Windstille und Nebel haben Deutschland im November eine erste „Dunkelflaute“ beschert. Die Folge: Die Strompreise steigen. Warum ist das so, wie lässt sich das ändern und: Reden wir nicht eigentlich über das falsche Thema? Ein Kommentar.
Anfang November 2024 sorgte eine sogenannte „Dunkelflaute“ in Deutschland für stark steigende Börsen-Strompreise. Sie tritt auf, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht stark genug scheint, um die Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen zu betreiben. Noch nehmen unsere veralteten Stromnetze keine Rücksicht darauf und auch die Haushalte verbrauchen unabhängig von Wind und Sonne gleichbleibend Strom. Deswegen müssen in solchen Situationen Gas- und Kohlekraftwerke mehr Strom liefern und Deutschland gegebenenfalls auch Strom aus dem Ausland importieren. Details im Grundlagenbeitrag zum Thema Dunkelflaute.
Am 6. November erreichte der Strompreis an der Börse über 800 Euro pro Megawattstunde – das Zehnfache des bisherigen Durchschnitts. Besonders betroffen waren Verbraucher:innen mit dynamischen Stromtarifen, die sich nach den aktuellen Marktpreisen richten. Solche Tarife können in Zeiten günstiger Energiepreise Geld sparen, doch in einer Dunkelflaute können sie zur Kostenfalle werden.
Dunkelflaute: Sind die erneuerbaren Energien die Preistreiber?
Wahr ist: Solche „Dunkelflauten“, in denen weder Solar- noch Windkraft ausreichend Energie liefern, stellen eine Herausforderung für die Energiewende dar. Sie zeigen aber auch:
- Der Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze muss intensiver und schneller betrieben werden. Nur so ist es möglich, Strom besser von Produktionsstandorten zu den Verbraucher:innen zu bekommen. Darauf weisen auch etliche Energieversorger immer wieder hin.
- Dass Strom in Dunkelflauten teurer wird, ist kein Preisproblem der erneuerbaren Energien: Es sind ja eben Kohle und Gas, die teurer sind – und sich damit zu den eigentlichen Strompreistreibern machen. Dunkelflauten mit Preissteigerungen zeigen nur, dass wir eigentlich noch mehr Ökostrom brauchen.
- Wir brauchen aber auch eine klügere Verwendung von Energie. Noch immer laufen zum Beispiel größere Haushaltsverbraucher wie Waschmaschinen nach dem Prinzip Zufall, dabei sind viele bereits mit smarter Technik ausgestattet und könnten automatisiert dann arbeiten, wenn Strom reichlich vorhanden und günstig ist. Dies gilt in gewissen Grenzen auch für energieintensive Industrien.
- Es sind aber vor allem Speichertechniken, die fehlen. Denn die Gesamtmenge an Strom reicht eigentlich, sie muss nur zeitlich anders verteilt werden können. Was wir also brauchen, sind mehr Lösungen, um Energie zu speichern. Daran wird tatsächlich mit Hochdruck gearbeitet – aber wir könnten längst weiter sein, wenn uns nicht immer wieder „Brückentechnologien“-Scheindiskussionen lähmen würden.
„Dunkelflaute“? Was ist mit der Abriegelung bei „Hellbrisen“?
Während gerade alle über die Dunkelflaute reden, spricht niemand über den Elefant im Raum, und der heißt: Abregelung bei Hellbrisen. Denn die erneuerbaren Energien – vor allem auch hier wieder Windrad und Sonnenenergie – liefern ja oft auch mehr Strom, als benötigt wird (und übrigens sind die Strompreise dann extrem niedrig, worüber sich niemand beschwert).
Man spricht dann von einer Hellbrise: Sie führt zu einem Überangebot an Strom und damit zu sinkenden Strompreisen. Die Preise für Strom sind dann so günstig, dass Kohle und Gas sich nicht mehr rentieren. Dann wäre ein sinnvoll eingesetzter hoher Energiekonsum wünschenswert – und Speichertechnologien lohnen sich selbst mit den damit einhergehenden Verlusten noch.
Doch auch für die Hellbrisen haben wir keine Lösung, außer derzeit: Abregelung. Dabei werden Erneuerbare-Energien-Kraftwerke bewusst abgeschaltet, weil der Strom nicht gut genug verteilt werden kann. Ein Überangebot an Strom aus Naturquellen einfach abzulehnen ist allerdings ungefähr so smart, wie Erdgas irgendwo abzufackeln, nur weil es bei der Ölförderung als „Nebenprodukt“ angesehen wird.
Wir brauchen mehr Stromspeicher
Die Frage drängt, wie Deutschland Dunkelflauten und Hellbrisen künftig besser managen kann. Expert:innen und Unternehmen fordern schon lange den Ausbau von Langzeitspeichern.
Teils heißt es, die Entwicklung der nötigen Technologien und ausreichender Speicherkapazitäten würde noch Jahre dauern. Dabei reden wir über alles andere als über futuristische Zukunftstechniken, die Technologien gibt es längst:
- Pumpspeicherkraftwerke nutzen überschüssigen Strom, um Wasser in ein höher gelegenes Reservoir zu pumpen. Bei Bedarf wird das Wasser abgelassen, um durch Turbinen Strom zu erzeugen. Pumpspeicherkraftwerke gibt es schon seit über 100 Jahren und sie sind eine bewährte Methode für großflächige Energiespeicherung, weswegen Deutschland bereits 30 davon hat – aber mehr braucht.
- In eine ähnliche Richtung gehen gravitationsbasierte Energiespeichersysteme wie etwa Gravitricity, wo zum Beispiel alte Minenschächte in einem stillgelegten Bergwerk in Halle für gravitationsbasierte Energiespeicherung erprobt werden.
- Die thermische Speicherung von Energie ist ebenso möglich. Ein Beispiel ist das Berliner Startup Lumenion, das mit Power-to-Heat-Systemen sowohl Fernwärme unterstützen kann als auch industrielle Prozesse, die große Hitze benötigen. Ein anderes Beispiel ist das Projekt „Windduschen“ des Ökostromanbieters Prokon in Zusammenarbeit mit dem Berliner Start-up „decarbon1ze“, bei dem Windenergie eben nicht abgeregelt (und damit verschwendet) wird, sondern über Heizstäbe und Warmwasser genutzt wird.
- Wenn es darum geht, bei Autos über Wasserstoff zu sprechen, sind alle ganz schnell dabei. Dabei wäre Wasserstoff (oder generell: Power-to-Gas-Methoden) vor allem eine Komponente, um Energie aus der Stromversorgung zu speichern und zeitunabhängig wieder abrufen zu können. Gegen Wasserstoff sprechen – vor allem beim Auto – die Verluste von der Gaserzeugung bis zur Wiederverstromung. Bei der Speicherung von „überschüssiger“ Energie, die ja alternativ einfach verloren ginge, müsste das nicht das Problem sein.
- Bei alledem haben wir noch nicht über die Batteriespeicher gesprochen, etwa das H2UB Boxberg oder der Batteriegroßspeicher Billingstedt, der allein 170.000 Haushalte versorgen können soll, um nur zwei zu nennen. Wir brauchen eben nur viel, viel mehr davon.
Dunkelflauten sind der Weckruf, um die Energiewende breiter zu denken
Die „Dunkelflauten“ sind vor allem eines: Eine unangenehme Erinnerung daran, dass „Ökostrom“ nur ein Baustein der Energiewende ist, und wir dringend auch die anderen Teile benötigen. „Mehr Ökostrom“ gehört zur Lösung auch deswegen, weil man dann bei den Speichertechnologien flexibler sein und Verluste in Grenzen leichter in Kauf nehmen kann.
Am Ende wird eine harmonisch abgestimmte Mischung aus Ökostromerzeugung, kurz- und langfristigen Stromspeichern, modernisierten Stromnetzen und smartem Verbrauch stetig und sicher verfügbaren Strom zu günstigen Preisen und ohne heutige Lieferabhängigkeiten sicherstellen.
Sind Dunkelflauten ein Argument gegen dynamische Stromtarife, die ab 2025 von jedem Stromanbieter zu haben sein werden? Nur bedingt. Ein Gutachten des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag des vzbv zeigte, dass sich der Abschluss dynamischer Stromtarife unterm Strich für viele Haushalte lohnen kann. In Zeiten von teuren Dunkelflauten sollte man eben möglichst seinen Stromverbrauch reduzieren – und sich daran erinnern, dass man dafür während der Hellbrisen sparen kann.
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