Untersuchungen zeigen, dass Männer bei Corona und anderen Infektionskrankheiten deutlich häufiger schwere Verläufe erleiden und häufiger an diesen Erkrankungen sterben als Frauen. Laut Forschenden ist die Ursache dafür vermutlich das X-Chromosom.
Auch wenn sich etwa gleich viele Männer und Frauen mit Corona infiziert haben, weisen die Zahlen der schwer Erkrankten und Toten klare Unterschiede auf. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 ist das Risiko, an Covid-19 zu sterben, für Männer etwa 31 bis 47 Prozent höher als für Frauen. Den Angaben der Pharmazeutischen Zeitung folgend waren in Deutschland etwa zwei Drittel aller Corona-Toten männlich. Die tagesschau berichtet im August 2023, dass drei Viertel aller Covid-Intensivpatient:innen männlich sind.
Dass Männer auch an anderen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis B tendenziell schwerer erkrankten und häufiger starben, ist laut der Pharmazeutischen Zeitung schon länger bekannt. In der Forschung hat sich die Vermutung etabliert, dass Frauen bis zu den Wechseljahren ein stärkeres und aktiveres Immunsystem aufweisen.
Beachte: Bislang gibt es in der Wissenschaft größtenteils Erhebungen und Analysen, die von Männern und Frauen sprechen. Oft ist dabei unklar, was ein Forschungsteam oder ein Institut tatsächlich unter „Mann“ und „Frau“ versteht. Forschende eines Artikels aus dem Jahr 2023 verdeutlichen genauer, dass sie sich auf das biologische Geschlecht beziehen, das die Verteilung der Chromosomen, die Sexualhormone und primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale mit einschließt. Das soziale Geschlecht ist vom biologischen Geschlecht abgegrenzt und muss mit diesem nicht zwingend übereinstimmen. Beide Konstrukte werden als Kontinuum und nicht als binäre Kategorien verstanden. Im folgenden Artikel werden die Begriffe „Mann“ und „Frau“ deshalb als biologisches Geschlecht weiterverwendet.
Unterschiede im Immunsystem: Chromosomen und Sexualhormone
Dass Frauen laut diversen Untersuchungen ein stärkeres Immunsystem haben, hängt vermutlich in erster Linie mit der Chromosomen-Kombination zusammen. Denn ein Großteil der Gene, die das Immunsystem beeinflussen, liegen ausschließlich auf dem X-Chromosom, so die Pharmazeutische Zeitung. Personen, die in der Forschung als Frauen definiert werden, besitzen zwei dieser Chromosomen. Lange Zeit galt die Vermutung, dass das zweite X-Chromsom völlig inaktiv wäre und demzufolge keine Auswirkungen auf Immunreaktionen hätte.
Diese These gilt heute als widerlegt. So ist mittlerweile klar, dass auch die Gene des zweiten X-Chromosoms bei Immunantworten eine Rolle spielen können. Das führt dazu, dass bei Personen mit zwei X-Chromosomen im Körper eine höhere Zahl an unterschiedlichen Abwehrmechanismen zur Verfügung steht.
Auch die Sexualhormone haben einen starken Einfluss auf unser Immunsystem. So kann Östrogen laut Angaben von Quarks Immunantworten vorantreiben. Testosteron hemme die Arbeit des Immunsystems hingegen eher und unterdrücke Immunrekationen. Dabei ist laut Forschenden zu beachten, dass sich der Hormonhaushalt während des Menstruationszyklus verändert. Wie sich diese Veränderungen auf das Immunsystem auswirken, sei bisher jedoch noch unklar. Nach der Menopause komme es aber aufgrund der hormonellen Umstellung zu einer Funktionsabnahme des Immunsystems.
Dass Corona besonders bei Männern schwere Verläufe verursacht, liegt laut Quarks zudem vermutlich an dem Rezeptor ACE2. Dieser kommt in unterschiedlichen Organen vor, unter anderem auch in der Lunge und dem Herzen. An diesen Rezeptor dockt das Corona-Virus an und gelangt dadurch in das Innere einer Zelle. Bei Kindern und Frauen ist ACE2 weniger stark ausgeprägt als bei Männern, so Quarks. So kommt der Rezeptor bei Frauen weniger häufig in den Zellen der Lunge vor. Zudem hemmt Östrogen die Ausbreitung des Rezeptors. Dies könnte erklären, warum Covid-19 den Statistiken zufolge speziell Männer so stark betrifft.
Starkes Immunsystem und Autoimmunerkrankungen
Für Frauen hat ein aktives Immunsystem jedoch nicht nur Vorteile. Laut der Pharmazeutischen Zeitung führt es auch dazu, dass Frauen häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind. Bei diesen Erkrankungen liegt eine fehlgeleitete Steuerung des Immunsystems vor. Dies führt dazu, dass der Körper eigene Zellen und Organe angreift. Zu typischen Autoimmunerkrankungen gehören beispielsweise chronische Darmentzündungen (wie Morbus Crohn), Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose.
Des Weiteren führt das starke Immunsystem dazu, dass Frauen öfter unter starken Impfreaktionen und unerwünschten Nebenwirkungen leiden, so die Pharmazeutische Zeitung. Der Vorteil dabei: Schon geringere Dosen würden oft ausreichen, um einen umfassenden Schutz zu gewährleisten. Zudem halte die Immunität länger an.
Welche Rolle spielt unser Verhalten?
Dass Männer schwerer unter bestimmten Krankheiten zu leiden haben, könnte laut der Pharmazeutischen Zeitung auch am Verhalten liegen. So würden Männer eher dazu tendieren, mehr Alkohol zu trinken, zu rauchen und sich ungesund zu ernähren. Auch Quarks bestätigt, dass weltweit deutlich mehr Männer rauchen und deshalb auch schwerer an Corona erkranken. So würden weltweit etwa 35 Prozent aller Männer rauchen. Bei Frauen beträgt die Zahl nur etwa sechs Prozent.
Als Ursache für das ungesündere Verhalten nennt die Pharmazeutische Zeitung das Sexualhormon Testosteron. Dieses komme bei Männern in einer höheren Konzentration im Blut vor und mache sie risikobereiter. Der Zusammenhang zwischen Testosteron und Risikobereitschaft ist jedoch aktuellen Forschungen zufolge nicht mehr als ein Mythos, so das Magazin „Bild der Wissenschaft„. Die Forscherin Amanda Hughes erklärt gegenüber dem Magazin, dass die Auswirkungen von Testosteron generell überbewertet würden und sich in neuen Untersuchungen nicht bewahrheitet hätten.
Eine Studie aus dem Jahr 2009 deutet vielmehr darauf hin, dass unterschiedliche Verhaltensweisen und Lebensstile zwischen weiblich und männlich gelesenen Personen eher anerzogen als angeboren sind. Eine wichtige Rolle bezüglich des unterschiedlichen Verhaltens zwischen Geschlechtern spielt demnach die Erziehung beziehungsweise die Sozialisierung. In diesem Sinne führt toxische Männlichkeit nicht nur dazu, dass Genderungerechtigkeiten aufrecht erhalten werden, sondern kann letztendlich auch schwere Krankheitsverläufe bei männlich gelesenen Personen fördern.
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