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Pinkwashing: Das steckt dahinter

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Foto: CC0 / Pixabay / jhenning_beauty_of_nature

Von Pinkwashing ist die Rede, wenn sich Unternehmen aus Marketinggründen mit der LGBTIQ-Bewegung solidarisieren. Ernsthaftes Engagement steht dann selten dahinter. Woran du Pinkwashing erkennst und wieso es problematisch ist, liest du hier.

Mit dem Vorwurf des „Pinkwashing“ sehen sich in letzter Zeit immer wieder Unternehmen und Firmen konfrontiert. Der kritische Begriff bezeichnet Werbestrategien, die den Eindruck erwecken sollen, das Unternehmen identifiziere sich mit Homo-, Bi und Transsexuellen und trete für ihre Rechte und Ziele ein. Oft, so die Kritik, handelt es sich bei solchen Kampagnen aber um eher oberflächliche Werbemaßnahmen. Pinkwashing dient vor allem dazu, die betreffenden Unternehmen als weltoffen und fortschrittlich zu präsentieren, statt tatsächlich aktiv die LGBTIQ-Gemeinde zu unterstützen.

Das Wort selbst ist eine Variation des Begriffs „Greenwashing„, der vergleichbare Imagekampagnen im Bereich des Umweltschutzes bezeichnet. Ein „grüngewaschenes“ Unternehmen bewirbt sich selbst als nachhaltig und umweltfreundlich, ohne diesem Ruf in der Praxis gerecht zu werden. Beide Bezeichnungen gehen auf den englischen Begriff für Schönfärberei (whitewashing) zurück.               

Pinkwashing: Darum ist es problematisch

Den Pride Month machen sich auch Unternehmen zunutze - nicht immer aus voller Überzeugung.
Den Pride Month machen sich auch Unternehmen zunutze – nicht immer aus voller Überzeugung.
(Foto: CC0 / Pixabay / rihaij)

Vor allem in Rahmen des sogenannten Pride Month werben viele Unternehmen und Firmen mittlerweile mit Symbolen der LGBTIQ-Bewegung, beispielsweise der Regenbogen-Flagge. Der Pride Month wird in den USA traditionell im Juni gefeiert – ursprünglich, um der Stonewall-Unruhen in New York zu gedenken. Ende Juni 1969 kam es dort im Stonewall Inn, einer Bar mit homo- und transsexueller Stammkundschaft, zu einer gewalttätigen Polizei-Razzia. Die Folge waren tagelange Auseinandersetzungen, aber auch eine gefestigte Solidarität der homo- und transsexuellen Szene untereinander. Aus diesem Selbstverständnis ging schließlich die Lesben- und Schwulenbewegung hervor, ein Vorläufer der heutigen LGBTIQ-Gemeinde. 

Der Pride Month steht für den offenen und selbstbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität. Dass sich große Unternehmen symbolisch mit dieser Zielsetzung identifizieren, trifft einerseits durchaus auf Lob und wird als Zeichen einer offeneren Gesellschaft verstanden. Andererseits werfen Kritiker:innen vielen Unternehmen genau diesen Symbolcharakter vor: Häufig gehe das Engagement der Firmen nicht über Lippenbekenntnisse hinaus – oder ihr Verhalten in der Praxis stehe sogar im Widerspruch zu den weltoffenen Idealen der Eigenwerbung. Solche Fälle gelten dann als Pinkwashing. 

Pinkwashing bei Großkonzernen: Zwei Beispiele

BMW wurde im Sommer 2021 wegen seines Logos Pinkwashing vorgeworfen.
BMW wurde im Sommer 2021 wegen seines Logos Pinkwashing vorgeworfen.
(Foto: CC0 / Pixabay / adymyabya)

Zwei aktuelle Beispiele für dieses Phänomen sind Kampagnen der deutschen Autohersteller BMW und Daimler.

Im Juni 2021 hatte BMW sein Firmenlogo auf dem internationalen Instagram-Account mit den Regenbogenfarben versehen. Auf den Accounts für Saudi-Arabien, Russland und Polen dagegen behielt BWM das Standard-Logo bei. Darüber berichtete unter anderem der Bayerische Rundfunk. Das stieß vielfach auf Kritik, weil die Regierungen dieser Staaten das offene Ausleben von Homosexualität einschränken oder gar ahnden. Gerade vor diesem Hintergrund hätte der Autokonzern also mit dem Regenbogen-Logo ein Zeichen setzen können. Der Verzicht darauf legt für Kritiker:innen nahe, dass bei der Kampagne eher der Profit des Unternehmens im Mittelpunkt gestanden habe. Echtes Engagement für die LGBTIQ-Bewegung habe BMW mit der zweigleisigen Werbeaktion nicht gezeigt – also ein Fall von Pinkwashing. 

Auch der Autokonzern Daimler musste sich im Juni 2021 den Vorwurf des Pinkwashing gefallen lassen. In verschiedenen sozialen Netzwerken hatte Daimler den charakteristischen Mercedes-Stern in den Farben der Regenbogenflagge eingefärbt. Wiederum beschränkte sich diese Aktion aber auf den europäischen Raum. Niederlassungen des Konzerns im Mittleren Osten nahmen laut dem Nachrichtenportal BW24 nicht daran teil. Besonders scharf verurteilen außerdem einige Kritiker:innen, dass Daimler Militärfahrzeuge an menschenrechtsverletzende Länder wie Saudi-Arabien liefert, in denen unter anderem auch Homosexualität verfolgt und bestraft wird. Die Glaubwürdigkeit der Regenbogen-Aktion leide auch darunter sehr.  

Pinkwashing und echtes Engagement: Warum der Unterschied wichtig ist

Produkte mit der Regenbogenflagge: Unterstützung oder Profit?
Produkte mit der Regenbogenflagge: Unterstützung oder Profit?
(Foto: CC0 / Pixabay / pontinsu)

Diese Beispiele verdeutlichen das Hauptmerkmal von Pinkwashing: Eine Kluft zwischen Selbstdarstellung und tatsächlichem Handeln. Das unterschlagene Regenbogen-Logo in LGBTIQ-feindlichen Ländern ist dabei aber nur eine von vielen Formen, die Pinkwashing annehmen kann. Ob es einem Unternehmen mit der Unterstützung homo-, bi- und transsexueller Menschen ernst ist oder nicht, zeigt sich an verschiedenen Stellen – nicht zuletzt im Umgang mit der eigenen Belegschaft. Wie sensibilisiert ist das Unternehmen beispielsweise für Diversität? Sind queere Menschen ausreichend repräsentiert und herrscht ein offenes Arbeitsklima, in dem sie sich wohlfühlen? Geht das Unternehmen aktiv gegen sexuelle Diskriminierung von Mitarbeiter:innen vor, zum Beispiel durch Gleichstellungsbeauftragte? Wie viel Arbeit in diesen Bereichen noch aussteht, zeigt eine aktuelle Studie des DIW Berlin, der zufolge sich ein Drittel der LGBTIQ-Menschen im Arbeitsalltag gegenüber Kolleg:innen nicht outen möchte – aus Angst vor Diskriminierung. 

Darüber hinaus kann es auch aufschlussreich sein, was mit den Profiten passiert, die ein Unternehmen durch Kampagnen oder Produkte mit LGBTIQ-Bezug erwirtschaftet. Bleiben die Einnahmen beim Unternehmen selbst oder unterstützt es beispielsweise gemeinnützige Projekte durch Spenden? 

Positive Gegenbeispiele zu Pinkwashing bietet zum Beispiel der Diversity Index der UHLALA-Group, die sich selbst als „eines der führenden LGBTIQ+ Sozialunternehmen in Deutschland“ bezeichnet. Der Index listet in einem jährlichen Ranking Unternehmen auf, die sich besonders verdient um Diversität am Arbeitsplatz gemacht haben. Faktoren für eine positive Bewertung sind zum Beispiel die interne und externe Kommunikation von LGBTIQ-Themen, Schulungen und Sensibilisierungen von Angestellten und die angemessene Umsetzung eines Diskriminierungsschutzes.           

Oft genügt so schon ein etwas genauerer Blick, um Pinkwashing von echtem sozialem Engagement zu unterscheiden. Und diese Unterscheidung ist wichtig. Gelegentlich wird Pinkwashing zwar mit dem Argument verteidigt, dass es auch bei fehlender Ernsthaftigkeit dazu beitrage, die LGBTIQ-Gemeinde sichtbarer zu machen. Problematisch bleibt dabei aber der sorglose Umgang mit Symbolen wie der Regenbogenflagge, die eigentlich für Offenheit, Toleranz und gesellschaftlichen Wandel stehen: Durch oberflächliche und profitorientierte Verwendung können sie an Bedeutsamkeit verlieren und beliebig werden. 

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