In Deutschland sind inzwischen viele Dinge erlaubt, die lange Zeit verboten waren. Doch nicht jede:r fühlt sich wohl mit den Corona-Lockerungen. Was es mit dem sogenannten „Cave-Syndrom“ auf sich hat.
Noch ist das Coronavirus nicht besiegt und deshalb ist weiterhin Vorsicht geboten. Doch die Inzidenz in Deutschland sinkt allmählich und immer mehr Menschen haben ihre Impfung erhalten – deshalb wurden die Beschränkungen deutschlandweit gelockert. Die Gastronomie ist vollständig geöffnet, Treffen mit Freund:innen gehören wieder zur Routine und die Menschen kehren für ihre Arbeit in die Büros zurück.
Das ist an sich ein Grund zur Freude. Aber es gibt auch Menschen, die sich schwertun mit den wiedergewonnen Freiheiten. Laut einer Studie der American Psychological Association fühlten sich 49 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung unwohl bei dem Gedanken an persönlichen Umgang nach der Pandemie. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der oder die betreffende Erwachsene geimpft sei. Auch in Deutschland macht dieses Phänomen von sich reden. Expert:innen bezeichnen es als „Cave-Syndrom“.
Cave-Syndrom: Das steckt dahinter
Ein Leben wie vor der Pandemie führen – nicht jede:r fühlt sich wohl bei dem Gedanken. Das sogenannte „Cave-Syndrom“ ist aber keine Krankheit, sondern eine vollkommen normale Erscheinung – so sieht das zum Beispiel der Psychiater Claas-Hinrich Lammers. Er erklärte gegenüber Deutschlandfunk: „Wir haben eineinhalb Jahre mit dieser Angst gelebt, mit der Vorsicht gelebt, das kann man nicht sofort ablegen.“
Diese antrainierten Ängste würden mit der Zeit wieder weichen. Aber das braucht eben seine Zeit. Auch die Persönlichkeit macht einen Unterschied dabei, wie schnell man Ängste ablegen kann: „Die Menschen, die ängstlicher sind, brauchen länger“, so Lammers.
Angst vor dem Coronavirus ist begründet
Der Begriff Cave-Syndrom suggeriert, dass die damit verbundenen Ängste irrational sind. Das stimmt aber nicht: Das Coronavirus birgt nach wie vor ein gesundheitliches Risiko. Immunolog:innen raten dazu, weiterhin Masken zu tragen, um eine Ansteckung zu verhindern. Sich vorsichtig zu verhalten, ist also nicht nur nachvollziehbar, sondern auch angebracht.
Gleichzeitig ist bekannt, dass die Coronakrise die Psyche belasten kann. Laut einer Umfrage der Krankenkasse Pronova stellten 82 Prozent der Ärztinnen und Ärzte bei ihren Patient:innen häufiger Probleme mit Angstzuständen fest als vor der Krise.
Handelt es sich bei den eigenen Emotionen um eine normale Gefühlslage oder eine ernstzunehmende Angststörung? Entscheidend für die Abwägung sei der persönliche Leidensdruck der Menschen, erklärt der Angstforscher Georg Alpers von der Universität Mannheim in einem Artikel der Tagesschau. Wenn jemand sage, er würde gern wieder raus gehen, aber er könne nicht, weil die Angst zu groß sei, bestehe der Verdacht auf eine Angststörung.
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Cave-Syndrom: Was du tun kannst
Wer vom „Cave-Syndrom“ betroffen ist oder einfach vorsichtig sein möchte, muss nicht auf soziale Kontakte verzichten. Anbei ein paar Tipps, die dir im Alltag weiterhelfen können:
- Nimmt dir Zeit. Auch wenn jetzt wieder mehr Dinge erlaubt sind: Du musst dich nicht sofort wieder in den Alltag stürzen. Triff andere in dem Maße, mit dem du dich wohlfühlst und das deinem Sicherheitsempfinden entspricht.
- Erkläre deinem Umfeld, was dich belastet. Wenn du eine Verabredung absagst oder lieber online abhalten möchtest, dann erkläre warum. Ein offener Umgang mit Sorgen wirkt befreiend und macht es anderen leichter, auf dich einzugehen.
- Habe keine Angst vor unangenehmen Situationen. Sich nach einem Jahr Kontaktbeschränkungen ein bisschen unwohl im Umgang mit anderen zu fühlen, ist normal – und du bist damit sicher nicht der oder die Einzige.
- Bedenke: Vorsicht ist nichts Schlechtes. Die aktuellen Maßnahmen stellen nur ein Mindestmaß an Sicherheitsanforderungen dar. Wenn dir zusätzliche Maßnahmen aufgrund der aktuellen Situation in deiner Region sinnvoll vorkommen, dann halte sie ein und erkläre anderen, wieso du das tust.
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