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Ageism: Was die Altersdiskriminierung bedeutet

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Foto: CC0 / Pixabay / congerdesign

Ageism kann Menschen aller Lebensalter treffen: Sie erfahren Vorurteile, Stereotype und Diskriminierung aufgrund ihres Alters. Das kann weitreichende Folgen haben. Wo Ageism stattfindet und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier.

Die Jugend ist faul, aufmüpfig und verantwortungslos, alte Menschen gebrechlich und hilfsbedürftig? Das sind altersspezifische Vorurteile, mit denen wir vielleicht selbst schon konfrontiert wurden oder die unser Denken, Fühlen und Handeln gegenüber einer anderen Person auf eine negative Weise beeinflusst haben. Solche Stereotype sind daher zentraler Bestandteil von Ageism, einer Form der Diskriminierung, die sich gegen Menschen auf der Grundlage ihres Alters richtet.

Ageism durchdringt die gesamte Gesellschaft tiefgehend und kann Menschen eines jeden Alters treffen, so der Global Report on Ageism der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach könnte sich Ageism darin widerspiegeln, dass ein Teenager zum Beispiel Ziel von Spott und Hohn wird, weil er oder sie eine politische Bewegung gründen möchte (siehe Greta Thunberg); dass sowohl jüngeren als auch älteren Menschen eine Stelle aufgrund ihres Alters verweigert wird; dass in manchen Kulturen ein hohes Alter auch mit Hexerei in Verbindung gebracht wird und alte Personen daher ausgegrenzt oder gar vertrieben werden. 

Was ist Ageism?

Ageism betrifft nicht nur alte Menschen.
Ageism betrifft nicht nur alte Menschen.
(Foto: CC0 / Pixabay / Pexels)

In der Apotheken Umschau erläutert Gerontopsychologin Eva-Marie Kessler, dass es bei Ageism um gesellschaftlich tief verankerte Altersstereotype und Ablehnung gegenüber Menschen aufgrund ihres Alters geht. Diese führen dazu, dass man anderen Menschen altersbedingt Chancen und Anerkennung verwehrt, ihre Autonomie einschränkt und ihre Entscheidungsfreiheit aberkennt. Es gäbe bezüglich alter Menschen beispielsweise die gesellschaftliche Erwartung, dass sie sich aufgrund ihrer angeblichen Gebrechlichkeit, Einsamkeit und geringen Leistungsfähigkeit aus dem öffentlichen Leben zurückziehen sollten. 

Laut der WHO umfasst Ageism Stereotype (wie wir denken), Vorurteile (wie wir fühlen) und Diskriminierung (wie wir handeln), die sich gegen Menschen auf der Grundlage ihres Alters richten. Ageism findet dabei auch auf der Ebene von Praktiken, Strukturen und Gesetzen statt. Beispielsweise gäbe es Gesetze, die Personen aufgrund ihres Alters benachteiligen oder ihnen den Zugang zu Ressourcen verwehren. 

Mit dem Begriff „Ageism“ ist nicht „Altendiskriminierung“ gemeint, also eine Diskriminierung, die sich ausschließlich gegen Menschen eines höheren Lebensalters richtet. Etwas besser lässt sich der Begriff als „Altersdiskriminierung“ übersetzen, weil er darauf hinweist, dass jeder Mensch aufgrund seines Alters Diskriminierung erfahren kann. „Ageism“ ist jedoch im Vergleich zu „Altersdiskriminierung“ umfassender: Mit dem Konzept ist nicht nur offene Benachteiligung gemeint, sondern auch Subtileres, wie eben altersspezifische Stereotype oder Vorurteile.

Wo äußert sich Ageism wie?

Ageism kann sich unterschiedlich äußern.
Ageism kann sich unterschiedlich äußern.
(Foto: CC0 / Pixabay / StartupStockPhotos)

Laut der WHO durchdringt Ageism das gesamte öffentliche und private Leben. Die Diskriminierung aufgrund des Alters kann daher auf institutioneller, zwischenmenschlicher und persönlicher Ebene auftreten:

Institutioneller Ageism:

  • Gesetze, Regeln, soziale Normen, Strategien und Praktiken von Institutionen, die die Chancen von Personen unfairerweise einschränken und sie daher basierend auf ihrem Alter systematisch einschränken.
  • Ein Beispiel aus dem Arbeitsmarkt: In Thüringen können Menschen nur bis zum Alter von 33 verbeamtet werden, während die Grenze in allen anderen Bundesländern in die Altersspanne von 40 bis 50 Jahren fällt. Die Diskriminierung gegen Ältere am Arbeitsplatz basiert häufig auf dem Vorurteil, dass mit zunehmendem Alter das Engagement und die Produktivität abnimmt.
  • Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf Ageism im Gesundheitsbereich. Einer Studie zufolge fokussiert sich die globale Gesundheitspolitik auf jüngere Personen, indem sie die meisten Ressourcen auf diese Gruppe konzentriert und daher Forschung zu den gesundheitlichen Problemen von älteren Menschen benachteiligt.

Zwischenmenschlicher Ageism:

  • Dieser entsteht in der Interaktion zwischen zwei oder mehreren Individuen. Beispielsweise äußert sich diese Form der Altersdiskriminierung darin, dass man eine Person aufgrund ihres Alters abwertet („Das ist ziemlich gut für jemanden in deinem Alter“), ihre Fähigkeiten diskreditiert („Du bist zu jung, um das zu verstehen“), oder sie bevormundet oder respektlos behandelt („Du musst erstmal erwachsen werden“, „Ihr Älteren/Jüngeren seid Schuld an…“).
  • Zwischenmenschlicher Ageism kann sich auch in der Art und Weise zeigen, wie wir kommunizieren (lauter, langsamer und/oder in einfacheren Begriffen) und wie wir interagieren (zum Beispiel der Versuch, die vermuteten altersbedingten „Mängel“ einer Person zu kompensieren oder sogar die völlige Vermeidung einer Person).

Verinnerlichter Ageism:

  • Die verinnerlichte Voreingenommenheit und der Glaube, dass man etwas aufgrund des eigenen Alters nicht tun sollte oder könnte („Ich bin zu alt, um eine neue Karriere zu beginnen“; „Ich bin zu jung für …, man wird mich nicht ernst nehmen“).
  • Dieser verinnerlichte Ageism schadet dem individuellen Selbstwertgefühl. Er kann auch beispielsweise die Ängste vor dem Älterwerden verstärken. 

Folgen von Ageism

Ageism wirkt sich auf die Gesundheit, Lebensqualität und Chancen einer Person aus.
Ageism wirkt sich auf die Gesundheit, Lebensqualität und Chancen einer Person aus.
(Foto: CC0 / Pixabay / Kor_el_ya)

Altersdiskriminierung hat schwerwiegende und weitreichende Folgen für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Menschenrechte aller Menschen.

  • Eine Übersichtsstudie der Yale School of Public Health zeigt weitreichende Folgen von Ageism auf die Gesundheit von älteren Personen. Beispielsweise wirkt sich Ageism darauf aus, ob eine Person eine medizinische Behandlung erhält oder nicht sowie auf die Dauer, Häufigkeit und Angemessenheit dieser Behandlung. Oft wird älteren Menschen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt. Das führt laut der Studie zu einer kürzeren Lebenserwartung. Außerdem könnten Altersstereotype Stress auslösen, welcher sich negativ auf die Gesundheit auswirkt. Die WHO betont, dass sich schätzungsweise 6,3 Millionen Fälle von Depressionen weltweit auf Altersdiskriminierung zurückführen lassen. Dies reduziert die Lebensqualität von alten Menschen, unter anderem, weil sie sich dadurch noch stärker in soziale Isolation zurückziehen.
  • Jüngere Personen erfahren die Auswirkungen von Ageism besonders stark am Arbeitsplatz, wie eine Studie von Forschenden an der New York University zeigt. Demnach diskriminieren Arbeitgeber:innen junge Arbeitnehmer:innen oft, indem sie annehmen, dass junge Menschen keine wertvollen Erfahrungen, eine schlechte Arbeitshaltung oder nur wenige brauchbare Fähigkeiten haben. Dies könne zu einem ernsten Problem werden, da viele jüngere Arbeitnehmer:innen Schwierigkeiten haben, eine Stelle zu finden und beruflich voranzukommen. Insbesondere jüngere Frauen erleben in Einstellungsverfahren immer wieder Benachteiligung, weil Arbeitgeber:innen zum Beispiel Ausfälle durch Schwangerschaften oder Kinderbetreuung unterstellen. Daran erkennt man auch, dass Ageism mit anderen Diskriminierungsformen wie Sexismus zusammen auftreten kann. 
  • Verinnerlichter Ageismus kann das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten reduzieren. Einer Studie zufolge spielt verinnerlichter Ageism auch eine Rolle, wenn es um die Bereitschaft älterer Erwachsener geht, sich auf neue Lernprozesse einzulassen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ältere Erwachsene mit einem höheren Grad an verinnerlichtem Ageismus möglicherweise weniger motiviert sind, neue Lernmöglichkeiten wahrzunehmen und weniger offen für Veränderungen sind.

Maßnahmen gegen Ageism

Der Kontakt zu Menschen anderer Altersgruppen kann Vorurteile abbauen.
Der Kontakt zu Menschen anderer Altersgruppen kann Vorurteile abbauen.
(Foto: CC0 / Pixabay / misskodak)

Weil es sich bei Ageism um eine Form der Diskriminierung handelt, die sehr subtil sein kann, nehmen wir sie oft gar nicht bewusst wahr. Trotzdem kann sich Ageism negativ auf uns selbst und andere Menschen auswirken. Daher ist es wichtig, für Ageism zu sensibilisieren und vorbeugende Maßnahmen zu treffen:

  • Einerseits müssen Politik und Gesetzgebung Ageism unterbinden, beispielsweise indem sie die Überprüfung und die Abschaffung von Gesetzen vornehmen, die altersdiskriminierend sind.
  • Am Arbeitsplatz gilt es, die Mitarbeitenden sowie Führungskräfte nicht nur hinsichtlich Sexismus und Rassismus zu schulen, sondern auch über Ageism aufzuklären. 
  • Einer Studie zufolge ist Ageism unter anderem ein Mechanismus, um mit der Angst vor dem Altern und dem Tod umzugehen. Die negativen Einstellungen zu und das Bild über ältere Menschen sollen es ermöglichen, inneren Abstand zu ihnen und den mit ihrem Alter verbundenen negativen Ideen herzustellen. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass der Kontakt zu älteren Menschen die Einstellungen zu dieser Altersgruppe verbessern kann. Denn: Je mehr man über das Alter und das Altern weiß, desto weniger irrationale Ängste können entstehen, die man auf Menschen im hohen Lebensalter projiziert. Du kannst dich also selbst zu einem Teil von Ageism sensibilisieren, indem du bewusst den Kontakt mit älteren Menschen suchst.
  • Ein Guide der WHO bietet praktische Ideen gegen Ageism, die jede:r im Alltag und Berufsleben umsetzen kann. Darin lernst du beispielsweise, wie du diskriminierungsfrei mit oder über Menschen anderer Altersgruppen reden kannst. Gewöhne dir zum Beispiel „der ältere Mann/die ältere Frau“ statt „der alte Mann/der Opa/die alte Frau/die Oma“ an oder inkludiere Altersgruppen in etwa so: „Was wir brauchen, wenn wir jünger sind“ statt „Was junge Menschen brauchen“.

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