Der Stoizismus bietet eine praktische Anleitung, um gelassener mit Krisen umzugehen. Damit auch du im Alltag von der stoischen Philosophie profitieren kannst, erklären wir dir in diesem Artikel die wichtigsten Prinzipien.
Der Stoizismus ist eine philosophische Strömung, die ursprünglich aus dem antiken Griechenland kommt. Er hat drei Hauptströmungen: die antike, mittlere und jüngere Stoa.
Am bedeutendsten unter ihnen ist die jüngere Stoa. Sie lässt sich auf 100 bis 200 Jahre nach Christus datieren. Bekannte Vertreter dieser Denkweise sind die Philosophen Epiktet, Mark Aurel und Seneca.
Stoizismus: Damals und heute
Dem Stoizismus zufolge ist Glück das oberste Ziel des Menschen. Glück definiert der Stoizismus als Abwesenheit von Leiden der Seele und geistige Ausgeglichenheit. Dieser Zustand heißt auch Ataraxie. Eine wichtige Voraussetzung, um Glück im Leben zu erreichen, ist Besonnenheit. Besonnenheit bedeutet hierbei eine selbstbeherrschte Gelassenheit, auch in schwierigen Situationen. Der Verstand behält dabei die Kontrolle. Wenn du besonnen bist, triffst du Entscheidungen also rational und nicht impulsiv.
Der Stoizismus kann auch heute noch als praktische Lebenshilfe dienen und dabei helfen, besonnener und gelassener mit Schicksalsschlägen umzugehen – beispielsweise beim Verlust eines geliebten Menschen, einer Kündigung oder auch einem Umzug.
Seit den 1950er Jahren liefert der Stoizismus eine Grundlage für kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapien. Albert Ellis war einer der Psychotherapeut:innen, die sich auf den Stoizismus beriefen. In seiner rational emotionalen Psychotherapie verwendete er häufig die stoische Aussage, dass Menschen nicht emotional von Ereignissen betroffen sind, sondern von ihren Überzeugungen. Einfach gesagt bedeutet das, dass viele ihrer Probleme Kopfsache sind.
Stoizismus im Alltag: Innere Vorgänge
Der Stoizismus kann dir als praktische Lebenshilfe dienen und beim Umgang mit Schicksalsschlägen helfen. Mithilfe des Stoizismus kannst du mit Krisen gelassener umgehen und so zufriedener leben. Wie genau das geht, erklären wir dir anhand einiger Annahmen des Stoizismus und praktischer Tipps:
Die folgenden Tipps beziehen sich auf innere Vorgänge, die deine Psyche betreffen:
- Deine Gedanken stehen unter deiner Kontrolle. Gebrauche sie mit Vernunft und lasse deine Ansichten nicht von außen beeinflussen.
- Trenne Meinungen von Dingen und die Dinge selbst voneinander. Oft sind es die Meinungen oder Ansichten, die wir von etwas haben, die uns beunruhigen. Wenn du zum Beispiel einen Vortrag halten musst, versuche den Vortrag und die Angst vor dem Vortrag voneinander zu trennen. Was dir eigentlich Angst macht, ist vielleicht die Meinung der anderen über deinen Vortrag. Der Vortrag selbst ist nicht angsteinflößend.
- Teil des Stoizismus ist die Kontrolle deines Inneren. Mittlerweile gibt es sogar Workshops, die das trainieren. Dabei übst du, innerlich ruhig zu sein. Das soll dann beispielsweise den beruflichen Erfolg fördern, da innere Ruhe es dir erlaubt, gelassener mit Stress und Problemen umzugehen.
- Sieh Probleme als Chance für dich, die nur darauf warten, von dir gemeistert zu werden. Es ist egal, wie du sie löst oder wie lang du dafür brauchst.
- In vielen stoischen Ansätzen sollen Gefühle eher vermieden werden. So ist die Apathie, also die Emotionslosigkeit, der angestrebte ideale Zustand. Das heißt jedoch nicht, dass du Gefühle per se verdrängen sollst. Stattdessen sollst du erkennen, wie du auf bestimmte externe Ereignisse reagierst, um deine Emotionen besser kontrollieren zu können.
- Das Leben verläuft so schnell, dass du nach einiger Zeit unangenehme Ereignisse vergisst. Auch bei anderen verblasst die Erinnerung daran irgendwann. Denke daran, wenn dir eine Situation beispielsweise peinlich war. Menschen vergessen.
- Sei geduldig.
- Lebe in der Gegenwart.
Stoizismus auf äußere Vorgänge anwenden
Die nachfolgenden Tipps behandeln den stoischen Umgang mit äußeren Bedingungen:
- „Mache das Beste aus dem, was in deiner Macht steht und nimm den Rest so, wie er natürlich geschieht.“ Dieser Ratschlag stammt von Epiktet aus der Antike. Anders formuliert bedeutet er: Akzeptiere die Dinge, die du nicht ändern kannst und versuche die Dinge zu ändern, die sich auch ändern lassen. Wichtig hierbei ist es, den Unterschied zu erkennen. Überlege also genau, wenn du vor einem Problem stehst, ob du überhaupt Einfluss darauf nehmen kannst oder solltest.
Dinge, auf die du keinen Einfluss nehmen kannst, können dabei beispielsweise körperliche Faktoren sein, wie deine Größe, deine Nasenform oder deine Sehstärke. Andere Beispiele wären das Wetter, oder Terminfristen bei Ärzt:innen oder Werkstätten. Neben diesen Beispielen bleibt eine Sache immer unter unserer Kontrolle, und zwar unsere innere Einstellung.
- Erdulde oder ertrage Ereignisse, die du nicht beeinflussen kannst, wie beispielsweise die Corona-Pandemie. Wünsche dir nicht, die Situation wäre eine andere, denn solche Gedanken sind müßig.
- Verzichte gelassen auf Dinge, die für dich in einem bestimmten Moment unerreichbar sind. Wünsche dir nach einer Kündigung beispielsweise nicht deinen alten Job zurück, sondern konzentriere dich auf neue Berufsmöglichkeiten.
- Vergleiche dich nicht mit anderen, sondern fokussiere dich auf dich selbst.
- Mehr innere Ruhe erlangst du beispielsweise auch durch Yoga oder Meditation.
Wenn du jetzt Gefallen an den Annahmen des Stoizismus gefunden hast, ist die App „stoic.“ zu empfehlen. Sie schickt dir täglich stoische Zitate aufs Handy und gibt dir damit Denkanstöße. Vielleicht kann sie dir helfen, dein Leben gelassener anzugehen und mehr zu genießen.
Kritik am Stoizismus
Wie alle Denkansätze ist auch der Stoizismus nicht ohne Kritik. Der Therapeut Michael R Edelstein Ph.D. fasst die Nachteile der Denkweise so zusammen:
- Der Stoizismus wandelt Eindrücke schnell in „Müssen“ und „Sollen“ um: Wenn man es nicht ändern kann, soll man sich nicht ärgern, wenn doch, soll man auch etwas ändern. Die eigenen Emotionen zuzulassen und sich Zeit zu nehmen, die Gründe dafür zu hinterfragen, ist so eher schwierig.
- Der Stoizismus ignoriert die vielen Dinge, die wir zwar beeinflussen können, aber nicht kontrollieren – wie zum Beispiel den Weltfrieden.
- Der Stoizismus empfiehlt unrealistischerweise, weder negativ noch positiv auf diejenigen Dinge zu reagieren, die wir nicht kontrollieren können. Beispiel: Das Wetter kannst du nicht kontrollieren, aber heißt das wirklich, dass du dich nie wieder über einen Regentag ärgern oder über Sonnenschein freuen solltest?
- Der Stoizismus vertritt die Auffassung, dass moralische Tugend notwendig und ausreichend für das Glück ist. Moralische Tugend heilt jedoch keine Depression.
- Der Stoizismus vernachlässigt den erheblichen Einfluss genetischer Veranlagungen auf die Weltanschauung.
- Der Stoizismus lässt die Bedeutung von Anstrengung, Übung und Selbstdisziplin außer Acht, die die meisten Menschen benötigen, um sich einer stoischen Sichtweise auf sich selbst, andere und die Bedingungen ihres Lebens anzunähern.
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English version available: How To Be a Stoic & Manage Stress
Überarbeitet von Denise Schmucker
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