Multiresistente Keime stellen ein immer größeres Risiko für unsere Gesundheit dar. Hier erfährst du, wie die Erreger entstehen, warum sie so gefährlich sind und wie du dich schützen kannst.
Bakterien finden sich überall – in der Luft, in der Wohnung, auf der Haut und in unseren Lebensmitteln. Im Alltag stellt das für unsere Gesundheit kein Risiko dar. Denn unsere körpereigenen Abwehrmechanismen schützen uns erstens vor Infektionen, zweitens ist der Großteil aller Bakterien nützlich und notwendig.
Anfälliger für jede Art von schädlichen Keimen sind allerdings Menschen mit Vorerkrankungen, alte Menschen und Kinder. Seit dem 20. Jahrhundert verfügen Ärztinnen und Ärzte über ein wirksames Mittel zur Behandlung bakterieller Infektionen: Antibiotika. Sie wirken entweder, indem sie das Wachstum von Bakterien hemmen oder sie abtöten. Anders ist das bei sogenannten multiresistenten Keimen.
Was sind multiresistente Keime?
Als multiresistente Keime (multiresistente Erreger, kurz MRE-Keime) werden Erreger bezeichnet, gegen die Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen. Diese Fähigkeit haben die Bakterien durch eine evolutionsbiologische Anpassung erlangt. Sie haben gelernt, sich gegen die Antibiotika zu behaupten, die zu ihrer Bekämpfung eingesetzt werden. Damit hat sich ein Irrglaube der Medizin entlarvt: dass der breit gestreute Einsatz von Antibiotika die Krankheitserreger dauerhaft in den Griff bekommen könne.
Multiresistente Keime stellen also eine besondere Herausforderung bei der Behandlung dar, weil herkömmliche Antibiotika nicht gegen sie helfen. Bekannt ist, dass multiresistente Keime besonders häufig in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorkommen. Doch neuere Untersuchungen zeigen, dass sie auch andernorts weit verbreitet sind, so etwa in Gewässern und Badeseen.
Wie entstehen multiresistente Keime?
Es hat sich herausgestellt, dass multiresistente Keime vor allem dort entstehen, wo besonders viele Antibiotika zum Einsatz kommen. Das sind zunächst natürlich Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Aber auch die Pharmaindustrie als Erzeuger der Antibiotika hat einen großen Anteil an der Resistenzbildung. Über viele Jahre galten Antibiotika als Allzweckwaffe gegen bakterielle Erreger aller Art. Doch folgende Faktoren haben die Entstehung von Resistenzen begünstigt:
- Eine unzuverlässige, das heißt unregelmäßige oder zu früh abgebrochene Medikamenteneinnahme durch Patient:innen. Die mit Antibiotika behandelten Bakterien können so im Körper überleben und durch den andauernden Kampf gegen die Medikamente eine Resistenz entwickeln.
- Eine zu häufige Gabe von Antibiotika auch bei weniger schwerwiegenden Erkrankungen. Antibiotika galten lange Zeit als eine Art Wundermittel gegen sämtliche bakteriellen Infektionen. Doch häufig wurden sie auch gegen virale Erreger eingesetzt, gegen die sie überhaupt keine Wirkung haben.
- Daneben sorgt der Einsatz von Breitbandantibiotika für Schwierigkeiten. Das sind Antibiotika, die gegen verschiedene Arten von Bakterien wirken. Sie bringen damit viel mehr Gegenmittel in den Körper, als eigentlich notwendig wäre. Verbunden mit der unzuverlässigen Einnahme der Antibiotika entstehen so Bakterienstämme, die eine Behandlung überleben und somit ihre Resistenzen weitervererben können.
- Mangelhafte Abwasserreinigung in der Pharmaindustrie und unsachgemäße Entsorgung von Medikamenten führen dazu, dass auch in Seen und Flüssen multiresistente Keime entstehen.
Ein zweiter „Nährboden“ für die Entstehung multiresistenter Keime ist die industrielle Nutztierhaltung:
Aufgrund schlechter Haltungsbedingungen erkranken Nutztiere häufig an Infektionskrankheiten. Die langfristige und häufig präventive Gabe von Antibiotika ist auch hier höchst problematisch. Denn durch Ausscheidungsprodukte und andere Abfälle aus der Tierhaltung gelangen multiresistente Keime ins Abwasser und somit auch in die Gewässer.
Dazu kommt der Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika, die gegen hochgefährliche und bereits resistente Erreger eingesetzt werden. So entsteht eine gefährliche Spirale, durch die von Mastbetrieben eine wachsende Zahl multiresistenter Keime ausgeht.
Welche Arten von multiresistenten Keimen gibt es?
Anhand der Zahlen, welche Keime in Krankenhäusern zu wie vielen Infektionen führen, lässt sich erschließen, welche MRE am weitesten verbreitet sind:
- MRSA: Der in Deutschland am häufigsten vorkommende multiresistente Keim ist der Staphylococcus aureus. Dieses Bakterium ist gegen das Antibiotikum Methicillin und viele andere Antibiotika resistent und wird daher meist Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – kurz MRSA – genannt. MRSA verursacht Wundinfektionen, Atemwegsentzündungen, Harnwegsinfektionen und Blutvergiftungen. Aufgrund seiner ausgeprägten Resistenzen ist er nur schwer behandelbar.
- VRE: Die sogenannten Enterokokken sind Bakterien, die bei vielen gesunden Menschen in der Darmflora und in vielen Lebensmitteln vorkommen. Der wichtigste Vertreter der Enterobakterien heißt Escherichia coli. Bei geschwächtem Immunsystem können Enterokokken Darminfektionen, Harnwegsinfekte oder Blutvergiftungen auslösen. Weil viele Enterokokken eine Resistenz gegen das Antibiotikum Vancomycin besitzen, spricht man auch von Vancomycin-resistenten Enterokokken – kurz VRE.
- Pseudomonas aeruginosa: Dieses Bakterium kommt hauptsächlich in feuchten Milieus wie Leitungswasser, Waschbecken, Duschen oder Toiletten vor und gehört zu den häufigsten Krankenhauskeimen. Es löst unter anderem eitrige Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Blutvergiftungen, Hirnhautentzündungen und Darmentzündungen aus.
- Acinetobacter: Bakterien dieser Gattung entwickeln immer mehr Resistenzen gegen gängige Antibiotika. Es kommt bei Patient:innen mit geschwächtem Immunsystem daher immer öfter zu Krankenhausinfektionen. Das betrifft vorrangig Beatmungspatient:innen auf Intensivstationen. Das Bakterium löst dabei vor allem Lungenentzündungen aus. Zu den möglichen Folgen zählen auch Blutvergiftungen, Hirnhautentzündungen und Wundinfektionen.
Einige der Erreger werden anhand der Art ihrer Resistenz benannt, so etwa die ESBL-Keime (Beta-Laktamase produzierende Enterobakterien). Sie sind in der Lage, die Antibiotika mithilfe eines Enzyms unwirksam zu machen.
Wie lassen sich multiresistente Keime bekämpfen?
Die Verbreitung multiresistenter Erreger und deren rasch wachsende Resistenzfähigkeit hat ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Seit vielen Jahren kämpfen Ärztinnen und Ärzte, Gesundheitsverbände und die Weltgesundheitsorganisation darum, die Gefahr einzudämmen.
Als erste Maßnahme wurde empfohlen, weniger Antibiotika zu verschreiben. Besser entwickelte Wirkstoffe sollen nur noch gezielt und nur bei schweren Fällen zum Einsatz kommen.
Darüber hinaus wird ein Umdenken in der industriellen Nutztierhaltung gefordert. Das wäre auch mit einem bedachteren und insgesamt reduzierten Konsum tierischer Nahrungsmittel verbunden. Landwirt:innen sind angehalten, Antibiotika nur bei vorliegenden Befunden und bei Verschreibung zu geben. Auf Antibiotika zur Wachstumsförderung sollen sie verzichten. Bei Bio-Tierhaltung ist das übrigens längst schon vorgeschrieben.
Außerdem empfehlenswert sind einige Sicherheitsmaßnahmen, die die Ausbreitung resistenter Erreger eindämmen sollen:
- Sorgfältige Hygiene soll Keime an der Ausbreitung hindern. Am wichtigsten ist dabei das regelmäßige und sorgfältige Händewaschen, vor allem nach dem Besuch von Orten mit hoher Erregerzahl wie beispielsweise Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
- Ärzt:innen sollen ihren Patient:innen bei weniger schweren Erkrankungen und bei Viruserkrankungen keine Antibiotika verschreiben. Bei lebensgefährlichen oder bedrohlichen Infektionen kommt auch die Zuverlässigkeit der Einnahme ins Spiel. Patient:innen sollten sich genau an die vorgeschriebenen Anordnungen halten und früher verschriebene Antibiotika später nicht einfach wiederverwenden.
- Lasse dich impfen. Es gibt zwar noch nicht viele Impfungen gegen bakterielle Infektionen, aber indem du eine Virusinfektion vermeidest, kannst du unnötiger Einnahme von Antibiotika entgegenwirken.
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Überarbeitet von Denise Schmucker
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