Naturstein-Siegel wie XertifiX oder Fair Stone wollen sicherstellen, dass unsere Steine nachhaltig sind. Wir haben uns angesehen, was hinter diesen Siegeln steckt.
Naturstein ist ein bewährtes, natürliches Baumaterial. Unsere Straßen sind damit gepflastert, Fassaden damit verkleidet, Natursteinplatten dienen als Böden für Terrassen, Plätze und Innenräume. Grabsteine, Säulen und Skulpturen werden aus Naturstein gefertigt. Das sieht edel aus, ist aber oft teuer.
Die günstige Alternative sind Importsteine aus Indien oder China, sie sind die weltgrößten Naturstein-Lieferanten. Doch Steine aus diesen Ländern geraten immer wieder in die Kritik: Kinderarbeit, Schuldknechtschaft und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen sind der Preis für billigen Naturstein aus Fernost.
Naturstein-Siegel für faire Steine
Andererseits ist ein Importstopp auch keine Lösung, die Natursteinproduktion schafft gerade in armen Regionen benötigte Arbeitsplätze. Stattdessen sollen Zertifizierung und Siegel dafür sorgen, dass nur unter fairen Arbeitsbedingungen gewonnener Naturstein nach Europa importiert wird. Derzeit sind das fünf: XertifiX, XertifiX PLUS, Fair Stone, IGEP Naturstein und TFT Responsible Stone. Wir haben uns angesehen, was hinter diesen Siegeln steckt.
XertifiX und XertifiX PLUS
XertifiX und XertifiX PLUS werden beide von XertifiX e.V. aus Freiburg vergeben. Der Verein wurde 2005 in Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfsprojekt MISEREOR von einer Gruppe Steinmetz*innen gegründet. Diese wollten wirtschaftlich mit den Großimporteuren der billigen Natursteine mithalten können – jedoch nur, wenn diese ohne die sozialen Negativaspekte produziert worden waren.
Der XertifiX-Prozess ist zweistufig: Zertifiziert werden Steinbrüche und Verarbeitungsbetriebe gemeinsam, in beiden müssen die Pflichtbedingungen erfüllt sein. Zusätzlich erhält jede Lieferung Steine ein Siegel, wenn diese entsprechend den Kriterien von XertifiX produziert wurden.
Zu den Pflichtbedingungen zählen:
- Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit in jeder Form
- angemessene Entlohnung (wenigstens Mindestlohn) sowie Zugang zu Gewerkschaften für die Arbeiter*innen
- Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen (Ausrüstung und Sicherheitsvorkehrungen)
- und lückenlose Rückverfolgbarkeit der Lieferkette.
Für XertifiX PLUS müssen zusätzlich noch weitere Bedingungen des Kriterienkatalogs der Organisation erfüllt sein.
Was kann XertifiX leisten – und was nicht?
XertifiX und XertifiX PLUS werden jeweils für ein Jahr vergeben und zweimal jährlich kontrolliert, einmal davon unangekündigt. Beide Label haben relativ strenge, an den Regeln der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) orientierte Kriterien.
Trotzdem sind die XertifiX-Siegel keine Nachhaltigkeitslabel im engeren Sinn. Sie konzentrieren sich auf die soziale Verantwortung und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen speziell in indischen Steinbrüchen und Betrieben. Weitere Kritik an XertifiX: Zwei Kontrollen pro Jahr seien zu wenig, und eine für die Verbraucher*innen nachvollziehbare Dokumentation der Ergebnisse würde fehlen.
WiN=WiN Fair Stone
Fair Stone zertifiziert als Nachhaltigkeitslabel der WiN=WiN GmbH seit 2009 Natursteine, die sozial- und umweltverträglich abgebaut wurden. Das Label entstand in Zusammenarbeit mit deutschen Natursteinhändlern, der International Social Security Association und weiteren Expert*innen. Der speziell für die Natursteinbranche entwickelte Standard setzt sich aus vier Bereichen zusammen:
- Organisation und Management in den Betrieben (etwa lückenlose Rückverfolgbarkeit aller Lieferungen)
- Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (Schutzausrüstung, Sicherheitsvorkehrungen, Schulung der Arbeiter*innen)
- Arbeitsrechtliche Kriterien (keine Kinder- oder Zwangsarbeit, angemessene Arbeitszeiten und Löhne sowie weitere ILO-Regelungen)
- Umweltschutzkriterien (Abfall, Energie- und Wasserverbrauch, Renaturierung von Steinbrüchen)
Geprüft wird die Einhaltung in drei Stufen. Jährlich erfolgt eine Selbstkontrolle des Betriebs und die Erstellung eines Plans für die Umsetzung der Kriterien. Es folgen angekündigte und unangekündigte Kontrollen durch Fair Stone. Nach spätestens drei Jahren erfolgt ein Audit durch unabhängige Stellen. Das vergebene Zertifikat gilt für drei Jahre, danach muss das Audit wiederholt werden.
Wie fair ist Fair Stone wirklich?
Die Anforderungen von Fair Stone sind vor allem im Umweltbereich umfassender als die der anderen Naturstein-Siegel. Dennoch muss auch das Fair Stone-Label Kritik einstecken. Drei Jahre Gültigkeit bis zum nächsten Audit erscheint sehr lange. Die Kontrollen dazwischen überprüfen nur die Fortschritte bei der Umsetzung des Standards und die korrekte Nutzung des Logos. Darüber hinaus wird Fair Stone hauptsächlich in steinverarbeitenden Betrieben umgesetzt. Die Steinbrüche werden nicht oder wenig kontrolliert. Damit ist ein Teil der Lieferkette von der Zertifizierung weitgehend ausgenommen.
TFT Responsible Stone-Program
Das Responsible Stone-Program vergibt anders als die übrigen Naturstein-Siegel keine Zertifikate. Stattdessen werden die Mitglieder angehalten, die Arbeitsbedingungen laut den Regeln der ILO schrittweise umzusetzen. Absolute Transparenz, auch bei Subunternehmern ist dem Trägerverein TFT dabei wichtig. Kontrollen werden von verschiedenen NGOs vor Ort durchführt, nicht jedoch von TFT selbst.
Das Responsible Stone-Program ist in drei Level aufgeteilt:
- RSP Level 1: Keine Kinder- oder Zwangsarbeit, Bezahlung der Mindestlöhne, ordentliche Arbeitsverträge, keine Diskriminierung und sichere Arbeitsbedingungen
- RSP Level 2: Zusätzlich noch geregelte Arbeitszeiten, Recht auf Gewerkschaften und Kollektivverträge, Beschwerdemanagement und umfassende Umweltschutzmaßnahmen
- RSP Level 3: Level 2 und Bezahlung existenzsichernder Löhne, starke regionale Verbundenheit, Arbeitsbedingungen auf internationalem Standard und aktives Vorgehen gegen Diskriminierung
IGEP Naturstein-Zertifikat
IGEP ist ein privates Beratungsunternehmen als indisch-deutsche Kooperation zur Exportförderung. Zertifiziert werden neben Natursteinen auch Teppiche, Lederwaren, Textilien, Schmuck und viele andere Güter. Ziel der IGEP sind, neben der Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland, auch bessere Lebensbedingungen in Indien.
Die geprüften Kriterien sind daher für alle Produktgruppen gleich: keine Kinder- oder Zwangsarbeit, gesunde, ungefährliche Arbeitsbedingungen, Zahlung der Mindestlöhne, keine Diskriminierung, Umweltschutzbewusstsein und noch einige weitere ILO-Regelungen.
Kontrolliert wird das für zwei Jahre vergebene Zertifikat angekündigt und unangekündigt. Darüber hinaus wird auch jede einzelne Lieferung mit einem Siegel der IGEP versehen. Das Unternehmen setzt dabei auf Kooperation und die Regelung über die Nachfrage nach fair produzierter Ware. Vor allem deswegen gibt es Kritik am IGEP Siegel, aber auch wegen der wenig transparenten Kontrollen. Zudem werden einige Mindestanforderungen im Umweltbereich nicht erfüllt.
Utopia-Fazit: was Naturstein-Siegel bringen
Importsteine aus Indien oder China sind wegen der langen Transportwege und der schlechte Arbeitsbedingungen in diesen Länder grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten. Nachhaltiger sind Natursteine aus der unmittelbaren Umgebung – allerdings auch oft deutlich teurer.
Siegel und Zertifikate für Natursteine sollen die Einhaltung sozialer Mindeststandards gewährleisten. XertifiX, Fair Stone, TFT Responsible Stone Program und IGEP Naturstein Zertifikat haben allerdings ein gemeinsames Problem: Die entsprechenden Kontrollen sind in der Realität kaum umzusetzen. Das heißt aber nun nicht, dass du auf diese Siegel verzichten solltest. Je mehr danach gefragt wird, desto mehr Einfluss haben die zertifizierenden Organisationen und desto mehr Kontrollen sind möglich. Unabhängige Kontrollen werden dabei lediglich von XertifiX und Fair Stone durchgeführt, die anderen Organisationen setzen auf Zusammenarbeit mit den Betrieben. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ werden daher die Siegel von XertifiX und Fair Stone als glaubwürdiger eingestuft. Ob das tatsächlich so ist, musst du allerdings für dich selbst entscheiden. Alle vier Siegel zeigen zumindest den Willen zu sozial verträglichen Arbeitsbedingungen in der Natursteinproduktion.
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