Menstruations-Urlaub: Pro & Contra Von Good Impact Kategorien: Beruf Stand: 5. April 2017, 12:40 Uhr Foto © unsplash / Adrew Neel Bis zu drei Tage bezahlten Urlaub könnten in Italien betroffene Frauen künftig bei Regelbeschwerden erhalten. Die Begeisterung darüber sollte man jedoch erst zuendedenken: Was ist, wenn Arbeitgeber dann Frauen bei der Berufs-Einstellung benachteiligen? Das enorm-Magazin hat die Vor- und Nachteile, aus weiblicher und männlicher Sicht, abgewogen. Contra: Kein weiblicher Befreiungsschlag Man muss nicht groß darum herumreden: Es fühlt sich an, als hätte sich ein Haifisch im weiblichen Unterleib verbissen und würde alles daran setzen, die Betroffene in zwei Hälften zu zerteilen. Als Frau hat man gelernt, damit umzugehen. Wenn es einmal schlimmer kommt als gewöhnlich, vertraut man auf die Wirkung von Schmerztabletten und schleppt sich trotzdem in die Arbeit. Warum sollte man auch eine große Sache daraus machen? Unsere Großmütter sind vermutlich auch nicht daran gestorben, und die Frauen in Entwicklungsländern müssen sich abgesehen von den Schmerzen noch mit dem Fehlen von Hygieneartikeln herumschlagen. Die Rede ist von der weiblichen Menstruation und den Schmerzen, die damit einhergehen. Jede Frau empfindet sie als unterschiedlich stark und hat im Lauf der Zeit eigene Methoden entwickelt, damit umzugehen. Die italienische Regierung plant nun als erstes Land in Europa eine Art „Menstruationsurlaub“ für Frauen, die unter besonders starken Schmerzen leiden. Die Beurlaubung ist bezahlt und soll bis zu drei Tage dauern. Voraussetzung dafür ist ein ärztliches Attest. Die italienische Tageszeitung „Il Messaggero“ berichtet, dass 60 bis 90 Prozent der Frauen während der Periode unter Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen leiden, 30 Prozent könnten über Stunden oder gar Tage das Bett aufgrund der Beschwerden nicht verlassen. Ist das Gesetz also ein Befreiungsschlag für Frauen, falls es denn in Kraft tritt? Italienische Kritikerinnen bezweifeln dies: Lorenza Pleuteri etwa schreibt in „Donna Moderna“, dass es dazu beitragen würde, die Frauen, die in der italienischen Arbeitswelt ohnehin benachteiligt sind, weiter zu stigmatisieren. Arbeitgeber würden danach sowieso vermehrt männliches Personal einstellen. Italien hat derzeit eine der niedrigsten Frauenbeschäftigungsquoten in Europa: 61 Prozent von ihnen gehen arbeiten. Damit liegt das Land weit unter dem europäischen Durchschnitt von 72 Prozent. Dazu kommt noch, dass ein Viertel aller Frauen in Italien während oder direkt nach der Schwangerschaft gefeuert werden, obwohl es illegal ist. Wie wenig diese vermeintliche Verbesserung für Frauen wirklich beiträgt, zeigt sich in Asien: In Japan ist dieses Gesetz seit 1947 in Kraft. Viele Frauen nehmen den „menstrual leave“ jedoch nicht in Anspruch, aus Scham und Angst: Alle Arbeitskollegen wüssten so, wann man seine Periode hätte, und es könne zu sexueller Belästigung führen, erzählt eine Japanerin dem britischen „Guardian“. Das ist genau der Punkt: Keine Frau sollte sich während der Menstruation verstecken müssen. Schon gar nicht sollte sie sich deswegen schämen oder schuldig fühlen, weil sie anderen Arbeitskollegen damit Mehrarbeit auferlegt. Wer nicht in der Lage ist zu arbeiten, kommt nicht ins Büro. Punkt. Aus welchen Gründen auch immer. Mit einem Menstruationsurlaub muss sich Frau jetzt zu den Schmerzen auch noch von Männern anhören, weinerlich und nicht belastbar zu sein – obwohl diese bei dem Thema niemals mitreden werden könnnen. In Sachen Gleichberechtigung also ein Rückschritt. Denn weder Arbeitgeber noch Kollegen geht es etwas an, aus welchen gesundheitlichen Gründen man zu Hause bleibt. Ein Menstruationsurlaub ist kein Privileg. Pro: Gebt den Frauen mehr Privilegien! Okay, das hier wird schwierig. Denn ich bin ein Mann und es geht um Menstruation, beziehungsweise Menstruationsurlaub. Der Aufschrei ist auf allen Seiten erwartbar groß. Natürlich reicht es nicht, einfach einen Menstruationsurlaub einzuführen und zu hoffen, jetzt wird alles gut. Es ist trotzdem richtig. Zum einen bricht es ein Tabu. Zum anderen braucht es für eine echte Gleichberechtigung mehr Privilegien für Frauen. Fakt ist, dass es unzählige Frauen gibt, die mit ihrer Menstruation gesundheitliche Beschwerden haben. Niemand spricht gerne darüber, Männer wahrscheinlich noch am aller wenigsten. Das schafft das Problem aber nicht aus der Welt, im Gegenteil. Genau kann ich es natürlich nicht sagen und lasse mich da gerne eines Besseren belehren: Aber ich kann es durchaus nachempfinden, wenn sich Frauen schämen, sich wegen ihrer Periode krankschreiben lassen zu müssen. Ein dezidierter Menstruationsurlaub erkennt dieses Problem an und bietet die Chance, einmal offen darüber zu reden, dass permanente Schmerzen im Unterleib kein Vergnügen sind. Frauen müssten dies als Werkzeug begreifen und es nur selbstbewusst einsetzen. Hier geht es um Souveränität. Ein anderes, durchaus berechtigtes Argument ist, dass Frauen den Urlaub gar nicht wahrnehmen würden – aus Scham und um nicht in den Verdacht einer Bevorzugung zu geraten. Und genau da liegt das Problem. Wir müssen Frauen viel mehr Privilegien zugestehen, wenn es dieses „Gleichberechtigung“ wirklich einmal geben soll. Männer zu Elternzeit verpflichten, die mindestens dem Doppelten der Partnerin entspricht. Frauen automatisch besser bezahlen als Männer, verpflichtende Frauenquoten, völlig egal, Hauptsache, die Frauen sind privilegiert. Mangelnde Gleichberechtigung ist ein systemisches Problem, was bedeutet, das System muss sich ändern, nicht die, die in dem System leben. Einzige Bedingung: Es müssten reversible Maßnahmen sein, die bei Gleichberechtigung wieder abgeschafft werden müssen. Nun muss auch ich eingestehen, dass dieser Idee das Grundgesetz grundsätzlich im Weg steht; und anzufangen, Menschenrechte zu opfern, ist dann auch etwas zu radikal – auch wenn ich es durchaus Ernst meine, Frauen mehr Privilegien zuzusprechen. Daher sollten wir mit kleinen Erfolgen wie einem Menstruationsurlaub anfangen zu arbeiten. Denn so lange wir an der großen Schraube nicht drehen können, müssen die Frauen leider selbst selbstbewusst genug sein, solche Privilegien zu ihrem Vorteil zu nutzen. GASTBEITRAG aus enorm. TEXT: Maria Steinwender & Vincent Halang enorm ist das Magazin für den gesellschaftlichen Wandel. Es will Mut machen und unter dem Claim „Zukunft fängt bei Dir an“ zeigen, mit welchen kleinen Veränderungen jeder Einzelne einen Beitrag leisten kann. Dazu stellt enorm inspirierende Macher und ihre Ideen sowie Unternehmen und Projekte vor, die das Leben und Arbeiten zukunftsfähiger und nachhaltiger gestalten. Konstruktiv, intelligent und lösungsorientiert. Weiterlesen auf Utopia.de: Menstruationstasse: die müllfreie Alternative zu Tampons und Binden In der Regel besser: Alternativen zu o.b., Always & Co. Lavera, Alverde & Co.: Diese Naturkosmetik-Marken bieten bessere Schminke ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 4 4 Vielen Dank für deine Stimme! Unser Partner:Good ImpactPartner-Beiträge werden i. d. R. weder geprüft noch bearbeitet. HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: