Dürfen Christen nach Zinsen und Renditen streben? Sind Geldanlagen im Bereich Atomkraft und Gentechnik aus Glaubenssicht erlaubt? Die Antwort auf diese Fragen zeigt überraschende Parallelen zum Wertekanon der „Nachhaltigkeit“, findet ECOreporter-Chefredakteur Jörg Weber in diesem Gastbeitrag.
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Wer sich mit dem Thema „nachhaltige Geldanlagen“ beschäftigt, stößt früher oder später auch auf das Thema „christliche Geldanlage“. Denn Renditen, Dividenden, Zinsen sind zwar schnöder Mammon, doch eine Geldanlage ist Christen nicht grundsätzlich verboten. Ausgehend von den Wertevorstellungen innerhalb des christlichen Glaubens ergeben sich analog zur Nachhaltigkeit Regeln, die für oder gegen eine Investition sprechen.
„Geld ist eine Recheneinheit, sozusagen das Schmiermittel, das den reibungslosen Ablauf des Wirtschaftslebens gewährleisten soll“, sagt Dr. Helge Wulsdorf, Theologe und Bankkaufmann und Nachhaltigkeitsbeauftragter der Bank für Kirche und Caritas in Paderborn. Aber er warnt auch, dass Geld nicht ethisch neutral sei. „Man kann es benutzen, aber eben auch missbrauchen. Mit ihm lässt sich Positives wie Negatives erreichen“, so Wulsdorf. Hier findet sich schon die erste Parallele zu rein nachhaltigen Geldanlagemöglichkeiten, die es eben auch vorziehen, im Sinne der Nachhaltigkeit positives zu bewirken.
Weitgehende Einigkeit herrscht in einem Punkt: Privateigentum ist zulässig, denn es dient dem Ziel, den Lebensunterhalt dauerhaft abzusichern. Kein Ziel ist es aber, derart viel Geld anzuhäufen, dass etwa Arbeit überflüssig wird. Und während das Register des Katechismus der Katholischen Kirche, ihrem Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens, das Stichwort Geld nicht auftaucht, ist Jesus Haltung überliefert – und ziemlich eindeutig: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Matthäus 6,24; Lukas 16,13).
Geld christlich-nachhaltig einsetzen
Sind Geldanlagen also aus christlicher Weltsicht verboten? Wulsdorf weist auf die Zeitumstände hin, aus der Jesus Aussage stammt: „Weite Teile der Bevölkerung litten damals unter mehrfacher Besteuerung. Immer mehr Besitz konzentrierte sich in immer weniger Händen.“ Direkte Grenzen der Geldanlage lassen sich also aus Jesus Worten nicht herleiten.
Ohnehin müsse die Theologie nicht zwangsläufig über Wert und Unwert des Geldes befinden, so Wulsdorf. Vielmehr gehe es darum, die Gefahren im Umgang mit Geld aufzudecken und eine verantwortungsvolle Position gegenüber dem Geld einzunehmen. „Im Grundsatz gilt: Zinsen sind erlaubt. Aber nur, wenn jemand damit nicht die Notlage eines anderen ausnutzt“, erläutert Wulsdorf. Auch hier sind die Parallelen zu beispielsweise Öko-Banken unübersehbar, bei denen auch soziale Aspekte im Vordergrund stehen.
Umweltschutz und Schöpfungsgedanke
Auch Öko- und Umweltschutzideen lassen sich aus dem Christentum ableiten. „Das biblische Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25, 14-30) besagt, wir haben mit dem uns anvertrauten Geld zu wirtschaften. Wir dürfen, ja wir sollen unsere Talente sogar einsetzen, um Zinsen zu bekommen“, erläutert Pastor Andreas Kalkowski, Leiter des Evangelisch-Lutherischen Bildungs- und Tagungszentrums „Haus am Schüberg“ in Hamburg.
Doch Zinsen einnehmen, Renditen erzielen – das setzt ein Wirtschaftssystem voraus. Jede Wirtschaft greift jedoch in die Natur und damit in die göttliche Schöpfung ein. Ein Widerspruch? Wulsdorf verneint und verweist auf den biblischen Schöpfungsauftrag: „Gott, der Herr, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren“ (Buch Genesis/ 1. Mose 2,15). Der jahrtausendealte Text der Schöpfungsgeschichte beschreibt damit genau das Spannungsfeld, in dem wir uns heute befinden.
Wie viel Bebauung oder – extremer formuliert – Vernichtung ist verantwortbar, und wie viel Bewahrung ist notwendig, um die Schöpfung nachhaltig sichern zu können? „Als christlicher Anleger muss ich mich daher ernsthaft damit auseinandersetzen, ob meine Geldanlage zerstörerische Kräfte freisetzt oder ob sie zukunftsweisende Wirtschafts- und Gesellschaftspraktiken fördert“, sagt Wulsdorf.
Biblischer Schöpfungsauftrag und christlich-nachhaltig orientierte Geldanlage lägen damit ganz dicht beieinander. „Nachhaltige Geldanlagen bieten die Möglichkeit, dem Schöpfungsauftrag gerecht zu werden. Dieser Verantwortung kann sich der Anleger heute nicht mehr entziehen!“, betont er.
Konkrete Weisung, wo Christen nicht investierten sollen
- Menschenwürde. Dr. Wolfgang Palaver, Professor für Christliche Gesellschaftslehre, erklärt: Tabu sind alle Investments, die mit der Verletzung der Menschenwürde einhergehen. Dazu zählen laut Palaver die sogenannte verbrauchende Embryonenforschung, Abtreibungsmittel, Euthanasie und Todesstrafe. Im weitesten Sinne könnte man aber sicher auch unethische Arbeitsbedingungen oder Rohstoffe aus Konfliktregionen hier einordnen.
- Waffen und Rüstung. Da Waffen und Rüstungsgüter immer auch für Angriffe eingesetzt werden können, widersprächen sie dem Friedensauftrag der Kirchen, heißt es im Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage der evangelischen Kirche. Sie verweist für Näheres auf das Kriegswaffenkontrollgesetz.
- Atomkraft. Die Atomenergie gilt bei Kirchenbanken und Theologen als tabu. Professor Palaver drückt es so aus: „Zu hohe Risiken, keine Nachhaltigkeit.“
- Gentechnisch verändertes Saatgut. Der Leitfaden der evangelischen Kirche schließt Gentechnik in der Pflanzenzüchtung zwar nicht generell aus, untersagt aber Investitionen in Unternehmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen erzeugen.
- Kinderarbeit. Ausbeuterische Kinderarbeit sei unannehmbar, besagen zum Beispiel die Anlagekriterien der Paderborner Bank für Kirche und Caritas. Dazu gehörten Arbeit für Kinder unter 13, Zwangsarbeit, Einsätze als Kindersoldaten, lange Arbeitszeiten und Nachtarbeit.
- Tierversuche. „Tierversuche, die über rein medizinisch-wissenschaftliche Anliegen hinausgehen, sind moralisch verwerflich“, sagen beispielsweise die Investitionskriterien der Bank für Kirche und Caritas in Paderborn.
Kurzum: Es gibt erstaunlich viele Berührungspunkte zwischen „nachhaltigen“ und „christlichen“ Investitionen. Denn die Schöpfung zu bewahren bedeutet vielfach, bestimmte Tätigkeiten schlicht zu unterlassen – ob es sich nun um Fracking oder um das Aussäen von gentechnisch veränderten Pflanzen handelt.
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Christliche Geldanlagen: drei Beispiele
BKC Aktienfonds: Der BKC Aktienfonds folgt christlichen Werten: Die Bank für Kirche und Caritas (BKC) schließt beispielsweise Kinderarbeit und Pornographie aus, die Spekulation mit Agrarrohstoffen und auch den unfairen Hochfrequenzhandel, bei dem sich Profi-Investoren mit blitzschnellen Computerprogrammen Vorteile im Aktienhandel verschaffen. Die katholische Kirchenbank aus Paderborn lässt die Nachhaltigkeit von Konzernen ausführlich prüfen, bevor sie investiert.
LIGA-Pax-Rent-Union: Zwei katholische Kirchenbanken aus Deutschland haben den LIGA-Pax-Rent-Union (ISIN DE0008491226) gestartet: die Regensburger LIGA Bank und die Kölner Pax Bank. Dieser nachhaltige Rentenfonds orientiert sich an christlicher Ethik. Zum Beispiel sind für ihn Wertpapiere von Atomkonzernen tabu und von Unternehmen, die von Abtreibung profitieren. Auch Anleihen von Staaten, die die Todesstrafe anwenden, kommen nicht in Frage. Der Fonds investiert stark in Pfandbriefe, also in besonders sichere Wertpapiere.
Steyler Fair und Nachhaltig – Aktien: Auch der Fonds Steyler Fair und Nachhaltig – Aktien (ISIN DE000A1JUVL8) nimmt direkt Kontakt mit Unternehmen auf, um sie zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. So genannte Steyler Ethik-Scouts (insbesondere aus den Missionsstationen der Steyler Missionare in Entwicklungsländern) liefern dafür wichtige Informationen über das lokale Handeln der Aktienunternehmen. Aus jeder Branche kommen nur die nachhaltigkeitsbesten Firmen für den Fonds in Frage. Sie dürfen keine Geschäfte mit Atomkraft, Glücksspiel, Abtreibung oder Rüstung machen. Der Fonds hat das ECOreporter-Siegel für nachhaltige Geldanlagen erhalten.
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