Klimakrise live: Was Griechenland jetzt erlebt, ist nur ein Vorgeschmack

Klimakrise live: Was Griechenland schon erlebt, ist nur ein Vorgeschmack
Foto: Giorgos Arapekos/ZUMA Press Wire/dpa

Rekordtemperaturen, verbrannte Wälder, Wassermangel und Flutkatastrophen: Die vergangenen Jahre waren schwer für Griechenland. Ein Experte stellt klar: Was das Land erlebt, ist erst der Beginn des Klimawandels – und auch nördlichere Staaten wie Deutschland können daraus lernen.

Noch kann man in Griechenland unbesorgt am Strand liegen und alle Sorgen vergessen. Doch nur, wenn man nicht zu genau hinsieht. Denn die Zeichen des Klimawandels sind inzwischen kaum übersehbar.

Auch auf meiner letzten Urlaubsreise traf ich immer wieder auf Spuren der Zerstörung, die die Extremwetter der letzten Jahre im Land zurückgelassen haben. Ich frage mich: Wie soll das in Zukunft weitergehen? Was erwartet das Land am Mittelmeer in den kommenden Jahren? Und sind die jetzigen Extremereignisse in Südeuropa ein Vorgeschmack für das, was uns bald in Deutschland droht?

Klimawandel: Wo Griechenland heute steht

In den vergangenen 30 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur in Griechenland bereits um 1,5 Grad an – das zeigt eine Studie aus dem Wissenschaftsjournal „Atmosphere“ (2024). „Das ist eine große Zahl für 30 Jahre“, sagt Dr. Kostas Lagouvardos, Forschungsdirektor am National Observatory of Athens (NOA) und Hauptautor der Studie, gegenüber Utopia.de. Lokal gibt es Unterschiede. „Im Nordwesten Griechenlands sind es sogar mehr als 2 Grad“, erklärt er.

Der Forscher geht innerhalb von 30 Jahren von weiteren 1,5 bis 2 Grad zusätzlich aus – also bis zu 3,5 Grad Temperaturanstieg – „wenn wir so weitermachen wie bisher.“ Welch drastische Folgen solch eine Erwärmung hätte, davon kann die bisherige Lage nur einen ersten Eindruck vermitteln.

Griechenland erlebt „beispiellose“ Hitzewellen-Serie

Ich hatte Glück bei der Planung meines Griechenlandaufenthalts: Von Ende Mai bis Mitte Juni reisten mein Mann und ich quer durch das Festland, kamen aber nie in die Nähe eines Waldbrands. Auch die Temperaturen waren zwar hoch, aber noch gut auszuhalten.

Dabei hätte die Reise auch ganz anders verlaufen können: Nur wenige Tage, nachdem wir zurück in Deutschland waren, wurde etwa vor einer ersten Hitzewelle gewarnt, Anfang Juli folgte die nächste. Aktuell hat das griechische Arbeitsministerium das Arbeiten im Freien zeitweise untersagt, so Tagesschau – wegen hohe Temperaturen.

Die Klimakrise macht solche Hitzewellen wahrscheinlicher und intensiver – und Griechenland erlebte in den vergangenen Jahren eine ungewöhnliche Serie davon. „Zum Beispiel gab es in den Sommern 2021, 2023 und 2024 sehr langanhaltende Hitzewellen – 15 bis 16 Tage jedes Jahr – das war beispiellos“, erklärt Lagouvardos.

2023 etwa blieb in Athen das Thermometer 300 Stunden über 30 Grad, schreibt Germanwatch. Auf der Peloponnes wurden 46,4 Grad gemessen.

Klimakrise live: Was Griechenland schon erlebt, ist nur ein Vorgeschmack
Klimawandel live: Was Griechenland schon erlebt, ist nur ein Vorgeschmack. (Foto: Petros Giannakouris/AP/dpa)

Besonders problematisch: Die Hitze hält oft nachts an, besonders in Großstädten. „Hohe Nachttemperaturen bedeuten 30 Grad um Mitternacht. Der Körper kann sich nachts nicht mehr richtig erholen. Wir haben einen dauerhaften Hitzestress – Tag und Nacht“, so Lagouvardos.

Nächtliche Hitze kann unter anderem das Risiko für Schlaganfälle erhöhen, wie Forschende des Helmholtz Munich und der Universitätsklinik Augsburg herausfanden. Laut Umweltbundesamt kann anhaltende Hitze außerdem zu Problemen im Herz-Kreislaufsystem führen, Studien führen zahlreiche hitzebedingte Todesfälle klar auf den Klimawandel zurück.

Waldbrände vernichten Grünflächen

Die hohen Temperaturen sind allerdings nur eins von vielen Problemen. „Langanhaltende Hitzewellen und trockene Bedingungen machen die Vegetation sehr leicht entflammbar“, erklärt Lagouvardos. „Wenn dann ein Feuer entsteht, kann es sich sehr schnell ausbreiten.“

Die Spuren dieser Brände sieht man vielerorts in Griechenland. Ich habe zum Beispiel das Kloster Hosios Loukas nahe Delphi besucht, welches normalerweise von Bäumen umringt ist. Doch 2023 gab es einen großen Brand, von den Bäumen sieht man nur noch schwarze Gerippe. Auch das Kloster aus dem 10. Jahrhundert wurde teils beschädigt.

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Verbrannte Bäume bei Hosios Loukas, nahe Delphi. (Foto: Utopia)

Im selben Jahr verbrannten in ganz Griechenland laut Germanwatch 175.000 Hektar Land – das Vierfache des Durchschnitts der Jahre 2006 bis 2022. Im Nationalpark Dadia in Nordostgriechenland wütete der größte je in der EU beobachtete Waldbrand.

Waldbrände sind keine Neuheit in Griechenland – doch die Häufigkeit und die Intensität nehmen zu. Auch dieses Jahr kam es bereits im Großraum Athen, auf Kreta, Thasos und in Nordmazedonien zu großen Bränden, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet.

In der Summe sind die Zerstörungen enorm. „Wir haben berechnet, dass wir in den letzten acht Sommern 37 Prozent der bewaldeten Fläche im Großraum Athen verloren haben“, berichtet Lagouvardos.

Wassermangel trotz Flut

Paradoxerweise litten die Griech:innen in den vergangenen Jahren sowohl unter Wassermangel als auch unter Überschwemmungen. Extreme Niederschläge gehen unter anderem auf höhere Meerestemperaturen zurück. 2023 brachte Sturmtief Daniel starke Überflutungen: Laut Germanwatch fielen örtlich mehr als 700 Liter Wasser pro Quadratmeter in weniger als 24 Stunden. Das entspräche in etwa der Jahresmenge deutscher Städte. Die Überschwemmungen in Thessalien kosteten mindestens 15 Menschen das Leben und zerstörten ein Fünftel der landwirtschaftlichen Produktion der Region.

Die Spuren der Zerstörung sind noch gut zu sehen. Zum Beispiel in Kastraki, einem Ort in Thessalien, nahe den berühmten Meteora-Klöstern. Ein Bewohner des Orts zeigte mir eine Stelle nahe der Ortsgrenze, an der es während der Flut zu einem Erdrutsch kam. Ihm zufolge erreichte das Geröll aber zum Glück keine Häuser.

Klimakrise live: Was Griechenland jetzt erlebt, ist nur ein Vorgeschmack
Der Ort Kastraki in Theassalien: Im Gebirge soll die Flut von 2023 einen Erdrutsch verursacht haben. (Foto: Utopia)

2024 dann das gegenteilige Extrem: In Griechenland blieb es so trocken wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Viele Inseln und auch Orte am Festland litten unter der Dürre, zahlreiche Regionen kämpften mit Wasserknappheit. Die Gründe sind vielfältig: Der Klimawandel verschärft die Trockenheit, der Tourismus treibt den Verbrauch in die Höhe, und unter anderem Landwirt:innen bedienen sich verschwenderisch am Grundwasser.

Gleichzeitig sind die Bergregionen immer kürzer mit Schnee bedeckt, wie eine Studie feststellt, an der Lagouvardos ebenfalls beteiligt war. Besonders stark war der Rückgang in den vergangenen Jahren: In Nordwestgriechenland etwa gab es dem Forscher zufolge innerhalb der letzten 30 Jahre stellenweise 45 bis 50 Tage weniger Schneebedeckung als früher. Der Experte zählt dies zu den Entwicklungen, die ihn mit am meisten besorgen. Denn Schmelzwasser ist entscheidend, um Süßwasserressourcen aufzufüllen.

Forscher besorgt: Klimakrise beschleunigt sich

Außerdem beobachtet der Experte weitere bedenkliche Trends: „Seit 2021 gibt es fast jedes Jahr große, langanhaltende Hitzewellen“, so Lagouvardos. „Früher gab es das auch mal, aber dann nur kürzer und nicht jedes Jahr. Ich denke, der Beginn dieses Jahrzehnts deutet auf eine Beschleunigung der Veränderungen hin.“

Klimakrise live: Was Griechenland schon erlebt, ist nur ein Vorgeschmack
Schild mit Aufschrift „Brandgefahr im Wald“, bei Chalkidiki. (Foto: Utopia)

Auch die Meerestemperaturen erreichen Rekordwerte: Die Oberflächentemperaturen stiegen 2024 gebietsweise auf über 30 Grad. „Das wurde im Mittelmeer noch nie gemessen“, erklärt der Experte. 2025 zeigen Satellitendaten des NOA erneut erhöhte Werte an.

Diese Art der Erwärmung bedroht die biologische Vielfalt der Meere und kann auch für Menschen ernste Konsequenzen haben. Denn so steigt mehr Feuchtigkeit in die Luft auf. Erwärmte Luft kann diese Feuchtigkeit aufnehmen, was etwa zu Starkregen führen kann.

Womit kann Deutschland rechnen?

Die südeuropäischen Länder sind aufgrund ihrer Lage aktuell besonders von der Klimakrise betroffen. Was das für den Tourismus bedeutet, wird sich zeigen. Bewohner:innen leiden jedenfalls schon jetzt stark unter den Folgen. Und diese werden tendenziell noch extremer, überall in Europa. Ich frage mich deshalb: Ist das, was sie erleben, vielleicht ein Vorgeschmack für nördlichere Staaten wie Deutschland?

Deutschland wird nie das Klima Griechenlands haben, aber auch dort wird es heißer“, prognostiziert Lagouvardos. „Und es wird immer häufiger Hitzewellen geben, auch in Mitteleuropa, in Gebieten, in denen die Menschen nicht daran gewöhnt sind, mit solchen Temperaturen umzugehen.“

Tatsächlich haben Forschende auch für Deutschland starke Temperatursprünge prognostiziert. Bis 2049 seien hierzulande 2,3 Grad Erwärmung gegenüber dem Beginn der Wetteraufzeichnungen zu erwarten, berichtet unter anderem die Tagesschau mit Verweis auf wissenschaftliche Modelle und Planungen von Städten und Kommunen. Die Anzahl der Tage mit über 30 Grad werde demnach stark steigen – und sich etwa in Berlin verdoppeln. Auch Temperaturen um 40 Grad sollen bis dahin keine Ausnahme mehr sein, sondern die Regel. Zudem sagt die Studie mehr Regen im Winter, und weniger Niederschlag im Sommer voraus. In den warmen Monaten sei aber mit mehr Überschwemmungen und Fluten zu rechnen.

Wir werden in Deutschland also nicht genau dasselbe erleben, was Griechenland heute durchmacht – aber wir werden uns immer öfter mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen. „Der ganze europäische Kontinent verschiebt sich in Richtung höherer Temperaturen“, fasst Lagouvardos zusammen.

Griechenland und Deutschland: „mäßig“ im Klimaschutz

Griechenlands Erfahrungen zeigen: Der Klimawandel ist keine ferne Bedrohung, sondern bereits Realität. Und es wird nur schlimmer werden. Umso wichtiger ist es, dass Staaten Maßnahmen ergreifen, um die Effekte einzudämmen und klimaschädliche Emissionen so schnell wie möglich zu reduzieren.

Die Frage ist, wie gut das wirklich gelingt. Die griechische Regierung hat etwa eine Tourist:innen-Steuer eingeführt, deren Einnahmen für die Katastrophenhilfe in Griechenland investiert werden sollen. Zur Vorbeugung von Waldbränden wurden Personal und Überwachungsdrohnen aufgestockt, wie die Tagesschau berichtet. Ob dies perspektivisch reichen wird, ist fraglich.

In Deutschland sieht die Situation aktuell nicht vielversprechend aus: Die aktuelle Regierung setzt in ihrem Koalitionsvertrag keinen Fokus auf Klimaschutz – stattdessen stellt sie Gesetze zur Abkehr von fossilen Energien wie etwa das Heizungsgesetz infrage, auch im Verkehrsbereich fehlen Anreize zur Emissionsminderung. Stattdessen betont die Koalition die Hohlphrase „Technologieoffenheit“. Immerhin: Der Katastrophenschutz soll auf verschiedenen Ebenen ausgebaut werden.  

Im Climate Change Performace Index, den unter anderem Germanwatch jährlich herausgibt, schneiden Griechenland und Deutschland übrigens ähnlich ab: Ihre Klimaschutzbemühungen werden als „mäßig“ bewertet.

Meinung der Redakteurin

In diesem Artikel bin ich nur auf einige Auswirkungen des Klimawandels in Griechenland eingegangen. Es gibt noch viele weitere, das Problem ist vielschichtig. Und natürlich ist es viel größer als einige Beobachtungen auf meiner Urlaubsreise. Die Klimakrise bedroht Lebensgrundlagen von zahlreichen Menschen, Extremwetterereignisse kosten Leben, überall – und es wird noch schlimmer werden.

Mir hat die Reise vor allem eins gezeigt: Die Idee, im Urlaub alle Sorgen zu vergessen, ist für mich überholt. In Zeiten des Klimawandels ist das kaum mehr möglich, und Probleme ausblenden hat noch nie geholfen.

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