Neue Untersuchungen zeigen, wie stark das Trinkwasser in Europa mit Ewigkeitschemikalien belastet ist. In Deutschland stechen besonders zwei Bundesländer hervor. Umweltschützer:innen fordern nun ein Verbot von PFAS-Pestiziden. Was über die Gefahr für die menschliche Gesundheit bisher bekannt ist.
Immer wieder besorgen Ewigkeitschemikalien (auch PFAS genannt) Verbraucher:innen und Umweltschützer:innen. Die Stoffe sind wasser-, schmutz- und fettabweisend und deshalb in vielen Alltagsprodukten verbreitet – allerdings sind sie auch kaum abbaubar und können sich in der Umwelt und im menschlichen Körper anreichern. Einige sind bereits weitgehend verboten – doch zahlreiche sind noch im Einsatz. Frühere Untersuchungen hatten die Verbindungen sogar in Trinkwasser nachgewiesen – Utopia berichtete.
Das Pestizid-Netzwerk-Europa (PAN Europe) und die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 sind dem nun nachgegangen und haben in elf europäischen Ländern die Trinkwasserqualität untersucht, wie sie in einer Mitteilung bekanntgaben. Das Ergebnis: In 34 von 36 Leitungswasserproben konnten sie die Ewigkeitschemikalie Trifluoracetat (TFA) nachweisen. Am stärksten war das Wasser in Oberösterreich (4,1 Mikrogramm pro Liter) und Paris (2,1 Mikrogramm) belastet. In Deutschland wurden in Baden-Württemberg (1,1 Mikrogramm) und Nordrhein-Westfalen (1,0 Mikrogramm) die meisten Chemikalien im Leitungswasser gefunden.
Was ist TFA überhaupt?
Laut dem Umweltbundesamt (UBA) handelt es sich bei TFA um eine Chemikalie, die sehr wasserlöslich ist. Sie gelangt hauptsächlich als Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden und Fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen) ins Wasser und lässt sich nicht mehr herausfiltern. F-Gase werden laut dem Bundesministerium für Umweltschutz (BMU) überwiegend als Kältemittel in Kälte- und Klimaanlagen, als Treibgas in Sprays, als Treibmittel in Schäumen und Dämmstoffen und als Feuerlöschmittel verwendet. Global 2000 und Pan Europe fordern in ihrer Mitteilung ein Verbot von PFAS-Pestiziden und von F-Gasen.
Trinkwasserproben überwiegend im Grenzbereich
Wie stark die untersuchten Trinkwasserproben jeweils belastet waren, unterschied sich enorm. Die Ergebnisse lagen zwischen Werten von weniger als 0,02 Mikrogramm pro Liter und 4,1 Mikrogramm pro Liter, der Durchschnitt 0,74 Mikrogramm pro Liter. Insgesamt wurden in den Trinkwasserproben weniger TFA-Chemikalien gefunden als in Flüssen und Seen.
Zu den Gesundheitsrisiken für Verbraucher:innen gebe es laut der Mitteilung bisher kaum Daten. Nach der Bewertung der European Food Safety Authority (EFSA) von 2016 seien täglich 50 Mikrogramm TFA pro Kilogramm Körpergewicht und Tag tolerierbar. Das deutsche Umweltbundesamt setzte den Grenzwert 2020 allerdings deutlich niedriger an und zwar bei 12,5 Mikrogramm, das niederländische Nationale Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) geht sogar nur von einer Tageshöchstdosis von 0,32 Mikrogramm aus.
Auch in Mineralwasser ist die Chemikalie zu finden – allerdings in deutlich geringeren Mengen, als in den Trinkwasserproben. Um zu prüfen, ob TFA auch in tief gelegene Wasserreservoirs gelangt, wurden 17 Mineral- und zwei Quellwasserproben untersucht. Obwohl die Chemikalie in zwölf der 19 Proben gefunden wurde, war die Belastung im Durchschnitt mit einem Wert von 0,278 Mikrogramm pro Liter deutlich geringer als bei den Trinkwasserproben.
„Die gute Nachricht ist, dass die TFA-Werte, die wir fanden, in den meisten Proben noch innerhalb der Grenzen liegen, die nach heutigem Wissensstand als sicher gelten“, betonte Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von GLOBAL 2000. „Allerdings steigt die TFA-Belastung täglich, und der Sicherheitspuffer ist bereits sehr klein. Außerdem sind wir bereits durch andere PFAS übermäßig belastet. Es müssen daher sofort Maßnahmen ergriffen werden, um eine weitere TFA-Belastung zu verhindern.“
TFA könnte durch Landwirtschaft in Gewässer gelangen
Besonders die Ergebnisse der österreichischen Proben legten nahe, dass die PFAS-Belastung der Gewässer mit der Nähe zu landwirtschaftlichen Betrieben zusammenhängt. „Ins Auge sticht besonders, dass die höchsten Belastungen bei diesem Stichprobentest genau in den Bundesländern gefunden wurden, wo die meisten landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen“, sagt Burtscher-Schaden. Vielen Landwirt:innen wüssten gar nicht, dass sich die Ewigkeitschemikalie in den Mitteln befinden würden, mit denen sie ihre Feldern besprühen – weil die entsprechende Kennzeichnung fehle.
Beeinflussen Ewigkeitschemikalien die Fortpflanzungsfähigkeit?
Strittig ist auch, inwiefern die Chemikalie die Fähigkeit zur Fortpflanzung beeinflusst. Eine Studie von Bayer an Kaninchen habe schwere Missbildungen bei Neugeborenen gezeigt. Deutschland schlug bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA bereits vor, TFA als reproduktionstoxisch, also fortpflanzungsgefährdend, einstufen zu lassen.
Verwendete Quellen: Mitteilung von Global 2000 und PAN, Studie, UBA, BMU
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?