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Foto: suze, Quelle: photocase.com

Teilen statt Kaufen, das ist das Prinzip der Share Economy. Damit stellt sie Umweltschutz und Gemeinwohl in den Mittelpunkt. Doch wenn statt der Gemeinschaft vor allem die Anbieter profitieren, ist die Idee vom kollektiven Konsum bedroht.

Ein neues Zeitalter des Teilens

Neu ist das Konzept des gemeinsamen Nutzens nicht: Büchereien,  Wohn- und Fahrgemeinschaften gibt es schon lange. Doch erst das Web 2.0 und die Verbreitung von Smartphones konnte derartige A­­ngebote den Massen zugänglich machen – über Internetplattformen und Apps. Damit sind nicht nur neue Möglichkeiten des kollektiven Konsums entstanden, sondern auch lukrative Geschäftsmodelle. Zur „Share Economy“ („Teilwirtschaft“) im weiteren Sinne zählen Online- oder Offline-Angebote, mit deren Hilfe man Lebensmittel, Autos, Wohnungen, Kleider, Werkzeuge, Gärten und auch sonst so ziemlich alles teilen oder leihen kann. Das sind beispielsweise Angebote wie Whyownit, Leihdirwas, Foodsharing, diverse Mitfahrangebote und private Carsharing-Börsen. Aber auch gemeinschaftlich organisierte, dezentrale Projekte der Energiewende passen zu dem Prinzip der Share Economy.

Eigentlich gut: Teilen zum Wohl aller

Teilen schont die natürlichen Ressourcen, macht unseren Konsum ein wenig selbstbestimmter und spart Geld. Es ist eine ganz einfache Rechnung: Kaufen sich drei Nachbarn jeweils einen eigenen Akkuschrauber oder Rasenmäher, stecken darin dreimal Ressourcen für Produktion, Betrieb und Entsorgung. Teilen sich die drei Nachbarn dagegen ein Gerät, werden zweimal Ressourcen gespart. Die neue Kultur des Teilens, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat, ist also sehr begrüßenswert. Im Mittelpunkt der Share Economy steht die Vorstellung, Besitz gemeinsam zu nutzen. Mit anderen Worten: Es zählt nicht der Besitz sondern das Benutzen von Gegenständen und Dienstleistungen. Die neuen Formen des digital organisierten „Ko-Konsums“ haben so neben dem Schutz von natürlichen Ressourcen auch das Potenzial, Solidarität und direkten Kontakt in der (Stadt-)Bevölkerung wiederzubeleben.

Kommerzialisierung: Teilen mit Profit

Bei all der Euphorie für die neue Teil-Bewegung sollte man die Schattenseite mancher Angebote und Projekte nicht übersehen. Denn nicht bei allen neuen Plattformen und Apps steht tatsächlich das gemeinsame Nutzen von Gütern und Dienstleistungen im Mittelpunkt und nicht jeder Betreiber handelt aus Sorge um unseren Planeten.

Bei manchen Plattformen kann einem gar der Verdacht kommen, dass durch das neue Angebot kommerzialisiert wird, was bisher privat war – und das mit sattem Profit. Die Plattform AirBnB etwa, über die man private Wohnungen und Zimmer (ver)mieten kann, und die Mitfahrplattform Uber kassieren für jede Buchung Gebühren. Anstelle der viel beschworenen Abschaffung des „Mittelmanns“,  dienen nun Plattformen und Apps als Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage. Entgegen dem ursprünglichen Sharing-Gedanken, der sich nicht zuletzt auch aus Kapitalismuskritik speist, entwickeln sich hier einige Unternehmen mit eindeutig kommerziellen Interessen. Unternehmen, die sich damit bereichern, dass sie Privatleuten eine Möglichkeit präsentieren, sich zu bereichern. Zunehmend verdienen an derartigen Angeboten auch mit Risikokapital beteiligte Investoren: An den Plattformen AirBnB und Uber sind inzwischen mehrere mächtige Investmentunternehmen mit mehreren hundert Millionen Dollar beteiligt. Von der ursprünglichen Idee der Share Economy, der Wirtschaft des Teilens, sind diese Unternehmen inzwischen ziemlich weit entfernt.

Sehr viel näher am Teil-Gedanken – und auch nur ein kleiner Schritt vom profitorientierten Angebot – wären vergleichbare Angebote, die von lokalen oder regionalen Kooperativen getragen werden. Auf diese Weise ließe sich ein ökologisch sinnvolles Sharing-Angebot mit echter Gemeinwohlorientierung umsetzen.

Ausgebeutete Amateure

Während es aus ökologischer Sicht zweifellos sinnvoll ist, PKWs gemeinsam zu nutzen und Fahrten zu „teilen“, kann auch eine Plattform für Mitfahrgelegenheiten zu einer bedenklichen Kommerzialisierung führen: Voll professionalisierte Angebote wie Uber haben das Potenzial, qualifizierte Taxifahrer um ihren Verdienst zu bringen und sozial nicht abgesicherte Kleinunternehmer zu erschaffen. Sascha Lobo warnt angesichts solcher Angebote sogar davor, dass man „eine Dumpinghölle schafft, in der ausgebeutete Amateure nur dazu dienen, die Preise der Profis zu drücken.“ Auch unter steuerlichen Gesichtpunkten sind derartige Angebote, bei denen eine Privatperson für eine Dienstleistung von einer anderen Privatperson eine (finanzielle) Gegenleistung erhält, mindestens zweifelhaft.

Oft profitieren die, die haben

Leider gilt für viele Angebote, dass tendenziell diejenigen finanziell profitieren, die bereits durch Besitz oder Einkommen privilegiert sind: Wer ein Auto besitzt oder eine Wohnung in der Innenstadt bewohnt, kann diese für einiges Geld weitervermieten. Anders ist das bei Projekten, bei denen für die Nutzung von Dingen und Dienstleistungen kein Geld fließt – weder an den „Vermittler“ noch an den Besitzer. Auch von genossenschaftlich organisierten Projekten profitieren in der Regel alle Beteiligten.

So teilen wir richtig

Für sinnvoll halten wir prinzipiell Projekte, die tatsächlich Ressourcen schonen, indem sie dazu beitragen, dass weniger Waren neu produziert oder entsorgt werden müssen. Zukunftsweisend und wirklich nachhaltig sind Konzepte, die darauf basieren, dass Besitz gemeinsam genutzt wird. Idealerweise werden solche Projekte überwiegend von Leuten betrieben und genutzt, die dies aus Überzeugung und nicht mit vorwiegend kommerziellem Interesse tun. Dazu zählen wir beispielsweise die „Lebensmittelretter“-Plattform Foodsharing, die gegen Lebensmittelverschwendung kämpft. Auch Verleih-Plattformen und –Apps wie Whyownit und leihdirwas, auf denen man beispielsweise Geräte, die man selten benötigt, kostenlos (ver)leihen kann sowie die Seite garten-teilen.de passen unserer Ansicht nach zum Gedanken des kollektiven Konsums. Das private Carsharing entspricht ebenfalls diesen Prinzipien, birgt aber die Gefahr, dass Anbieter es in quasi-kommerziellem Stil nutzen. Wo genau die Linie verläuft zwischen gemeinwohlorientierten Projekten und solchen, bei denen der persönliche Vorteil der Betreiber oder Nutzer im Fokus steht, liegt letztendlich im individuellen Ermessen.

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