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Gender-Data-Gap: Warum Frauen in Büros oft frieren

Gender-Data-Gap: Ist die Bürotemperatur auf Männer optimiert?
Foto: CC0 Public Domain - Pexels/ Jonathan Borba, Karolina Grabowska

Im Büro frieren Frauen meist stärker als Männer – und werden dafür unter anderem als „zimperlich“ abgestempelt. Doch es gibt eine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen. Forschende aus den Niederlanden kritisieren, dass Bürotemperaturen oft auf Männer optimiert sind.

Der Alltag im Büro wird von vielen Faktoren beeinflusst, nicht zuletzt von der Raumtemperatur. Doch Studien deuten darauf hin, dass diese nicht geschlechtsneutral ist.

Studie zu Bürotemperaturen: Unterschiede im Stoffwechsel

2015 forderten niederländische Forschende beispielsweise im renommierten Fachmagazin Nature Climate Change Richtwerte für das Innenraumklima in Wohngebäuden und Büros anzupassen. Denn die bestehenden Werte seien veraltet: Sie würden auf einem empirischen Modell aus den 1960ern basieren, eine der Hauptvariablen (die Stoffwechselrate) orientiere sich an einem durchschnittlichen Mann*. Die Stoffwechselrate von Frauen* könne aber um bis zu 35 Prozent abweichen.

„Dies kann dazu führen, dass Gebäude von Natur aus nicht energieeffizient sind, wenn es darum geht, weiblichen Personen Komfort zu bieten“, schreiben die Forscher. Sie schlagen vor, für die Berechnung von Richtwerten tatsächliche Stoffwechselraten zu verwenden. Das kritisierte Temperaturmodell aus den 1960ern kommt laut New York Times in den meisten Thermostaten zum Einsatz.

Wieso Frauen Kälte anders empfinden als Männer

Den Forschenden zufolge produziert ein 40-jähriger Mann mit 70 Kilogramm Körpergewicht rund 60 Watt Wärmeenergie pro Quadratmeter Hautoberfläche. Bei jungen Frauen seien es nur 48 Watt. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze: Frauen seien zum Beispiel oft kleiner. Außerdem haben sie meist mehr Körperfett, welches das Innere des Körpers isoliert. Dies sorgt aber auch dafür, dass weniger Wärme bis zur Haut vordringt.

Die Studie zitiert Forschungsergebnisse, laut denen Frauen im Schnitt eine Raumtemperatur von 25 Grad bevorzugen, Männer 22 Grad. Würden Richtwerte angepasst, könnte der Wärmebedarf von Gebäuden genauer berechnet werden. Außerdem könne man so Energie sparen: „Wenn man einen genaueren Überblick über den Wärmebedarf der Menschen im Gebäude hat, kann man das Gebäude so gestalten, dass viel weniger Energie verschwendet wird, und das bedeutet, dass der Kohlendioxidausstoß geringer ist“, erklärt Co-Autor Boris Kingma gegenüber der New York Times.

Gender Data Gap: Nicht nur bei Bürotemperatur

Die niederländische Studie kritisiert, dass Temperaturrichtwerte auf Daten basieren, die an Männern erhoben wurden. Dies ist ein Beispiel für den sogenannten Gender Data Gap. Dieser entsteht dann, wenn bei wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und medizinischer Datenerhebung die unterschiedlichen Geschlechter nicht gleichermaßen berücksichtigt werden – so definiert es die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, welche sich unter anderem für die Förderung sozialer Gerechtigkeit einsetzt.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für den Gender Data Gap. Die Journalistin und Autorin Caroline Criado-Perez nennt in ihrem Buch „Unsichtbare Frauen“ (btb Verlag, 2020 – verfügbar bei Buch7) beispielsweise Diagnoseverfahren, welche größtenteils anhand männlicher Körper entwickelt wurden. Herzinfarkte bei Frauen würden etwa häufig übersehen, weil medizinische Lehrbücher sich auf solche Symptome konzentrieren, die typischerweise bei Männern auftreten – nämlich Schmerzen in der Brust und im linken Arm. Junge Frauen erfahren bei einem Herzinfarkt dagegen typischerweise Bauchschmerzen, Kurzatmigkeit, Übelkeit und Müdigkeit.

Weitere Beispiele führt dieser Ratgeber auf:

* Mit den Bezeichnungen „Mann“ und „Frau“ ist jeweils das biologische Geschlecht gemeint.

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