In der Klimakrise steht die Art, wie wir Nahrung produzieren und Land nutzen weltweit auf der Kippe. Aktuelle Forschungsprojekte zeigen, wie kleine Ideen die Landwirtschaft nachhaltig verändern könnten – und Abfälle zu wertvollen Rohstoffen werden.
Die Landwirtschaft hat einen Anteil von knapp 13 Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen – und ist damit der zweitschädlichste Sektor nach der Energie- und Transportbranche. Das zeigen jüngste Daten der Plattform Climate Watch. Laut Welternährungsorganisation FAO und der Weltbank nutzt die Landwirtschaft fast die Hälfte der bewohnbaren Landfläche und unsere Ernährungssysteme sind Hauptursache für das Artensterben.
Gleichzeitig müssen wir bis Mitte des Jahrhunderts fast 10 Milliarden Menschen ernähren. Wie der Spagat zwischen dem klimaschonenden Umbau der Landwirtschaft und der künftigen Ernährungssicherheit gelingen kann, darüber zerbrechen sich viele Wissenschaftler:innen die Köpfe. Ein Ansatz kann die Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft sein.
„Circular Agriculture“: Die Landwirtschaft von Morgen?
Mischkulturen, ökologischer Landbau und Aquakulturen sowie Wasserrecycling und Abwasserwiederverwendung können dazu beitragen, dass Abfälle aus einem Teil des Prozesses zu einer Ressource für einen anderen werden – und der Kreislauf der landwirtschaftlichen Prozesse geschlossen wird.
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist nicht neu – doch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Ideen treiben das Konzept voran. Eine wachsende Zahl innovativer Projekte zeigt, welches Potenzial darin liegt.
Ungenutztes Gras statt importiertes Soja als Viehfutter
Ein Beispiel ist das Forschungsprojekt „Go-Grass“, das 2019 ins Leben gerufen wurde, um das Potenzial des Grünlands in der EU zu erschließen. Grasflächen nehmen etwa 17 % der Fläche ein und bleiben weitgehend ungenutzt. Im Rahmen des Forschungsprojekts hat Morten Ambye-Jensen, Leiter des Centre for Circular Bioeconomy an der Universität Aarhus, in einer dänischen Bioraffinerie als Musteranlage versucht herauszufinden, wie frisch geerntetes Gras kosteneffizient verarbeitet werden kann.
Das Ziel: Die Umweltauswirkungen der dänischen Landwirtschaft verringern, die derzeit von einjährigem Getreide und Mais dominiert wird. „Gräser sind eine Lösung, da sie die Nitratauswaschung verringern, den Kohlenstoffgehalt des Bodens erhöhen und den Einsatz von Pestiziden überflüssig machen“, so Ambye-Jensen. „Aber die Landwirte brauchen einen Business Case, um mehrjährige Gräser anzubauen.“ Die grüne Bioraffination könne einen solchen darstellen.
In der Musteranlage wird Gras zerkleinert und gepresst, um ein Proteinkonzentrat zu gewinnen, das an Schweine und Geflügel verfüttert werden kann – eine deutlich umweltfreundlichere Alternative zum Import von Soja als Viehfutter. Außerdem entstehen ein faseriger Brei, der an Weidetiere verfüttert werden kann sowie Grassaft, der zur Biogaserzeugung dienen kann.
Mikroalgen: Der Rohstoff der Zukunft wächst im Abwasser
Das Forschungsprojekt „REALM“ geht einen anderen Weg und entwickelt Methoden für den Anbau von Mikroalgen in Kreislaufproduktion. Diese einzelligen Mikroorganismen können eine nährstoffreiche Alternative zu Fischfutter darstellen. Sie kommen bereits für die menschliche Ernährung, für Kosmetika, als Düngemittel und sogar für die Energiegewinnung zum Einsatz.
Das Forschungsprojekt will Süßwassermikroalgen in landwirtschaftlichen Abwässern züchten – insbesondere in mit Dünger belasteten Abwässern aus Gewächshäusern. Denn die bieten genau die richtigen Nährstoffe für das Wachstum der Algen. Als Teil eines Kreislaufsystems kann das Abwasser in künstliche Teiche oder Bioreaktoren geleitet werden, in denen die Mikroalgen wachsen und dabei gleichzeitig das Abwasser von Nitraten und Phosphaten reinigen. Dann kann das Wasser wieder zurück in das Gewächshaus fließen.
Die komplette Anlage kann mit Solarenergie laufen, einschließlich der für das Mikroalgenwachstum nötigen Technologie zur Abscheidung von Kohlendioxid. Nach der Ernte können die Mikroalgen in einer Verarbeitungsanlage etwa in Dünger- oder Futterprodukte für die Landwirtschaft und die Aquakultur umgewandelt werden.
„Das ist ein völlig neues Konzept – wir haben eine dezentrale Mikroalgenproduktion neben den Gewächshäusern“, betont Mariana Carneiro, Innovationsmanagerin beim portugiesischen Mikroalgenhersteller und REALM-Koordinator Necton. „Die Landwirte profitieren davon, da sie eine gewinnbringende Lösung für verunreinigtes Wasser haben.“
Wie bei Go-Grass sind die Ergebnisse vielversprechend. In Anlagen in Finnland, den Niederlanden, Portugal und Spanien werden verschiedene Süßwasseralgenarten getestet – und die Verschmutzung des Abwassers effektiv verringert.
Aus Gras werden Algen – und Energie
Der flämische Landwirt Kris Heirbaut kombiniert quasi die Ansätze der beiden Forschungsprojekte: Er hat sich mit Forschern des Projekts „Grass2Algae“ zusammengetan, um Algen wirtschaftlich zu kultivieren. Im Rahmen des Projekts wurde Abfallgras gepresst, um den Saft von den Fasern zu trennen. Der Saft wurde dann für die Zucht von Mikroalgen verwendet. Die Fasern können in der anaeroben Gärung zum Einsatz kommen – sprich: zur Biogasgewinnung – oder als Ausgangsmaterial für Biokunststoffe.
Heirbaut nutzt die Forschungsergebnisse von Grass2Algae, um auf seinem Hof Kreislaufwirtschaft zu betreiben. Die Gülle seiner Kühe speist einen kleinen anaeroben Fermenter; das entstehende Biogas deckt etwa 65 % des Energiebedarfs seines Hofs. „Mit dem so erzeugten Strom können wir eine Batterie laden, die unsere Farm auch mit Strom versorgen kann“, erklärt Heirbaut.
Das Kohlendioxid aus der Biogaserzeugung filtert er durch einen Mikroalgen-Bioreaktor. Der Kohlenstoff ernährt die Mikroorganismen – die in Grassaft wachsen. Heirbaut hat mit der Süßwasseralge Chlorella gearbeitet, und er betont: „Das Pressen von Grassaft ist ideal, um Chlorella sicher zu kultivieren.“
Heirbaut zufolge erzeugt sein Betrieb „eine Menge Chlorella-Pulver“, das er hofft, in Zukunft an größere Einzelhändler verkaufen zu können. „Wir haben bewiesen, dass [unsere] Verbraucher Algen mögen… und die Kreislaufwirtschaft auf Ackerland sollte als gangbarer Weg akzeptiert werden“, sagt er.
Dieser Text wurde bereitgestellt vom European Science Communication Institute (ESCI) und von der Utopia-Redaktion geprüft und überarbeitet.
Autorin: Dr. Rebecca Pool, Wissenschafts- und Technologiejournalistin
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