Critical Mass bist du unwissentlich vielleicht auch schonmal begegnet. In beinahe jeder größeren Stadt treffen sich dabei hunderte von Radfahrer:innen. Wir erklären, was genau hinter der Bewegung steckt.
Critical Mass („kritische Masse“) ist eine internationale Bewegung, die es bereits seit den 1990ern gibt – auch in Deutschland. Scheinbar zufällig trifft sich eine Gruppe von Radfahrenden und fährt gemeinsam durch die Stadt.
Ziel ist es dabei nicht, den Verkehr zu blockieren, sondern lediglich auf die Rechte von Radfahrer:innen und die Fahrradkultur aufmerksam zu machen. Die Massen-Radtour erfolgt unter der Einhaltung der Straßenverkehrsordnung.
Wie sieht es rechtlich aus mit der Critical Mass?
Der § 27 der STVO besagt, dass mehr als 15 Radfahrer:innen, die erkennbar gemeinsam fahren, als Verband gelten. Sie haben das Recht, zu zweit nebeneinander zu fahren und eine Fahrbahn zu benutzen. Ein Radfahrerverband darf während der ganzen Fahrt zusammenbleiben – alle dürfen also gemeinsam über eine Kreuzung mit grüner Ampel fahren und die hintere Hälfte muss auch dann nicht stehen bleiben, wenn sie rot wird. Außerdem müssen die Radfahrer:innen als Verband auch nicht auf dem Radweg bleiben.
Diese Regelungen können Teilnehmende bei einer Critical Mass für sich nutzen. Es gibt jedoch keine:n offizielle:n Organisator:in oder Verantwortlichen der Critical Mass, alle treffen sich scheinbar zufällig. Das bedeutet auch: Angemeldet wird die Stadtradtour bei den Behörden nicht.
Entwicklung der Critical Mass
Die erste deutsche Critical Mass fand 1997 in Berlin statt, mit gerade einmal zehn bis 20 Teilnehmer:innen. Ein halbes Jahr später waren es schon 400 bis 500.
Heute gibt es Teilnehmer:innen in allen großen und auch einigen kleineren Städten. Oft treffen sie sich jeden letzten Freitag im Monat und fahren gegen 18 Uhr abends los. Manche freuen sich einfach auf eine abendliche Stadtradtour, andere fahren eher politisch motiviert mit. In manchen Städten sind es nur eine Handvoll Radfahrer:innen, in anderen mehrere Tausend. Zu den größten Bewegungen in Deutschland zählen Berlin, Hamburg, Stuttgart, Köln und Nürnberg.
Genaue und aktuelle Zahlen sind wegen der dezentralen Struktur nur schwer zu finden. Für Veranstaltungen vor der Covid-19-Pandemie existieren zum Teil sehr genaue Daten: 18.267 Teilnehmer:innen verzeichnete die Website für Critical Mass vom Mai 2018, allein 8.000 davon in Berlin. Aber auch Hamburg und Stuttgart lockten in demselben Monat sehr viele Menschen mit ihren Rädern nach draußen: über 2.500 in Hamburg und fast 2.000 in Stuttgart.
Die größte Critical Mass überhaupt fand 2013 in Budapest statt: Hier setzten sich rund 100.000 Radfahrer:innen auf ihre Fahrräder.
Hintergründe der Critical Mass
„Wir blockieren den Verkehr nicht, wir sind der Verkehr“, ist das Motto der Bewegung. Das herausragendste Merkmal ist das „regelmäßige, zufällige Treffen“ ohne Veranstalter:innen oder offiziellen Koordinator:innen. Es gibt keine hierarchischen Strukturen und keine organisierende Vereine. Critical Mass ist außerdem eine vollständig friedliche Bewegung, bei der alle angehalten sind, sich an die allgemeinen Verkehrsregeln zu halten.
Einzelne Bewegungen hatten einen konkreten politischen Hintergrund, wie die Critical-Mass-Bewegung 2004 in New York: Tausende protestierten gegen den Parteitag der Republikaner. Durch eine fehlende Veranstaltungsleitung sind aber grundsätzlich keine einheitlichen politischen Forderungen ableitbar. Vielmehr geht es um eine allgemeine Sensibilisierung für Politik.
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Überarbeitet von Denise Schmucker
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