In Deutschland hält schätzungsweise jeder vierte Haushalt eine Katze – kein anderes Haustier ist so verbreitet. Doch die Tiere stehen auch in der Kritik: Dürfen sie nach draußen, machen sie Jagd auf Vögel und andere Tiere und sollen zum Artensterben beitragen. Sollte man die Tiere deshalb nur drinnen halten? Expert:innen ordnen ein.
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Gefährden Katzen durch ihr Jagdverhalten die Artenvielfalt? Darauf deutet unter anderem eine US-amerikanische Studie von 2013 hin, die im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde. Ihr zufolge würden Katzen in den USA jährlich zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere töten. In Deutschland sollen die Tiere Schätzungen zufolge rund 200 Millionen Vögel jährlich töten. In Zeiten des Artensterbens ein schlimmer Vorwurf – was ist dran?
Bedrohen Katzen die Artenvielfalt in Deutschland?
Der ehemalige NABU-Vogelexperte Lars Lachmann hält solche kursierenden Zahlen eher für übertrieben. Auf der Webseite des Naturschutzbundes erklärt er, die Studie weise zwar auf eine wichtige Problematik hin. Doch in menschlichen Siedlungsbereichen würden Vogelbestände eher zunehmen, in Agrarlandschaften und in Wäldern gingen sie hingegen zurück.
„Diese Rückgänge den Katzen anlasten zu wollen, wäre daher viel zu einfach“, so der Experte. „Die größte Bedrohung für die Artenvielfalt ist und bleibt die fortschreitende Verschlechterung von Lebensräumen durch den Menschen.“
Auch Moira Gerlach, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, kritisiert gegenüber Utopia, dass für Deutschland keine wissenschaftlich repräsentativen Studien vorliegen, die belegen, welchen Anteil Katzen am Rückgang von Vogelpopulationen haben. Katzen würden zudem vor allem Tierarten jagen, die häufig sind und relativ gut gefangen werden können.
„Sie erbeuten daher vor allem Mäuse, wie zahlreiche Studien belegen“, so die Expertin. Erbeuten sie doch Vögel, handle es sich überwiegend um verbreitete Arten wie Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Finken und Sperlinge. Auch Insekten sowie Frösche, Molche, Eidechsen und Blindschleichen gehören ihr zufolge zum Beutespektrum. „Das ist zwar nicht wegzudiskutieren und sicherlich auch aus Tier- und Artenschutzsicht nicht erwünscht, aber insgesamt hat die Lebensraumqualität auf Tierpopulationen einen stärkeren Einfluss als Katzen und andere Beutegreifer“, stellt Gerlach klar.
Was ist für meine Katze besser: ein Leben in der Wohnung oder als Freigänger?
Kann man Katzen auch in der Wohnung artgerecht halten? Gerlach vom Deutschen Tierschutzbund betont: „Ob eine Katze Freigang braucht oder auch als Wohnungskatze glücklich sein kann, hängt unter anderem von Wesen, Alter und dem Gesundheitszustand des Tieres ab.“
Wohnungskatzen bräuchten vermehrte und abwechslungsreiche Beschäftigung. Die Wohnung sollte folgendes bieten:
- mindestens zwei Zimmer
- Versteck- und Klettermöglichkeiten, auch in die Höhe
- ausreichend Katzentoiletten und Kratzmöglichkeiten
- mehrere, auch erhöhte Schlafplätze
- die Möglichkeit zur Sicht nach außen (z. B. Liegeplatz auf der Fensterbank)
- einen Futterplatz möglichst entfernt von Toiletten und Wasserstellen
- idealerweise Zugang zu einem gesicherten Balkon
Außerdem rät die Expertin dazu, Wohnungskatzen zu zweit zu halten, damit sich die Tiere gemeinsam beschäftigen können. „Auch der Mensch sollte sich mit Wohnungskatzen intensiver beschäftigen und mit ihnen spielen und Gelegenheit zu enger Kontaktaufnahme geben“, so Gerlach. Sie empfehlt auch „Activity Feeding“ (als das Erarbeiten von Futter) oder „Fummelbretter“, um die Tiere geistig zu fordern.
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Und Freigänger? „Katzen, die Freigang haben, profitieren von reichlich Bewegung und viel Abwechslung, außerdem können sie dadurch ihre natürlichen Verhaltensweisen, wie das Jagd- und Erkundungsverhalten, besser ausleben“, so die Expertin. Dies biete sich vor allem in verkehrsberuhigten Gegenden mit viel Grün an. Doch wenn die Katzen alleine durch das Wohngebiet streifen, setzen sie sich auch Risiken aus, etwa Verletzungsgefahr durch Autos, Auseinandersetzungen mit Artgenossen, die Möglichkeit, sich mit Krankheiten zu infizieren oder das Risiko, versehentlich eingesperrt zu werden oder sich zu verirren.
Sollte ich meine Katze trotzdem besser drinnen halten, um Tiere zu schonen?
Für den Rückgang der Artenvielfalt ist also vor allem der Mensch verantwortlich: Er zerstört die Natur, um Nahrungsmittel anzubauen oder Häuser und Straßen zu bauen, wodurch zahlreiche Tiere ihre Lebensräume und Nahrungsquellen verlieren. Trotzdem töten Freigängerkatzen zahlreiche kleinere Tiere. Ob ein artgerechtes Leben in der Wohnung möglich ist, hängt von den Tieren ab und ist mit Arbeit für die Halter:innen verbunden. Wenn nun aber beide Optionen bestehen – sollte man Katzen dann besser in der Wohnung halten?
Expertin Gerlach sieht das nicht so: „Für den Großteil der Katzen ist Freigang eine Bereicherung und sollte wenn möglich auch gewährt werden“, urteilt die Expertin. Dies sei besonders wichtig, wenn die Katze vorher Freigang gewohnt war. Wer Tiere vor dem eigenen Haustier schützen will, könne ihr zufolge verschiedene Maßnahmen ergreifen, die wir weiter unten im Text vorstellen.
Die wichtigste Tierschutz-Maßnahme, die Halter:innen von Freigänger-Katzen ergreifen sollten, ist jedoch die Kastration. „Nicht kastrierte Katzen aus Privathaushalten, die Freigang haben, tragen dazu bei, dass die Population der Straßenkatzen stetig wächst“, so die Expertin. Die Tiere würden oft an Unterernährung und Infektionskrankheiten leiden und schon in jungen Jahren sterben. Der Deutsche Tierschutzbund fordert eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen, um zu verhindern, dass sich Straßenkatzen unkontrolliert vermehren. Verschiedene Städte und Kommunen haben bereits eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für privat gehaltene Katzen mit Freigang erlassen.
Die Organisation hat in einem „Großen Katzenschutzreport“ von 2024 Fakten über Straßenkatzen gesammelt. Demnach gab jede:r zehnte Katzenbesitzer:in an, dass das eigene Tier nicht kastriert sei. Wie viele Straßenkatzen es in Deutschland gibt, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von 2 Millionen Tieren aus.
NABU-Vogelexperte Lachmann warnt ebenfalls vor verwilderten Hauskatzen – also ausgesetzten Tieren oder Straßenkatzen. Ihm zufolge stellen sie die größte Gefahr für Vögel dar. „Sie sind gezwungen, ihren Nahrungsbedarf außer über menschliche Abfälle praktisch komplett durch die Jagd auf Kleintiere zu decken. Wenn es gelänge, die Bestände verwilderter Hauskatzen zu reduzieren, hätte man das Problem sicherlich auf ein erträgliches Maß verringert“, so der Experte. Er spricht sich ebenfalls für eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen aus – kombiniert mit Kastrations- beziehungsweise Sterilisationsprogrammen für verwilderte Tiere.
Was kann ich tun, um den Jagdtrieb meiner Freigänger-Katze zu mildern?
Gerlach vom Deutschen Tierschutzbund empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, um Beutetiere vor Freigängerkatzen zu schützen:
- Vogelnistplätze, Amphibien- und Reptilienstandorte sichern. Biotope könne man etwa mit Maschendraht und Baumstämme mit Manschetten aus Blech oder Plastik beziehungsweise Brombeerranken umzäunen.
- Vogelnistkästen, Vogeltränken und Futterhäuschen richtig platzieren. Also gut einsehbar und mindestens 2 Meter über dem Boden, abseits von Ästen.
- Garten naturnah gestalten, mit dichten Büschen, Stauden, Sträuchern und Bäumen (wie etwa Weißdorn, Wildrosen) als Versteckmöglichkeit vor Katzen.
- Täglich mit Katzen spielen und Futter mit hohem Fleischanteil füttern. Die Expertin verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2021, laut der Katzen unter diesen Bedingungen 30-40 Prozent weniger Tiere erbeuteten.
Von anderen verbreiteten Methoden rät die Expertin klar ab. Halsbänder mit Glöckchen stellen demnach eine mögliche Verletzungsgefahr dar und der Nutzen (Tiere vor der Attacke warnen) sei eher gering. Die Freigängerkatze während der Vogel-Brutzeit nicht aus dem Haus zu lassen, sei dem Tier nicht zumutbar – man könne es aber während der Morgen- und Abenddämmerung drinnen halten, da zu der Zeit die meisten Jungvögel unterwegs sind.
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