Schwer kranke Obdachlose scheuen oftmals den Gang zum Arzt oder ins Krankenhaus. In Österreich wurde ein Hospiz eröffnet, um Wohnungslose während ihres letzten Lebensabschnitts zu begleiten.
335 000 Obdachlose leben in Deutschland, ihre Lebenserwartung liegt bei trostlosen 46,5 Jahren. Die meisten der Wohnungslosen hierzulande sterben so, wie sie leben: unbemerkt, allein, im Stillen. Wer krank wird, behält das Leiden oft für sich oder weiß gar nicht erst darum, weil einen auf der Straße so viele andere Dinge quälen, wie der Hunger oder die Kälte.
In Deutschland nimmt sich beispielsweise das Diakonie-Hospiz Wannsee der Obdachlosen in ihrem letzten Lebensabschnitt an, oder der ambulante Hospiz-Dienst Kiel und Umgebung. Die Hamburger Obdachlosen bekommen im Pik As, einer Notunterkunft, Beratungen zum Thema Sterbebegleitung. Dennoch scheuen sich viele Obdachlose davor, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In Österreich hat Anfang April das erste Hospiz nur für Obdachlose eröffnet. Es beruht auf einer Idee der Schwestern des Konvents der Elisabethinen Graz, finanziert durch Spenden und Sponsoren, in unmittelbarer Nähe zum VinziDorf, einer Herberge für Obdachlose. Hier bekommen Wohnungslose am Lebensende eine medizinisch-pflegerische Versorgung in einem gewohnten Umfeld. „Das VinziDorf ist meine Heimat. Und deshalb ist es eine super Sache, dass ich am Ende, wenn’s notwendig ist, hier herüberkommen kann“, meint Adolf Weiß, ein Bewohner des VinziDorf.
Regeln, aber auch „Genusszeiten“
„Wo sind Menschen, die allein sind? Die keine Möglichkeit haben, sich professionelle Hilfe zu kaufen, die am Ende ihres Lebens mit der Rettung in irgendeine Ambulanz gekarrt werden und dort beim Suchen nach einem Bett am Gang allein sterben müssen? Zu ermöglichen, dass sie in Würde in ihrer Umgebung professionell begleitet gehen können, finde ich eine sensationelle Idee“, sagt Gerold Muhri in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“.
Zusammen mit Désirée Amschl-Strablegg leitet er das neue Hospiz für Obdachlose in Graz. Die beiden sehen die Herausforderung nicht in der medizinischen, sondern in der differenzierten ethisch-pflegerischen Perspektive, die die Arbeit mit wohnungslosen Menschen erfordert. So betont Muhri, dass es zwar Hausregeln – beispielsweise Ruhezeiten zum Schutz der Bewohner – geben werde, aber auch viele „Genusszeiten“.
Die Bewohner dürfen sich also durchaus das ein oder andere Bierchen genehmigen, eine Zigarette rauchen oder einfach gemeinsam Zeit verbringen. Genau das soll das Hospiz künftig leisten: Dass wohnungslose Menschen nicht einsam im Spital sterben, sondern bis zuletzt mit ihren Freunden zusammen sein können und ihre Schmerzen gelindert werden.
GASTBEITRAG aus enorm. TEXT: Maria Steinwender
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