Viele mögen die Kaffee-Variante in den kleinen Döschen namens Nespresso aus dem Hause Nestlé. Doch dabei entsteht pro Tasse vor allem viel Müll. Da die Kapseln aus Aluminium bestehen, fragt Utopia: Wie steht es um die Umweltbilanz? Diskutieren Sie das Thema mit der Community.
Bereits in den 80iger Jahren erfand der Lebensmittelkonzern Nestlé die kleinen bunten Portionskapseln für Kaffee, die sich in den vergangenen Jahren weltweit ausbreiteten. Die Gewinne dieses Tochterunternehmens Nespresso wuchsen seit acht Jahren um durchschnittlich 30 Prozent pro Jahr, im vergangenen Jahr erreichte das Unternehmen zwei Milliarden Schweizer Franken Umsatz (ca. 1.3 Milliarden Euro). Die Kaffeeprodukte werden in erster Linie über das Internet, per Telefon oder Fax bestellt, rund 190 sogenannte „Boutiquen“, Verkaufsstellen, in denen ausschließlich Nespresso angeboten wird, sind im Stammland Schweiz weit verbreitet.
In Deutschland gibt es bislang nur sieben Filialen, zwei davon in München. Laut Hans-Joachim Richter, Direktor für Unternehmenskommunikation bei Nespresso, werden rund 50 Prozent der Kaffeeprodukte über das Internet vertrieben, auf diese Weise sei man ganz nah an den Kunden, deren Feedback auch den Anstoß für den aktuellen Fokus auf nachhaltige Wirtschaftsweise gegeben habe.
Öko, fair, energieeffizient
Tatsächlich wurde das Unternehmen in den vergangenen Jahren aktiv, stellte im Juni seine Initiative „ecolaboration“ vor, in der die Nachhaltigkeitsziele bis 2013 gebündelt werden. Kritisch anzumerken ist bereits hier, dass die Informationen über das Programm ausschließlich in englischer Sprache abrufbar sind – als Antwort auf ein Kundenfeedback wäre hier ein bisschen mehr Bemühen und zumindest die Übersetzung in die Sprachen der Hauptabsatzmärkte zu erwarten gewesen.
Bis zum Jahr 2013 soll unter anderem der Anteil an sogenanntem „AAA Sustainable Quality“-Kaffee von derzeit 50 auf 80 Prozent erhöht werden, und von Rainforest Alliance zertifiziert sein, einer NGO, der Kritiker ihre starke Wirtschaftsorientierung vorwerfen. Die ökologischen (und Qualitäts-) Standards seien zwar in Ordnung, die soziale Komponente komme jedoch zu kurz, die zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Bauern sei zu gering. Dazu erklärt Richter: „Rainforest Alliance ist eine NGO und leistet keine Zahlungen an Farmer. Nespresso zahlt einen Preispremium [Differenz zum Konkurrenzpreis, Anm. d. Red.] von 35 Prozent über dem New Yorker Kaffeepreis und zehn bis 15 Prozent Premium in Vergleich zu Qualitätskaffees gleicher Güte.“
Weitere Ziele von Nespresso sind ein kleinerer Carbon-Footprint je Tasse Kaffee – unter anderem durch energieeffizientere Kaffeemaschinen –, aber auch ein um rund 15 Prozent verminderter Materialeinsatz je Aluminiumkapsel, sowie eine auf 75 Prozent erhöhte Recyclingquote. Mit diesen Zielen offenbart sich ein Kernproblem des Systems: die Abfallbilanz.
Wie ökologisch ist Recycling?
Um der Kritik zu begegnen, den wertvollen Rohstoff Aluminium zu verschwenden, bemüht sich Nespresso um Recycling, dazu bedient sich das Unternehmen verschiedener Systeme. In der Schweiz zum Beispiel wurde ein engmaschiges Rücknahmenetz in den „Boutiquen“ und an 2000 weiteren Stellen eingerichtet, zu denen die Kunden ihre benutzten Kapseln bringen können – bzw. sollen, denn so richtig rund läuft das System noch nicht. „Theoretisch werden 96 Prozent der Kunden abgedeckt, sie finden also in ihrer näheren Umgebung eine Rückgabestelle“, erläutert Richter den Ansatz, „leider beträgt die Recyclingquote hier trotzdem bislang nur 60 Prozent. Das wollen wir ändern.“
In Deutschland wiederum kümmert sich das Duale System Deutschland (DSD) um das Recycling, die Kapseln werden über die gelbe Wertstofftonne eingesammelt, rund 70 Prozent des in Umlauf gebrachten Aluminiums werden nach Betreiberangaben vom System erfasst. Das heißt, 30 Prozent gehen immer noch verloren, zum einen in der Sortieranlage, zum anderen, weil die Konsumenten ihren Müll nicht richtig trennen und der Rohstoff im Restmüll landet.
„Verpackungen möglichst vermeiden oder vermindern und anfallende Verpackungen verwerten – dazu sind Hersteller und Abfüller seit In-Kraft-Treten der Verpackungsverordnung im Jahr 1991 verpflichtet“, heißt es auf der Website zum Grünen Punkt/Duales System Deutschland. Dem Vermeiden und Vermindern kommt Nespresso auf jeden Fall nicht nach, wie ein kurzes Testwiegen ergibt: Sieben Gramm Espresso gelten als Richtwert für eine Tasse, ergibt etwa 35 Tassen aus einer 250-Gramm-Packung.
Für die gleiche Anzahl Tassen fallen bei Nespresso rund 40 Gramm Aluminiumschrott an (gut ein Gramm je Kapsel), bei der Standarddose aus Weißblech sind es 85 Gramm. Beim eingeschweißten Vakuumpaket (zum Nachfüllen der Dose) sind es hingegen maximal zwei bis drei Gramm Alufolie – oder noch energiesparender: dünne Plastikfolie. Und wer über eine Mühle verfügt und ganze Bohnen kauft, muss auch nicht auf frisch gemahlenen Kaffee verzichten.
Hans-Joachim Richter schwört auf den Rohstoff Aluminium, die Kapseln bestünden bereits zu 80 Prozent aus Recycling-Aluminium: „Aluminium ist ohne Qualitätsverlust zu 100 Prozent recycelbar. Das Material ist von seinen Eigenschaften ideal um den frisch gemahlenen Kaffee für mindestens ein Jahr frisch zu halten. Außerdem ist es ein hochwertiger Stoff, der einen Anreiz zum Recycling bietet“, und auch die Energiebilanz könne sich sehen lassen: „Nur fünf Prozent der Energie fallen für die Produktion von Recycling-Aluminium an im Vergleich zu neugewonnenem“, argumentiert Richter.
Die eigene Suppe auslöffeln
Auf den ersten Blick strengt sich Nespresso durchaus an, um sich als verantwortungsvoller Player zu positionieren. Doch insbesondere im Abfallbereich scheint das zu lösende Problem hausgemacht – wenn sich Nespresso nun verstärkt um die Lösung bemüht, gibt es noch lange keinen Orden dafür.
Auch wenn das Alurecycling soviel energiesparender ist als die Erstproduktion, bleibt eine verzichtbare Verwendung des Rohstoffs ein nicht-nachhaltiger Vorgang. Zumal die Energie für das Trennen der Wertstoffe und den Rücktransport noch nicht eingerechnet ist. Nespresso hat das Bedürfnis nach Tasse für Tasse frisch gemahlenem Espresso geweckt, um es zu stillen, ist ein deutlich höherer Rohstoffumsatz nötig, als für das konventionelle Produkt.
Zwar führt die Gesamtstrategie des Unternehmens zu effizienteren Kaffeemaschinen, Aufklärungskampagnen zum Recycling sowie nachhaltigeren und sozial-gerechteren Anbaubedingungen. Die starke Ausbreitung des Systems – gemessen am wachsenden Umsatz – auch in Gegenden, die über keine oder wenig ausgereifte Recyclingsysteme verfügen, ist jedoch kritisch zu betrachten. Das Gleiche gilt für die Entwicklung, dass auch Hersteller großer Kaffeevollautomaten für Büroküchen auf das Nespresso-System setzen: Hier führen neben dem Geschmacksargument nur zwei Vorteile – verschiedene Geschmacksrichtungen und geringere Wartung, da kein Mahlwerk und keine Auffangschale gesäubert werden muss – zu einer großen Menge Abfall auf kleinem Raum.
Auch der Teemarkt treibt seltsame Blüten, so schwört die Marke Eilles aus dem Hause Darboven auf ihre „Tea diamonds“, nennt sie gar „Servier-Revolution“: Der vorwiegend in der Gastronomie genutzte Beutel besteht aus dem Kunststoff Nylon, bietet laut Hersteller geschmackliche Vorteile und soll weniger tropfen. Außerdem lassen sich grobe Tees (die vom Blatt hochwertigere Variante) rein verfahrenstechnisch nicht in Papierbeutel füllen.
Während die einen dafür kämpfen, auch noch auf die Eisenklammer am Beutel zu verzichten, damit er im Ganzen zu kompostieren ist, setzen die anderen auf den grünen Punkt: Für Eilles liegt es beim Verbraucher, den gezogenen Tee aus den Beuteln zu pulen und zu kompostieren, den leeren Beutel dann in die gelbe Tonne zu werfen. Wird ja recycelt … aber den Kellner, der in seinen Pausen die Teebeutel seziert, kann man sich dann doch nicht so recht vorstellen.
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