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Wie vergiftete Gletscher Menschen gefährden

Wie giftige Gletscher Menschen gefährden
Foto: CC0 Public Domain / Unsplash - shawnanggg

Obwohl sie seit Jahrzehnten verboten sind, steigen die Werte einiger chemischer Stoffe in der Umwelt weiter. In einem Interview warnt der Umweltchemiker Zhiyong Xie vor den Gefahren für den Menschen.

„Viele der Chemikalien, die wir aktuell in der Arktis finden, sind eigentlich schon seit den 1970er Jahren verboten“, erklärt Zhiyong Xie. Der Chemiker ist unter anderem Experte für poly­fluorierte Chemikalien (PFAS) – bedenkliche Stoffe, bei denen Fachleute vermuten, dass sie das Risiko für Asthma, Schilddrüsenerkrankungen sowie für Hoden- und Nierenkrebs erhöhen können. In mehreren Publikationen hat Zhiyong Xie ihr Auftreten in der Umwelt, zum Beispiel in der Elbe, nachgewiesen. In einem Taz-Interview erklärt er, warum die Stoffe gefährlich für Mensch und Umwelt werden können – und was die Gletscherschmelze damit zu tun hat.

„Viele Stoffe viel stabiler in der Umwelt, als man früher dachte“

Als Grund für die steigende Konzentration bestimmter Chemikalien nennt Zhiyong Xie zwei Ursachen: Zum einen sind die Stoffe weitaus stabiler als die Forschung bislang annahm. Zum anderen führe die Zirkulation von kalten und warmen Luft- sowie Wassermassen in Richtung Arktis zum dortigen Erhalt der Chemikalien.

Der Umweltchemiker erklärt das so: „Mit den Meeres­strömungen werden die Stoffe aus Regionen wie Europa oder Nord­amerika in die Arktis trans­portiert. Die niedrigen Temperaturen dort verlangsamen ihren Zersetzungs­pro­zess, und sie reichern sich im Eis und im Schnee an. Im Sommer schmelzen sie dann und gelangen so in die Küstengewässer. Viele der Stoffe sind flüchtige, also gasförmige Chemikalien, mit der Verdunstung des Wassers gelangen sie in die Atmosphäre und fallen dann als Schnee wieder auf die Gletscher.“ Dort, wo durch schmelzende Gletscher der Salzgehalt niedriger ist, befinden sich dem Experten zufolge „verhältnismäßig viele Chemikalien“ im Wasser. Das deutet darauf hin, dass diese Stoffe mit dem Schmelzwasser aus dem Eis ins Meer gespült werden.

Durch diese Bedingungen steigt laut Zhiyong Xie die Konzentration der Chemikalien immer weiter bis sie in die Nahrungskette eindringen, wo sie dann über Umwege in den Menschen gelangen. „In Blut- und Fettproben von Eisbären und Ringelrobben wurden Organo­phosphate-Ester (OPEs) gefunden, die als Flammschutzmittel verwendet werden“, erzählt der Experte.

Die Chemikalien, einst als umweltverträglicherer Ersatz für andere Verbindungen eingeführt, werden oft als Weichmacher, in Kosmetika und Elektrogeräten verwendet. Bislang sind lediglich einige einzelne Stoffe der Gruppe in Kinderspielzeug verboten. Auch das Umweltbundesamt (UBA) äußerte sich im vergangenen Jahr gegenüber der Taz besorgt über die hormonelle Wirksamkeit von OPEs.

Schadstoffe im Menschlichen Organismus kaum abbaubar

Trotz aller Unsicherheiten bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Vielzahl von Chemikalien Menschen gefährdeten, so Zhiyong Xie. “Durch die Nahrungsaufnahme können Schadstoffe in den menschlichen Organismus gelangen, wo sie kaum abbaubar sind“, warnt Zhiyong Xie.

Die Schädlichkeit einiger Verbindungen ist bereits nachgewiesen. Einer Studie zufolge stehen PFAS im Verdacht die Spermienqualität bei Männern zu verringern. Zhiyong Xie warnt außerdem, dass PFAS den Hormonhaushalt stören können. Weil sie nur schwer abgebaut werden, werden PFAS auch „ewige Chemikalien“ („forever chemicals“) genannt. Hinzu kommt, dass ihre schiere Anzahl noch Jahre der Forschung erfordert, bis ihre Folgen abschließend geklärt werden können: Zur Stoffgruppe der PFAS gehören ungefähr 4000 verschiedene chemische Verbindungen.

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