen hatte. Sein Geschlecht ändern zu lassen soll so für trans* Personen ab November deutlich einfacher werden.

Kampagne „sports free“ kündigte Gruppen-Coming-Out an

In diesem Jahr kam auch aus dem Sport eine interessante Ankündigung. Marcus Urban, selbst als homosexuell geoutet und ehemaliger Profi-Fußballer, rief zu einem Gruppen-Coming-Out auf. Mit Diversero startete er die Kampagne „sports free“, die auf ihren Social-Media-Kanälen schon die Coming-Out-Geschichten einiger männlicher Sportler beleuchtet. Am 17. Mai sollen neue Gesichter dazu kommen, vor allem aus dem Profifußball. Zahlreiche Vereine wie der VfB Stuttgart und der BVB, aber auch bereits geoutete Fußballer unterstützen und loben das Projekt.

Die Kampagne hat bereits vor dem 17. Mai ein erstes Coming-out-Video veröffentlicht. Ein Mitarbeiter der Medienabteilung der TSG Hoffenheim, Dirk Elbrächter, erzählt darin, dass er sich durch die Kampagne ermutigt gefühlt habe, sich zu outen. Denn obwohl er schon seit 15 Jahren mit seinem Partner zusammen ist, hat er sich im Fußball-Business nie geoutet.

Julia Monro, Referentin für das Thema Geschlechtervielfalt im Verband Queere Vielfalt (LSVD+)
Julia Monro, Referentin für das Thema Geschlechtervielfalt im Verband Queere Vielfalt (LSVD+) (Foto: Foto: Hans Blumenthal & Julia Monro / julia-monro.de)

Profifußballer haben sich bisher allerdings nicht geoutet. Auch vor dem Aktionstag zeigte sich Urban im Interview mit dem Stern schon unsicher: „Aktive Profifußballer halten sich noch zurück“, bedauerte er. Die meisten seien sehr vorsichtig. Julia Monro, Referentin für das Thema Geschlechtervielfalt im Verband Queere Vielfalt (LSVD+) und zuständig für den Bereich Sport, hat bereits befürchtet, dass sich kaum Profifußballer an der Aktion beteiligen werden.

Fußball sei noch immer ein sehr männerdominierter Sport, sagt Monro gegenüber Utopia – sowohl im Fanbereich als auch unter den Spielern. „Es ist für viele Männer ein Statusverlust, schwul zu sein – das wird als sozialer Abstieg gesehen“, so Monros Eindruck. Das macht es vielen Männern schwer, sich zu outen. Die Fanstrukturen hingegen haben sich bereits maßgeblich verändert: Bei vielen Vereinen gibt es jetzt auch queere Fanclubs.

Kritik: Planung ohne die LGBTQ+ Community

Außerdem wurde bei „sports free“ im Gegensatz zu anderen Coming-Out-Projekten wie „Out in Church“ nicht mit Verbänden und der Community zusammengearbeitet, erklärte die Expertin – das habe möglicherweise die Unsicherheit einiger Spieler verstärkt. Auf lange Sicht so einen Spannungsbogen zu ziehen, baue zusätzlich auch Druck auf Personen auf, die sich möglicherweise outen wollen, und könne abschreckend wirken.

Es sei zwar sehr gut, dass das Thema in den Medien große Aufmerksamkeit bekomme – aber mit langfristigen Versprechungen wie diesen, die dann nicht erfüllt werden, könne man der Community auch schaden, fürchtet die Referentin. Die Kampagne war außerdem nur auf homosexuelle Männer ausgelegt – bisexuelle Männer und Frauen oder lesbische Frauen wurden nicht einbezogen.

Zudem nimmt Queerfeindlichkeit immer mehr zu, das zeigt auch eine aktuelle Studie der Grunderechtsagentur der Europäischen Union (kurz: FRA). Das hänge damit zusammen, dass es viel mehr Menschen gibt, die sich outen und die erhöhte Sichtbarkeit zu einer gewissen Gegenbewegung führe, vermutet Monro. Auch der Rechtsruck der Gesellschaft habe damit zu tun.

Dass der Hass zugenommen hat, merkt Monro auch persönlich. Als trans* Frau erfahre sie vor allem online viele Anfeindungen, erhalte viele Hassnachrichten wie „Früher hätte man jemanden wie dich vergast.“ Die Aktivistin ermutigt trotzdem dazu, sich zu outen, und sich zuvor in queeren Strukturen zu organisieren, um sich Unterstützung zu holen.

Monro: „Schade, dass es solche Tage braucht“

Wie groß die gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit am IDAHOBIT-Aktionstag ist, freut Monro. Es sei jedoch auch „schade, dass es solche Tage braucht, um darauf aufmerksam zu machen, dass queere Menschen diskriminiert werden.“ Allgemein gebe es noch einiges zu tun – vor allem in der Politik.

Monros Wunsch: Die Bundesregierung solle Hasskriminalität besser verfolgen, der Justizapparat von Polizei bis hin zu Gerichten müsse besser aufgeklärt und sensibilisiert werden. Auch Gesetze, die queere Menschen schützen, bräuchte es dringend, genauso wie eine Ergänzung im Grundgesetz, Artikel drei, das sexuelle und geschlechtliche Identität auch dort als Merkmal schütze. „Je nachdem, welche Regierung wir haben, geht es uns sonst mächtig an den Kragen“, fürchtet die Aktivistin.

Verwendete Quellen: stern, FRA, sports free, Studie der Grunderechtsagentur der Europäischen Union

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