Schnee, Schnee, Schnee – so viel wie lange nicht. Am Samstag lag der Zugverkehr am Bahnhof München still. Auch am Mittwoch kämpft man weiter mit den Folgen. Noch immer fahren Züge teils nicht regulär. Wie kam es dazu? Und lernt die Bahn daraus?
Schnee, so viel wie lange nicht – und nun tagelang Chaos. An den Bahnsteigen ratlose und genervte Menschen. Während auf den Straßen der Verkehr weitgehend rollt, ging es auf der Schiene nach den Schneefällen nur langsam wieder los. Das Geschehen mit zeitweise gänzlich eingestelltem Zugverkehr am Bahnhof München und auf vielen Strecken wirft Fragen auf.
Welche Gründe gab es für den teils kompletten Ausfall der Bahn?
Die Deutsche Bahn (DB) verweist auf die extreme Wetterlage: zuerst viel Schnee in kürzester Zeit, dann große Kälte. Ähnlich äußert sich Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). „Was wir am Wochenende in München erlebt haben, war kein normaler Wintereinbruch, sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester Zeit.“ Bernreiter sagt aber auch: „Allerdings dauert die Situation auf der Schiene jetzt schon deutlich zu lange an.“ Der Minister verlangt, die Bahn müsse sich für die Zukunft besser aufstellen.
Liegt es an Einsparungen?
„Der Eindruck trügt leider nicht: Da ist deutlich gespart worden, zum Beispiel beim schweren Räumgerät“, sagt Bernreiter. Auch Expert:innen verweisen auf fehlendes wintertaugliches Material und Personal. „Winterbetrieb ist mit viel Handarbeit und Maschineneinsatz verbunden“, sagt Heino Seeger, ehemaliger Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn und Eisenbahnbetriebsleiter. „Es ist billiger, bei solchen Lagen nicht zu fahren als gegen den Schnee und die Witterungsverhältnisse anzukämpfen. Reserven kosten Geld. Deshalb wurden Reserven gestrichen: beim Personal, bei den Zügen und beim Räumgerät“, sagt Seeger. „Es musste so kommen“, meint der Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin, Markus Hecht. Ein Problem sei auch das Fehlen von Schneefangzäunen, die Schneeverwehungen auf den Gleisen eindämmen könnten.
Auf was muss die Bahn sich künftig vorbereiten?
Gerade mit dem Klimawandel müsse eben nicht unbedingt mit weniger Schnee, sondern mit extremeren Wetterlagen gerechnet werden, darunter auch starke Schneefälle, sagt der Bundesvorsitzende vom Fahrgastverband Pro Bahn, Detlev Neuß. „Diese Wetterlagen sind keine Einzelfälle. Darauf muss sich die Bahn einstellen, das kostet Geld – und das Geld muss zur Verfügung gestellt werden.“ Es gehe auch um Erdrutsche nach schweren Regenfällen, Hagel und Sturm. Bahn-Experten nennen auch die 1993 beschlossene Bahnreform; mit der – so sagen die Fachleute – die Bahn nicht nur Geld kosten, sondern auch Geld einfahren sollte. Nun beginne ein Umdenken, sagt Neuß. „Das geht zwar für unseren Geschmack zu langsam, aber die Richtung stimmt: hin zu einem mehr gemeinwohlorientierten Unternehmen.“
Wer hat in Bayern entschieden, den Betrieb komplett einzustellen?
Die Deutsche Bahn verweist hier auf die DB Netz, die zuständig ist für die Schienenwege. „Am späteren Freitagabend erreichten uns innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Meldungen über Vegetation in Gleisen und Oberleitungen und weitere witterungsbedingte Störungen“, teilte ein DB-Sprecher mit. „Da die Wettervorhersagen weiteren starken Schneefall prognostizierten, traf DB Netz die Entscheidung, den Bahnverkehr im betroffenen Gebiet aus Sicherheitsgründen vorsorglich einzustellen.“
Mit welcher Ausstattung startete die Bahn in Bayern in den Winter?
Laut Mitteilung der DB Ende November besitzt sie in Bayern 13 bahneigene Räumfahrzeuge, bei 9800 Streckenkilometern in der Region Süd. Dazu kämen sieben Fahrzeuge der leichten Schneeräumtechnik: vier Multifunktionale Instandhaltungsfahrzeuge für die Schieneninfrastruktur und drei Gleisarbeitsfahrzeuge, hieß es. Am Dienstag teilte die Bahn mit, die Zahl der Räumfahrzeuge sei nun aufgestockt worden. Mehr als 20 große Maschinen seien mittlerweile in der Region unterwegs, darunter auch besonders leistungsfähige Schneeschleudern, die aus Hessen und Baden-Württemberg nach Bayern verlegt wurden. Fachleute prüften, ob die Zahl der Räumfahrzeuge mit Unterstützung aus anderen Regionen noch weiter erhöht werden könne.
Warum läuft es in der Schweiz und in Österreich besser?
Beide Länder haben den Bahn-Expert:innen zufolge eine bessere Winterausrüstung für ihre Züge und bessere Räumfahrzeuge. „Das sind Alpenländer, die darauf eingestellt sind. Sie haben Personal und Räumfahrzeuge“, sagt Neuß. Man könne nach solchen Schneefällen nicht erwarten, dass nach einer halben Stunde alles wieder laufe, aber es dürfe nicht tagelang dauern. „Das Problem bei uns ist, dass die Schneeräumung der DB Netz zugeordnet ist – und die DB Netz hat keine zusätzlichen Ressourcen, auch keine Lokomotiven dafür“, ergänzt Hecht. „Die offene Frage ist, wie die Schneeräumung in den Anforderungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft definiert ist, da das auf Regionalverkehrsstrecken Länderangelegenheit ist.“
Lief es früher besser?
Seeger berichtet zumindest für die Bayerische Oberlandbahn und die Bayerische Regiobahn, diese seien damals als Unternehmen aktiv geworden. Etwa habe man die Gleise gerade über Nacht frei gehalten. „Wenn es so geschneit hat wie jetzt, hat uns das nicht geschreckt. Wir haben dann nachts Lokomotiven mit Pflugscharen (eine Art Räumschild) fahren lassen, damit die Strecke nicht zuschneit.“ Damit seien die Strecken der Oberlandbahn auch bei viel Schnee befahrbar geblieben – allerdings mit hohem Personalaufwand. „Der Wille muss da sein, fahren zu wollen.“
Wird das Geschehen aufgearbeitet?
Die bayerische Staatsregierung hat das angemahnt. Man werde sicherlich im Nachgang in Ruhe analysieren müssen, „weshalb es gerade im Bereich des Zugverkehrs doch solche erheblichen Schwierigkeiten gegeben hat“, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Die Katastrophen-Schutzbehörden seien allesamt frühzeitig vor dem Wintereinbruch aktiviert worden. Verkehrsminister Bernreiter kündigte an: „Ich werde mit der Bahn ein Gespräch darüber führen und ich werde es sehr niederbayerisch-deutlich sagen: Die Bahn muss sich für die Zukunft besser aufstellen.“
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