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„Paludikultur“: Wie Landwirtschaft im Moor helfen könnte, das Klima zu retten

Moore: Wiedervernässung schützt das Klima
Fotos: CC0 Public Domain / Pixabay – Anja

Einst trockengelegte Moore wieder zu vernässen, könnte einen riesigen Klimaschutzeffekt haben. Doch es geht nur schleppend voran, es fehlt an Investitionen und politischen Anreizen. Kann die sogenannte „Paludikultur“, also Landwirtschaft im nassen Moor, dennoch Erfolg haben?

Die neuesten Zahlen der Internationalen Union für Naturschutz (IUCN) zu entwässerten Torfmooren und zum Klimawandel sind erschreckend. Obwohl diese trockengelegten Feuchtgebiete nur 0,3 % der globalen Landmasse bedecken, stoßen sie jedes Jahr 1,9 Gigatonnen Kohlendioxid aus – das entspricht 5 % der weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen.

Dieser außergewöhnlich hohen Werte machen deutlich, wie wichtig Moore sind, um Kohlenstoffemissionen zu senken und den Klimawandel zu bekämpfen. Feuchtgebiete speichern mehr Kohlenstoff als alle anderen Vegetationstypen auf der Welt und bewahren neben ihrer enormen Speicherkraft auch die biologische Vielfalt, verbessern die Wasserqualität und minimieren das Hochwasserrisiko.

Intakte Moore neben Torfabbauflächen im Baltikum
Intakte Moore neben Torfabbauflächen in Dänemark. (Foto: © ESCI)

Das kann Land- und Forstwirtschaft im nassen Moor

Angesichts der eindeutigen Vorteile für das Klima ist es nicht verwunderlich, dass die „Paludikultur“ an Dynamik gewinnt und neue Märkte entstehen. Darunter versteht man die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von nassen Mooren.

Für Schilf oder Reet gibt es bereits einen globalen Markt: als Material zum Dachdecken. Aber auch andere Pflanzen aus dem Moor lassen sich vielfältig nutzen. Das prominenteste Beispiel ist die aus Nordamerika stammende Cranberry. Diese gilt in Europa – beispielsweise auf Sylt – allerdings als invasiv und sollte daher nicht landwirtschaftlich angebaut werden. Ihr heimischer Verwandter, die gewöhnliche Moosbeere, kommt bisher nur als Wildsammlung auf den Markt.

Die bedrohten Moorpflanzen Gagelstrauch, Moltebeere und Sonnentau sind mit ihren Inhaltsstoffen für Medizin und Kosmetik attraktiv, Wasserminze wird zu Tee verarbeitet. Rohrkolben, Rohrglanzgras und Schilf können zur Isolation, als Einstreu in der Viehhaltung, in der Papier- und Verpackungsindustrie oder zur Energiegewinnung verwendet werden.

Feuchtgebiete haben in der Landwirtschaft also großes Potenzial. Doch noch nutzt sie kaum jemand entsprechend, weltweit gibt es nur wenige tausend Hektar Paludikultur. Warum? Ein großer Teil der Antwort liegt in Vorschriften und Regeln, der andere in den hohen Investitionskosten für Maschinen zur Bewirtschaftung und Weiterverarbeitung.

Gesetze und Vorschriften behindern

Professor Christian Fritz ist Moorwissenschaftler und Öko-Hydrologe an der Radboud-Universität in den Niederlanden. Gemeinsam mit 13 Partnern aus acht europäischen Ländern erforscht er im Projekt WET HORIZONS die Umsetzbarkeit der Moor-Bewirtschaftung. Er ist sich sicher, dass die heutige Gesetzgebung falsche Anreize setzt.

„Wenn es um Vorschriften, Gesetze, Subventionen und die Frage geht, wer jetzt und in Zukunft die Kosten trägt, dann wird alles auf eine auf Entwässerung basierende Landwirtschaft ausgerichtet.“

Professor Christian Fritz, Moorwissenschaftler

Fritz sagt: „Vor diesem Hintergrund ist die Paludikultur einfach nicht vorhanden.“

Paludikultur: Zucht verschiedener Torfmoossorten in Schottland
Bewirtschaftung eines nassen Moors: Zucht verschiedener Torfmoossorten in Schottland. (Foto: © ESCI)

Dr. Anke Nordt, Paludikultur-Forscherin am Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald, stimmt Fritz zu. Sie hebt auch hervor, wie die lange Geschichte und das enorme Ausmaß der Entwässerung von Mooren die heutigen politischen Rahmenbedingungen geprägt haben. Als Beispiel nennt sie die Gemeinsame Agrarpolitik der EU: „Sie schützt einerseits Feuchtgebiete und Moore, doch es gibt weiterhin Subventionen für die Landwirtschaft auf entwässerten Mooren.“

In ähnlicher Weise helfen die EU-Wasserrahmenrichtlinie und das deutsche Wasserhaushaltsgesetz, die beide dem Schutz von Gewässern dienen sollen, Wiedervernässungsprojekten nicht. „Die EU-Wasserrahmenrichtlinie schützt einen Wasserlauf und seine Arten, die vor zehn Jahren, als das Land entwässert wurde, vorhanden waren“, sagt Nordt.

Der Weg nach vorn: Diese Projekte setzen sich für Paludikultur ein

Die Forschenden sprechen sich für einen EU-gesteuerten Nachfragepuffer aus, der den beteiligten Landwirt:innen Sicherheit verspricht. Vereinfacht gesagt sollen die Regierungen die Moor-Produkte aufkaufen, um sie dann der Weiterverarbeitung zuzuführen. „Wenn es auf Industrieseite zu Verzögerungen kommt, kann [die Ernte] zumindest eine oder zwei alternative Verwendungsmöglichkeiten finden“, so Fritz. “Die Regierungen haben enorme Investitionen getätigt, um sowohl nachfrage- als auch angebotsseitige Puffer auf dem Erdgas- und Benzinmarkt zu haben – dies ist eine sehr gängige Praxis.“

Mark Reed, Professor am Scotland’s Rural College in Edinburgh und Autor des „Research Impact Handbooks”, sieht vor allem in einer anwendungsorientierten Forschung die Lösung:

„Es ist an der Zeit, dass die Forschung im Bereich des Klimawandels einen neuen Schwerpunkt setzt: von der Erforschung der Ursachen hin zur Entwicklung konkreter Lösungen.“

Andere Akteure sprechen sich gegen eine weitere Regulierung aus und wollen die Entwicklungen lieber dem Markt überlassen. Trotz vieler Unklarheiten gibt es Fortschritt: Projekte wie WET HORIZONS, ALFAwetlands, MOOSland und PRINCESS erforschen wirtschaftliche Möglichkeiten zur Wiedervernässung von Mooren. Die in Deutschland ansässige Initative toMOORow, der 14 namhafte Unternehmen hauptsächlich aus der Bau-, Verpackungs-, Dämmstoff-, Holz- und Papierindustrie angehören, baut Wertschöpfungsketten für Moor-Produkte auf. Auch gründen sich immer mehr Start-ups zum Thema.

Standardisierte Treibhausgas-Messung (nach GreenHouseGas Protocol) im Moor
So sieht eine standardisierte Treibhausgas-Messung (nach GreenHouseGas Protocol) im Moor aus. (Foto: © ESCI)

In Zusammenarbeit mit der Universität Greifswald hat „Moor and More“ ein kleines Haus aus Paludikulturprodukten gebaut, um zu demonstrieren, was dieses Landwirtschaftssystem leisten kann. Die Initiative „ZukunftMoor“ hat sich mit dem Greifswald Moor Centrum und der in Greifswald ansässigen Succow-Stiftung zusammengetan und renaturiert Moore mit einer Fläche von 20 Hektar oder mehr, um Torfmoos anzubauen. Auch dieses Start-up hofft, weitere Investor:innen sowie Partner:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft für die Weiterentwicklung der Produktion zu gewinnen.

Fazit: Die Land- und Forstwirtschaft im nassen Moor bietet viel Potenzial und trägt nachhaltig zum Klimaschutz bei. Es wäre wünschenswert, dass sie sich auf vielen ehemaligen Mooren durchsetzt.

Dieser Text wurde bereitgestellt vom European Science Communication Institute (ESCI) und von der Utopia-Redaktion geprüft und überarbeitet.

Autorinnen: Diana Bautista & Rebecca Pool

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