Seitdem Kryptowährungen wie Bitcoin die Finanzwelt durcheinanderwirbeln, interessieren sich alle für Blockchain. Die Technik, auf der Bitcoin basiert, ist auch ideal für dezentrale und regionale Öko-Projekte. Utopia erklärt Blockchain und was man damit Gutes machen könnte.
So bunt und vielfältig wie ein Bio-Wochenmarkt präsentiert sich die Szene für nachhaltige und fair gehandelte Produkte oder Dienstleistungen. Egal, ob Landwirtschaftskooperative, Kartoffel-Kombinat, Reparaturwerkstatt für Elektrogeräte, Bikesharing oder Bio-Imkerei – jeder Anbieter hat seine eigene Geschäftsidee, macht sein eigenes Ding.
Wer sich die Konzepte genau ansieht, erkennt aber doch ein paar Gemeinsamkeiten. Alle sind unabhängig von Großkonzernen, setzen auf dezentrale Strukturen und konzentrieren sich sowohl bei der Herstellung der Produkte als auch bei Zulieferern auf die eigene Region. Das ist das, was auch Verbraucher wollen, die an Nachhaltigkeit interessiert sind. Noch besser ist es, wenn das Angebot auch transparent ist, wenn du als Käufer also genau weißt, wann und wo der Bio-Honig geerntet wurde, um nur ein Beispiel zu nennen.
Im digitalen Zeitalter, in dem Waren und Dienstleistungen übers Internet oder via Smartphone-Apps organisiert werden, stellt sich die Frage, ob solche innovativen Geschäftsmodelle nicht auch im Internet möglich sind.
Die Antwort lautet: Es gibt sie sogar schon. Das Stichwort hierfür heißt Blockchain. Tech-Blogs, Finanzportale und Wirtschaftsmagazine sind derzeit voll mit Artikeln über den neuesten Internet-Hype.
Die Vorteile von Blockchain
Blockchain ist eine Internet-Technologie, mit der sich Transaktionen aller Art (Geld, Waren, Dienstleistungen) organisieren lassen. Blockchain arbeitet völlig unabhängig von Konzernen und Großunternehmen, ist dezentral organisiert und sowohl für Anbieter als auch Kunden transparent. Zudem gelten Blockchain-Plattformen als sehr sicher. Jede Transaktion wird so gespeichert, dass sie nachträglich nicht mehr manipulierbar ist. Auch für regionale Angebote ist die Technik ideal.
Bekannt geworden ist die Technologie vor allem durch den Hype um die Kryptowährung Bitcoin, die auf dieser Technik basiert.
Blockchain passt auch deshalb so gut zum Internet, weil es die Grundidee des World Wide Web aus den Anfangstagen aufleben lässt. Nämlich die Idee von der dezentralen Infrastruktur, die sich nicht kontrollieren oder abschalten lässt.
Doch wie genau funktioniert die Technik mit den „Blöcken an der Kette“? Wer sich auf den zahlreichen Infoseiten zum Thema einlesen möchte, merkt schnell: Die Technik ist kompliziert und nicht wirklich leicht zu verstehen. Da ist dann die Rede von Hashwerten, Merkle-Bäumen, Proof-of-Work oder dem Problem der byzantinischen Generäle.
Das ist im Prinzip nur für Spezialisten und IT-Nerds wirklich durchschaubar – deshalb hier der Versuch, das Ganze etwas anschaulicher zu machen.
Wie Blockchain funktioniert
Der erste Schritt bei Blockchain besteht darin, dass sich mehrere oder viele Teilnehmer gleichberechtigt zu einem Projekt zusammenschließen, bei dem es darum geht, die Transaktion von Daten, Waren, Dienstleistungen oder Werten zu regeln. Eine zentrale Instanz, die alle Regeln vorgibt und für das Projekt verantwortlich ist, existiert nicht.
Selbstverständlich wird jede Transaktion sorgfältig dokumentiert, ganz wie in einem Kassen- oder Haushaltsbuch. Oder wie im Kontoauszug der Bank. Allerdings gilt gerade hier das Prinzip, das alles dezentral ist. Das Kassenbuch wird nicht von einer zentralen Instanz gespeichert und kontrolliert, es wird vielmehr von allen Beteiligten gemeinsam geführt und kontrolliert.
Die entsprechende Datei mit allen Einträgen wird deshalb auch auf den Rechnern aller Beteiligten gespeichert, ist also in vielfacher Ausführung vorhanden. Das macht das System so sicher. Wollte man einen Eintrag, beispielsweise den Transfer von Geld manipulieren, müsste man das auf allen Rechnern gleichzeitig machen. Das ist nahezu unmöglich.
Jede neue Transaktion bzw. eine Gruppe von Transaktionen wird verschlüsselt in einem Block abgelegt, vergleichbar mit einer neuen Seite im Kassenbuch. Nun muss man nur noch gewährleisten, dass die neue Seite im Kassenbuch auch wirklich zu diesem Buch gehört.
Dazu wird eine Prüfsumme generiert, die eine neue Seite untrennbar mit allen vorhergehenden verbindet. Daher auch der Name Blockchain, eine Kette von Blöcken, die untrennbar miteinander verbunden sind. Damit sind alle Transaktionen sicher dokumentiert, von allen Mitgliedern akzeptiert und auch im Nachhinein unveränderbar. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Blockchain-Plattform für alle Nutzer sehr transparent ist, da alle sich ein System teilen.
Die Nachteile der Kryptotechnik
Einen gewichtigen Nachteil hat die Blockchain aber doch, das gilt zumindest für den Typ, auf dem Bitcoin basiert. Dessen Blockchain nutzt beim Anhängen neuer Blöcke nämlich das sogenannte Proof-of-Work. Dabei muss eine Rechenaufgabe gelöst werden. Diese lässt sich so lösen, dass die Aufgabe so oft bearbeitet wird, bis eine vorher feststehende Zahl gelöst ist, bzw. die Prüfsumme eine vorher definierte Eigenschaft (beispielsweise zwei Einsen am Ende) aufweist. Das sorgt zwar für Sicherheit, doch die intensive Rechenarbeit beim Erstellen von Prüfsummen, das sogenannte Mining, verschlingt enorme Rechenkapazität und dementsprechend auch sehr viel Energie.
Der extrem hohe Energieverbrauch dieser Blockchain-Variante macht sie eigentlich untauglich für ökologisch nachhaltige Projekte. Inzwischen gibt es aber neue, weniger rechenintensive Konzepte, beispielsweise den Proof-of-Stake-Ansatz, bei dem beispielsweise die Zahl der Anteile an einer Kryptowährung ausschlaggebend ist. Die Digitalwährung Etherium arbeitet damit.
Die Vorteile von Blockchain ziehen inzwischen immer mehr Startups an, viele auch aus der Ökoszene. Die basteln sich daraus spannende Geschäftsmodelle.
Was Marktforscher sagen
Das Marktforschungsinstitut LSP Digital schätzt, dass es in Deutschland insgesamt 120 Startups gibt, die mit Blockchain arbeiten. Mehr als die Hälfte der Unternehmen haben ihren Sitz in Berlin. Die Zahlen stammen vom April 2018.
Dass die Technik bisher noch nicht so richtig durchgestartet ist – Bitcoin gibt es schließlich schon seit 2009 – liegt auch daran, dass Regierungen, etablierte Unternehmen und Finanzinstitute, das basisdemokratische Treiben der Blockchain-Anhänger misstrauisch beäugen. Für klassische Geschäftsmodelle ist die Technologie eine echte Herausforderung.
Nicht unterschätzen sollte man auch die Komplexität der Blockchain. Gut gemachte Anwendungen sind zwar leicht zu bedienen, doch anders als bei Smartphone-Apps bleibt der große Run bisher aus. Vielleicht auch deshalb, weil die Technik als anspruchsvoll und schwer zu vermitteln gilt.
Es überwiegen trotzdem die Vorteile. Die Blockchain erleichtert viele neue, regional orientierte und nachhaltige Geschäftsmodelle möglich. Überall da, wo kleine Transaktionen, schnell, automatisiert, dezentral und für alle transparent organisiert werden müssen, bietet sich die Technik an. Das kann das Bikesharing-Konzept in der Großstadt sein, bei dem der Kunde das Bike über eine Smartphone App öffnet und dabei einen entsprechenden Buchungsvorgang auf der zugrundeliegende Blockchain initiiert. Oder man verwendet die Technik für den Austausch von Handwerkerleistungen und Reparaturdiensten in der Nachbarschaft, der über eine Blockchain mit begrenzter Teilnehmerzahl organisiert wird.
Blockchain-Startups für eine bessere Welt
Denkbar sind viele Modelle. Einige Beispiele stellen wir hier vor:
Öko-Strom: Tal.Markt
Der Dienst verbindet regionale Energieerzeuger direkt mit den Stromkunden. Die Betreiber von Windkraft-, Solar-, Biomasse- oder Wasserkraftanlagen bieten ihren Ökostrom an. Die Kunden stellen sich ihren individuellen Strom-Mix zusammen. Die Auswahl lässt sich jederzeit verändern. Zwischenhändler oder große Energiekonzerne bleiben außen vor. Dafür kommen auch kleine Anbieter von Ökostrom zum Zuge, die mindestens 30 kW Strom liefern können.
Sowohl die Abrechnung als auch die Verbrauchsdaten sind in der Blockchain gespeichert.
Hinter dem Angebot steckt der WSW Energie & Wasser AG aus Wuppertal. Dementsprechend ist der Dienst vorerst auf die Region Wuppertal begrenzt.
Tal.Markt ist das Ergebnis einer Kooperation mit der Schweizer Axpo-Gruppe. Die Schweizer steuern die Blockchain-Plattform namens Elblox bei.
Solarstrom: Solarcoin
Wer Solarstrom erzeugt, bekommt hier Prämien. Solarcoin funktioniert ähnlich wie die Meilenprogramme der Fluggesellschaften. Mitmachen können professionelle Energieerzeuger aber auch Hausbesitzer mit Solarzellen auf dem Dach. Für 1 MwH Strom gibt es eine Solarcoin, wie man in der digitalen Brieftasche (Wallet) speichert.
Infos: solarcoin.org
Nachhaltiges Finanzsystem: TREEEC
Das ambitionierte Konzept dieser Kryptowährung zielt auf ein „privatwirtschaftliches, übernationales Wirtschafts- und Finanzsystem und eine Wirtschaftsorganisation besonderer Art“. Eine besondere Rolle spielen dabei Genossenschaftsanteile und Beteiligungen an nachhaltigen Unternehmen. Genaueres verrät die Initiative noch nicht, das Projekt ist noch im Aufbau.
Infos: treeec.money
Ökostrom: StromDAO
Ein Ökostromtarif mit Treueprogramm, das wiederum in neue Ökostrom-Erzeugung gesteckt wird. Der Kunde kann den Bonus entweder selbst behalten oder in den Aufbau neuer Ökostrom-Anlagen stecken.
Infos: stromdao.de
Lieferketten-Check: Provenance
Ein Problem bei Konsumprodukten und insbesondere bei Lebensmitteln, die mit Gütesiegeln wie „Fair trade“ oder „Bio“ versehen sind, ist die Verfolgung der Lieferkette.
Das Blockchain-Projekt Provenance soll eine lückenlose Verfolgung der Lieferkette ermöglichen. Jedes Produkt im Laden ist mit einer ID ausgestattet. Der Kunde kann über sein Smartphone die Produktions- und Lieferkette für dieses Produkt nachverfolgen. Ein Pilotprojekt in Indonesien soll das Potenzial der Technik bei der Lieferkette von Thunfisch demonstrieren.
Infos: www.provenance.org
Musikrechte: Ujo
Ujo ist eine Datenbank zum Verwalten der Rechte an Musik. Bands und Musiker:innen definieren die Nutzungsrechte für ihre Musik selbst. Einnahmen werden dabei automatisch gutgeschrieben und verwaltet.
Infos: ujomusic.com
Lieferketten-Check: Circulor
Der Blockchain-Anbieter aus London hat sich auf die Verfolgung von Lieferketten für die Hersteller von Elektroautos spezialisiert. Hersteller können damit beispielsweise prüfen, aus welchen Minen das Mineral Coltan stammt, das in Elektronikbauteilen steckt.
Infos: www.circulor.com
Fazit: Der Hype geht, Blockchain bleibt
Eine faszinierende neue Technik überrollt das Internet, und macht die Welt zu einem besseren Ort. Da müssen wir dich enttäuschen, das kann Blockchain nicht leisten. Die Technik ist dafür zu komplex. Außerdem bremsen etablierte Unternehmen den schnellen Siegeszug von Blockchain-Projekten. Allerdings sind die Vorzüge dezentrale Verwaltung, Transparenz und Sicherheit starke Argumente. Gerade für die junge Generation der Digital Natives, die es gewohnt sind, Privatleben, Job, Freizeit und Konsum am Smartphone oder am Notebook zu organisieren. Die sind auch bereit, sich für ökologisch sinnvolle Projekte zu engagieren. Deshalb werden wir in Zukunft sicher viele nachhaltige Startups auf Blockchain-Basis erleben, die eine Alternative zu Ikea, Amazon & Co bilden. Der Hype geht, Blockchain bleibt.
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