Beim Dating suchen viele nach Zeichen für toxisches Verhalten bei potenziellen Partner:innen. Doch auch man selbst kann ungesunde Beziehungsmuster ausleben. Therapeut:innen erklären, worauf man achten sollte.
Verhaltenstherapeutin Julia Kuchar aus Hamburg erklärt gegenüber SZ Jetzt, wie man das eigene Verhalten in Beziehungen kritisch hinterfragt und auf welche Red Flags – also Warnsignale beim Dating – man achten sollte. Psychotherapeut Dirk Stemper gibt gegenüber der Berliner Morgenpost Tipps für Betroffene.
Red Flags an sich erkennen: Eigenreflexion hilft
Red Flags in Beziehungen gibt es viele, zum Beispiel Eifersucht oder Ghosting beziehungsweise andere Formen von manipulativem und grenzüberschreitenden Verhalten. Manche seien schwer zu erkennen, erklärt Kuchar. Man müsse auf das eigene Bauchgefühl hören und Unwohlsein hinterfragen.
Das gilt auch dann, wenn man selbst der Grund für das Unwohlsein ist. Hier hilft der Expertin zufolge Eigenreflexion. „Je mehr man sich selbst mit dem Thema auseinandergesetzt hat, desto besser erkennt man Red Flags, auch an sich selbst“, betont Kuchar.
Außerdem müsse man kritikfähig sein und Feedback einbeziehen können. Wenn man beispielsweise aus dem engen Freundeskreis oder von dem:r Partner:in eine Rückmeldung erhalte, sollte man zumindest über das eigene Verhalten nachdenken. Erhält man kein Feedback, aber zweifelt am eigenen Verhalten, könne man zum Einstieg Fachliteratur zu dem Thema lesen.
Bei Leidensdruck wird die Beziehung toxisch
Ab wann ist eine Beziehung toxisch? „Eine klare Grenze gibt es nicht“, betont die Expertin. Sie verweist aber auf Verhaltensweisen wie systematische Unterdrückung, unter der die andere Person leidet. Dieses Verhalten diene dazu, Macht auszuüben oder das Gegenüber zu kontrollieren. „Und in dem Moment, in dem sich ein Leidensdruck aufbaut, beginnt die Beziehung, toxisch zu werden“, so Kuchar. Sobald man eine solche Red Flag erkennt – auch an sich selbst – sollte man deshalb reagieren.
Erkennt man toxische Verhaltensmuster an sich selbst, müsse man versuchen, diese zu kontrollieren. Die Expertin rät auch dazu, herauszufinden, wieso man sich so verhält.
Als Beispiel nennt sie Eifersucht. Führt diese zum Streit in einer Beziehung, sei das ein Zeichen für ein nicht ausreichend befriedigtes Sicherheitsgefühl. „Dieses Bedürfnis ist subjektiv und liegt so gut wie nie in der Verantwortung der Partnerin“, betont die Therapeutin. Es sei dann ratsam, das Gegenüber nach dessen Gefühlen zu fragen. Ob die Beziehung toxisch ist oder werden könnte, hänge vom empfundenen Leidensdruck des oder der Partner:in ab. „Dieser allerdings wird in solchen Situationen nicht immer klar kommuniziert“, so Kuchar.
Stemper nennt auch das Verdrehen der Wahrheit, um selbst Vorteile zu erlangen oder Konflikte zu vermeiden – oder Manipulation, durch die andere ihre eigene Wahrnehmung hinterfragen. Der Experte betont aber auch: „Es gibt keine ,toxischen‘ Menschen per se, sondern toxische Verhaltensmuster, die durch übermäßige Verstrickung und schädliche Folgen für mindestens einen der Beteiligten gekennzeichnet sind.“ Treten diese zu häufig auf, können sie Beziehungen belasten.
Wie man gegen eigenes toxisches Verhalten vorgeht
Hat man ein Problem festgestellt, sollte man versuchen, dieses zu lösen. Kuchar rät zu konstruktiver Kommunikation und dazu, die eigenen Bedürfnisse zu artikulieren und transparent mit eigenen Problemen umzugehen, auch mit eigenen Triggerpunkten. Dabei würden Formulierungen helfen wie „Wenn du widersprüchliche Signale von mir wahrnimmst, bitte gib mir Feedback dazu, denn ich neige dazu“.
Reicht das Gespräch nicht aus, um das eigenen Verhalten zu ändern, sollte man sich laut Expertin externe Unterstützung suchen. Das können Freund:innen sein, im Zweifel rät sie aber zu Gesprächen mit ausgebildeten Therapeut:innen. Wer keine Therapie eingehen will, könne versuchen, die eigenen Emotionen zu regulieren. Zum Beispiel statt dem toxischen Verhalten mehrmals um den Block laufen oder eine kalte Dusche nehmen.
Stemper rät Betroffenen, an sich und seinen Beziehungen zu arbeiten – mittels Selbstreflexion und Techniken zur Emotionsregulation. „Selbstaufmerksamkeit, Journaling und vor allem professionelle Unterstützung können helfen, negative Emotionen zu kontrollieren und impulsive Reaktionen zu vermeiden. So können auch die zugrundeliegenden Überzeugungen, die toxische Verhaltensmuster antreiben, hinterfragt werden“, so der Experte.
Toxisches Verhalten: Bleibt nur die Trennung?
Aus Rücksicht auf die andere Person kann man sich natürlich auch trennen. Doch darin sieht Kuchar nicht automatisch die Lösung, denn Rückzug sei auch ein gewisses toxisches Verhalten. „Dann entzieht sich die toxische Person der Partnerin und gibt keinerlei Erklärung dazu ab, was wieder zu emotionaler Schädigung führt“, führt sie aus. Die Therapeutin rät dazu, die Probleme zu artikulieren und dem anderen Part die Entscheidung zu überlassen, ob er oder sie darauf eingeht.
Denn auch der nicht-manipulative Teil einer Beziehung müsse manchmal sein Verhalten ändern, welches beim anderen Teil zur Manipulation führt. Die Expertin erklärt das anhand eines Beispiels: Angenommen ein Partner verhält sich kühl, wenn er nicht das bekommt, was er will. Seine Partnerin reagiert mit gesteigertem Interesse und lässt sich manipulieren. Sie könnte aber auch nicht darauf eingehen und selbstbewusst reagieren. Dann würde laut Kuchar auch das toxische Verhalten im Zusammenhang mit ihr abnehmen.
Funktionale Partner:innen, die gesund kommunizieren, können der Expertin zufolge auch bestimmte Verhaltensweisen positiv beeinflussen – solange der manipulative Part offen kommuniziert und an seinem Verhalten arbeitet.
Verwendete Quellen: SZ Jetzt, Berliner Morgenpost
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