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8 Verkaufstricks von Modeläden: Psychologin verrät, wie du dich wehrst

8 Verkaufstricks von Modeläden: Psychologin verrät, wie du dich wehrst
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ Timur Weber

Ob Shopping-Fan oder Gelegenheitskäufer:in: In Modegeschäften wirst du mit cleveren Verkaufstricks zum Kauf verführt. Eine Psychologin erklärt, wie diese Tricks funktionieren – und wie du widerstehst.

Kennst du das? In Umkleidekabinen wirkt alles total unvorteilhaft – oder viel besser, als die Kleidung dann zu Hause aussieht. Oder du fühlst dich beim Shoppen erschöpft, weißt nicht wirklich wieso, und nimmst schließlich Teile mit, die du nicht brauchst. Oder ein Teil, das du eigentlich zurückgeben wolltest, bleibt irgendwie doch in deinem Kleiderschrank hängen.

All diese Erfahrungen sind unschön, keine Seltenheit – und eventuell auf gezielte Tricks zurückzuführen, die sich Bekleidungsgeschäfte zunutze machen, um Kund:innen zum Kauf (und Behalten) zu bewegen. Welche das sind, wie sie funktionieren und was du tun kannst, schätzt eine Psychologin für Utopia.de ein.

1. Gute Beleuchtung lässt uns bleiben

Die Beleuchtung in Geschäften ist kein Zufall. „Die Art des Lichts, zum Beispiel Helligkeit oder Wärme, beeinflusst die Wirkung von Farben, aber auch unser Wohlbefinden im Geschäft“, erklärt Anita Habel von Psychologists for Future. Angenehmes warmes Licht sorge dafür, dass wir uns wohler fühlen und länger bleiben. Je länger wir in Geschäften verweilen, desto höher die Chance, dass wir Artikel sehen, die uns ansprechen.

In Umkleidekabinen wird oft schmeichelhaftes Licht eingesetzt, damit die Kleidung besser aussieht. Das führt dazu, dass wir eher kaufen. „Das erklärt auch den Effekt, dass wir manchmal zu Hause feststellen, dass ein Teil, welches in der Umkleide toll aussah, nun irgendwie anders wirkt“, so die Expertin.

2. Überforderung verführt zum Kauf

Außerdem hat die längere Verweildauer einen weiteren Vorteil: Je länger wir in einem Laden sind, desto mehr Sinneseindrücke nehmen wir auf. „Unser Gehirn hat dann viel zu verarbeiten“, sagt Habel. Und das benötige Energie, der Körper verbrauche mehr Glukose – weshalb man nach dem Shoppen übrigens häufig Lust auf einen Snack habe. Diese Energie fehle aber dafür, Kaufimpulse zu kontrollieren. Am Ende kaufen wir deshalb oft mehr, als wir eigentlich wollten, oder tätigen Spontankäufe.

3. Musik und Düfte schaffen Atmosphäre

Auch Hintergrundmusik und angenehme Düfte sorgen dafür, dass wir uns wohler fühlen. „Je wohler wir uns fühlen, umso länger bleiben wir tendenziell. Und je länger wir bleiben, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas kaufen“, sagt Habel.

4. Schlechtes Licht und die Versunkene-Kosten-Falle

Manche Modeketten stellen Habel zufolge das Licht in Umkleidekabinen auch gezielt unangenehm ein. Dies führe dazu, dass wir schnell gehen wollen und dadurch „gezwungen“ sind, schnellere Entscheidungen zu treffen. Außerdem kann auch dies unseren Konsum ankurbeln, vor allem, wenn wir viele Teile mit in die Kabine genommen haben. Denn hier kommt ein weiteres psychologisches Konzept ins Spiel: die Versunkene-Kosten-Falle.

Sie beschreibt, dass wir eher an etwas festhalten, in das wir bereits Zeit oder Energie (versunkene Kosten) investiert haben – selbst wenn es unvernünftig ist. Das kann auch dazu führen, dass wir Dinge kaufen, die wir eigentlich nicht brauchen. „Jetzt war ich schon so lange hier, dann muss sich das auch gelohnt haben“, fasst Habel diesen Effekt zusammen.

5. Langes Rückgaberecht? Verführt in Wahrheit zum Behalten

Viele Geschäfte werben mit langen Rückgabefristen. Das senkt die Hemmschwelle, etwas zu kaufen. Habel erklärt, dass Modegeschäfte auf den sogenannten „Besitztumseffekt“ abzielen. „Wir schätzen Dinge in unserem Besitz als wertvoller ein und tun uns schwerer, sie wieder gehen zu lassen, selbst wenn wir sie nicht brauchen“, so die Expertin. Haben wir ein Kleidungsstück erst einmal gekauft, sinke die Wahrscheinlichkeit, dass wir es zurückgeben.

6. Neue Kollektionen und Sales wecken Kaufdrang

Früher gab es in Modegeschäften je eine Winter- und Sommerkollektion pro Jahr – heute wechselt das Sortiment deutlich öfter. Modegeschäfte setzen gezielt auf ständige Neuheiten. Habel erklärt: „Das wird auch entsprechend beworben, weil wir anfällig sind für alles Neue. Neu könnte ja besser sein.“

Auch Sales würden ihr zufolge gezielt genutzt, um uns ins Geschäft zu locken. Wie sehr uns vermeintliche Schnäppchenpreise manipulieren, hat Habel in einem früheren Interview ausgeführt. Zeitlich begrenzte Rabatte etwa spielen ihr zufolge mit der Verlustaversion von Menschen. „Wenn Händler auf zeitlich limitierte Angebote hinweisen, wird suggeriert, man könne einen Verlust vermeiden. Dabei ist es in Wahrheit so: Wenn ich gar nichts kaufe, kann ich noch mehr sparen – nämlich 100 Prozent“, erklärte sie in einem Interview zu den psychologischen Trick von Ultra-Fast-Fashion-Shops wie Shein und Temu. Diese Online-Shops treiben solche Manipulationen auf die Spitze: etwa mit ablaufenden Uhren, die suggerieren, dass ein Rabatt nur noch wenige Minuten gilt.

7. Wirkt noch immer: der alte Trick mit den Fotos

Die wenigsten Menschen haben Modelmaße – das wissen wir. Dass die Fotos im Nachgang am PC bearbeitet werden, wissen wir auch. Trotzdem nutzen Modegeschäfte bis heute Model-Fotos, um ihre Produkte zu präsentieren. Das kommt nicht von ungefähr:

„Wenn ein Kleidungsstück auf dem bearbeiteten Foto am Model toll wirkt, kann das dazu führen, dass uns das Produkt noch attraktiver erscheint“, so Habel.  Unterbewusst wolle man auch so toll aussehen und sich so toll fühlen. „Selbst wenn ich dann im Laden feststelle, dass das Kleidungsstück an mir selbst aber nicht so toll aussieht, probiere ich vielleicht auch noch andere Sachen an, und kaufe letztlich vielleicht davon etwas. Oder mache vor lauter Frust einen Spontankauf als Ausgleich, um mich wieder besser zu fühlen“, so die Expertin.

8. Kleidergrößen absichtlich zu weit oder zu eng?

Apropos Frust: Der erwartet einen in der Umkleidekabine, wenn man in die gewohnte Größe nicht hineinpasst und stattdessen eine – oder sogar zwei – Größen größer kaufen muss. Das kann auch passieren, ohne das man zugenommen hat. Der Stern warf Modeketten wie Zara und Mango vor einigen Jahren vor, gezielt falsche Größen zu verwenden, um ältere Kundschaft zu vergraulen. Denn diese würde oft größere Größen tragen. Umgekehrt gäbe es aber auch Ketten, die gezielt kleinere Größen auf das Etikett schreiben, um der Kundschaft zu schmeicheln. Der Stern wies allerdings auch darauf hin, dass es auch andere Gründe kann: Kleidergrößen könnten etwa deshalb kleiner ausfallen, weil sie sich nicht am deutschen Durchschnitt orientieren, sondern an anderen Ländern. Denn viele Marken orientieren sich bei ihren Größen an internationalen Standards, etwa für den asiatischen Markt.

Anita Habel zufolge haben solche (un)angenehmen Überraschungen in der Umkleidekabine jedoch einen großen Einfluss auf unser Körperbild, weil die Größe stark an gesellschaftliche Schönheitsvorstellungen und Geschlechterrollen geknüpft sei. Bei Frauen solle Kleidung so klein wie möglich ausfallen, weil das suggeriere, dass sie schlank sind. Bei Männern seien eher große Größen gefragt, weil das auf muskulären Körperbau hindeute. „Je eher das erfüllt wird, umso eher kann es einen positiven Effekt aufs eigene Körperbild haben“, so die Expertin. „Und umgekehrt: Je weiter entfernt vom Ideal, umso negativer kann es sich auswirken.“ Bei Frauen sei die Wirkung durchschnittlich stärker.

Tricks der Modegeschäfte: Wie du dich wehren kannst

Psychologin Anita Habel rät, die Mechanismen zu verstehen und sich selbst zu beobachten: „Wofür bin ich besonders anfällig? Und wieso habe ich jetzt wieder ein Teil gekauft, was dann mit Schild im Schrank hängt?“

Außerdem helfen klare Regeln, zum Beispiel: nur einkaufen, wenn man wirklich etwas braucht, Produkte zurücklegen lassen und in Ruhe darüber nachdenken. Ihr persönlicher Tipp: „Ist es kein klares Ja, ist es ein Nein.“ Im Idealfall nimmt man zum Shoppen eine Vertrauensperson mit, der man die Regeln erklärt und die einem hilft, sie einzuhalten.

Utopia.de meint: Unnötiger Konsum geht immer mit Kosten einher – nicht nur für den Geldbeutel, sondern auch für die Umwelt. Zudem werden für günstige Angebote andernorts Textilarbeiter:innen systematisch ausgebeutet. Um Ressourcen zu schonen, solltest du möglichst nur kaufen, was du wirklich brauchst. Besonders ökologisch ist es zum Beispiel, gebrauchte Kleidung zu kaufen – die gibt es günstig in zahlreichen Läden und online. Doch Vorsicht: Auch bei Gebrauchtem ist wichtig, wo und wieviel du es kaufst. Mehr dazu erfährst du in unserer Podcastfolge „Ist Secondhand immer nachhaltig?“.

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