Dank Kassenbon-Pflicht bekommen wir sie täglich: Kassenbons und Kassenzettel, aber auch Automatenbelege und andere Papierschnipsel aus Thermopapier. Oft entsorgen wir sie als Altpapier. Aber gehören sie da wirklich hin?
Seit 1.1.2020 besteht eine Belegausgabepflicht: Jeder kleinste Einkauf muss mit einem Pflicht-Kassenbon belegt werden. Das Gesetz soll Steuerbetrug bekämpfen, weil aber jeder Händler in Deutschland der Bonpflicht unterliegt, führt das zu zusätzlichem Papierverbrauch in noch nicht absehbarem Maß.
Zugleich bestehen Kassenbons und Kassenzettel in vielen Fällen noch immer aus Thermopapier, ebenso wie Automatenbelege und Lotteriezettel, selten auch noch Fax-Papier, Kontoauszüge und Kinokarten. Jahrelang gingen wir sorglos damit um – dabei steckte in vielen Thermopapieren die gefährliche Substanz Bisphenol A, die als „besonders besorgniserregender Stoff“ eingeordnet worden war (UBA).
Aber ist das noch immer so? Die Antwort in Kurzform:
- Seit 1. Januar 2020 dürfen Thermopapiere (angeblich) kein Bisphenol A mehr enthalten.
Aber die Sache hat einige Haken.
Kassenzettel auf Thermopapier: nicht ins Altpapier
Man sollte meinen, nun wäre alles gut – aber dem ist leider nicht so:
-
Haken 1:
Die Regelung hat eine Einschränkung: Demnach dürfen nur „Thermopapiere, die 0,02 Gewichtsprozent oder mehr BPA enthalten, innerhalb der EU nicht mehr in Verkehr gebracht, also auch nicht weiterverkauft werden“ (UBA). Es mag also Kassenbons und Thermopapiere geben, die erlaubt sind – und die dennoch BPA enthalten. Allerdings teilte uns auf Nachfrage der Verband Deutscher Papierfabriken mit: „Mit dieser Untergrenze ist der BPA-Einsatz technisch nicht mehr funktionabel und sinnvoll. Die Hersteller verzichten deshalb darauf.“ -
Haken 2:
Die Regelung gilt nur für Thermopapiere ab 1.1.2020 – ältere Thermopapiere enthalten möglicherweise, allerdings nicht zwingend, noch Bisphenol A. Es dürfte jedoch noch einige Zeit dauern, bis alle älteren Thermopapiere aufgebraucht sind. Ihre Verwendung ist zwar verboten, aber das heißt ja nicht, dass es nicht dennoch passiert. Auch sind natürlich die Unterlagen in unseren Steuerordnern nach wie vor auf alten Zetteln gedruckt. Diese Bons sollten, sofern sie als solche identifizierbar sind, in den Restmüll. -
Haken 3:
Das Verbot von Bisphenol A in Kassenbons bedeutet keineswegs, dass die neuen Papiere automatisch „unproblematisch“ sind. Laut Europäischer Chemikalienagentur ECHA steigen viele Anbieter schon länger offenbar einfach auf den Ersatzstoff Bisphenol S (BPS) um. Dieses hat ebenso hormonähnliche Wirkungen, und selbst das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) schreibt: „Die Bisphenole A, F und S zeigen hormonähnliche Wirkungen.“ Nur verboten hat man ihn bislang noch nicht, dazu weiter unten mehr.
Wir bleiben daher dabei und raten dazu, Kassenbons mit dem normalen Hausmüll zu entsorgen, nicht mit dem Altpapier. Auch das Umweltbundesamt empfiehlt aus Vorsorgegründen, „alle Thermopapiere mit dem Restmüll zu entsorgen, da weiterhin phenolhaltige Farbentwickler verwendet werden und der Verbraucher phenolhaltige nicht von phenolfreien Thermopapieren unterscheiden kann. “
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Kassenbons: warum Thermopapier nicht ins Altpapier darf
Thermopapiere sind spezielle Papiere, die nicht mit Farbe bedruckt, sondern durch Hitze verfärbt werden. Der Farbstoff des Papiers wird dabei chemisch entwickelt, ähnlich wie bei einem Foto.
Als Entwicklungssubstanz diente bis Anfang 2020 häufig eine Beschichtung mit Bisphenol A (BPA), obwohl längst bekannt war, dass es sich um einen problematischen Stoff handelt, der die Gesundheit von Menschen gefährdet, die mit diesem Papier in Kontakt kommen, etwa Kassierer und Kassiererinnen.
Denn BPA ist „hormonell wirksam“ – lies dazu auch Wo Bisphenol A (BPA) überall drinsteckt und was du wissen solltest. Es kann schon in niedrigen Konzentrationen hormonell auf den Menschen wirken, das Hormonsystem verändern, die Entwicklung von Babys im Mutterleib stören und die Fortpflanzung beeinträchtigen. Bisphenol A sei bei über 90 Prozent der Einwohner von Industriestaaten im Blut und im Urin nachweisbar, so etwa der BUND.
Daher ist die Chemikalie seit 2011 in der EU in Kunststoff-Babyflaschen verboten. In Frankreich darf BPA seit 2015 nicht mehr in Lebensmittelverpackungen verwendet werden. Und unser Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) riet uns immerhin: „Kinder [sollten] nicht mit Kassenzetteln, Quittungen und Fahrscheinen aus Thermopapieren spielen. Gerade bei kleineren Kindern ist nicht auszuschließen, dass sie diese beim Spielen in den Mund nehmen und so Bisphenol A aus dem Papier oral aufnehmen könnten.“
Seit 1.1.2020 darf Bisphenol A endlich nicht mehr beliebig in Thermopapier verwendet werden. Aber:
Jetzt Bisphenol S in Thermopapier: es bleibt Sondermüll
Allerdings ist der Ersatzstoff Bisphenol S (BPS) womöglich nicht besser. Zwar besteht hier nach Expertenmeinung noch Forschungsbedarf und Studien müssen durchgeführt werden. Doch für Bisphenol S vermutet das Bundesinstitut für Risikobewertung bereits ein mit Bisphenol A vergleichbares Gefährdungspotenzial, gesetzlich geregelt ist es dennoch nicht.
Und bei Bisphenol S gilt es bisher einfach noch nicht als geklärt, wie hoch das Gesundheitsrisiko ist, man nimmt es einfach in Kauf. Allerdings deuten erste Studien darauf hin, dass es genauso problematisch sein könnte, etwa hier.
„Bisphenol S steht aber auch im Verdacht, für Mensch und Umwelt endokrin wirksam zu sein“, befindet auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesamt für Gesundheit BAG der Schweiz schreibt: „…bei Kassenzetteln wird die BPA-verwandte Substanz Bisphenol S eingesetzt. Neuere Studien zeigen jedoch, dass dieses Bisphenol ebenfalls ein hormonaktiver Stoff ist.“ (PDF).
Tipps gegen Bisphenol A und S in Kassenbons und Kassenzetteln:
- Entsorge Kassenbons und Kassenzettel, die augenscheinlich aus Thermopapier bestehen, nicht per Altpapier, sondern per Hausmüll.
- Wasch dir nach Kontakt mit entsprechenden Kassenbons die Hände.
- Bewahre die Bons nicht im Geldbeutel auf.
- Lass Kinder solche Kassenbons nicht als Schmierzettel verwenden.
- Rewe-Kunden können statt Papier einen elektronischen Kassenbon verwenden (Quelle). Voraussetzungen sind allerdings ein Rewe-Kundenkonto und ein Payback-Konto.
- Auch andere Unternehmen prüfen, ob sie auf elektronische Kassenzettel umstellen können. Entsprechende Startups und Apps wie Anybill, Bill.less, Epap oder Wunderbon stehen schon in den Startlöchern („umweltfreundlicher“ wird’s durch die elektronische Infrastruktur dadurch aber nicht unbedingt).
- Supermarktketten wie Alnatura sowie Edeka/Netto wollen nach eigenem Bekunden auf umweltfreundliches Thermopapier umsteigen.
Der Einzelhandel sollte umweltfreundliches Thermopapier nutzen
- Händler können auf schadstofffreie, „phenolfreie“, „entwicklerfreie“ Kassenbons umstellen.
- Es gibt sie etwa von Koehler Blue4rest oder Ökobon. Du kannst BPA-freie Thermoprinter-Rollen beispielsweise hier bei Memolife** kaufen.
- Das Papier für solche Kassenbons wird zum Beispiel aus FSC-zertifiziertem Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft hergestellt.
- Der Kassenbon kommt ohne chemische Farbentwickler aus und kann deshalb über das Altpapier entsorgt werden – anders als konventionelle Kassenbons, die aufgrund der enthaltenden Substanzen in den Restmüll gehören
Bisphenol-A-haltiges Thermopapier war übrigens nicht nur ein direktes Gesundheitsproblem. Durch falsche Entsorgung gelangte mit dem Papier das darin enthaltene BPA in den Recyclingkreislauf und wurde so zu einem ausgewachsenen Umweltproblem.
Zum Beispiel gelangt Recyclingtoilettenpapier, im dem auch per Altpapier recycelte Kassenbons stecken, mit dem Abwasser in kommunale Kläranlagen und bringt so Bisphenol A in die Kläranlagen und – bei unzureichendem Abbau – in die Gewässer ein.
„Wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie staatliche Überwachungsprogramme bestätigten in den letzten Jahren das verbreitete Vorkommen von Bisphenol A in Gewässern“, heißt es dazu beim Umweltbundesamt (PDF). Und weiter: „Für Bisphenol-S-haltiges Thermopapier wurde ermittelt, dass 2018 104.000 Tonnen in Verkehr gebracht wurden, was einer Steigerung um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht“. Die Zahl dürfte inzwischen noch weiter gestiegen sein, auch wegen der Bonpflicht.
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