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Statt Plastik: Sind Verpackungen aus Papier oder Karton wirklich besser?

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Foto: © petunyia - Fotolia.com, CC0/ Pixabay/ Stevepb

Papiertüten an der Gemüsetheke, Tomaten in Pappboxen statt Plastikfolie – immer mehr Verpackungen aus Papier oder Karton ersetzen solche aus Plastik. Und das muss ja umweltfreundlich sein oder? Wir haben bei Expert:innen nachgefragt.

Immer mehr Einweg-Plastikverpackungen werden durch Verpackungen aus Papier, Karton oder Pappe ersetzt. Somit wird unser Plastikmüll immer weniger und wir schützen erfolgreich die Natur, stimmt’s?

So einfach ist das leider nicht.

Ob eine Verpackung aus Papier oder Plastik nachhaltiger ist, kann man so pauschal nicht sagen. Denn wie nachhaltig eine Verpackung ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Einer davon ist zum Beispiel die Frage, ob das Material wiederverwendet wird.

Wie gut lassen sich Verpackungen aus Papier oder Karton recyceln?

Papier lässt sich meist gut recyceln, wenn es sortenrein getrennt wird. 2019 lag die Verwertungsquote von Papier, Pappe und Karton laut Zahlen der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) bei 81,9 Prozent (– die thermische Verwertung durch Verbrennung wird hier nicht mitgezählt).

Doch Papier hat andere Eigenschaften als Kunststoff, ist zum Beispiel nicht auslaufsicher und schützt Lebensmittel nicht so gut vor dem Verderben. Deshalb werden oft Verbundstoffe, zum Beispiel aus Kunststoff und Papier oder Karton, als Verpackung genutzt. Diese sind nicht mehr so gut recycelbar wie Verpackungen aus einem einzelnen Material: Die Recyclingquote für sonstige Verbundverpackungen lag 2019 laut neuesten Zahlen der ZSVR bei nur etwa 58,8 Prozent.

Klimabelastung von Verpackungsmaterialien verpackung papier karton kunststoff plastik
Verpackungen aus Papier oder Karton sind nicht auslaufsicher. Darum werden sie manchmal mit anderen Materialien zusammen verarbeitet. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash - Agenlaku Indonesia)

Gelangt eine solche Verpackung in eine Recyclinganlage für Papier, kann nur das Papier recycelt werden, erklärt Norbert Völl, Pressesprecher des Grünen Punks, gegenüber Utopia. Der Kunststoffanteil würde abgelöst und in den meisten Fällen verbrannt.

Eine Ausnahme bilden Getränkekartons wie Tetrapaks. Hier ist eine Anlage im Bau, die die übrigen Bestandteile der Verpackung (also Aluminium und Kunststoff) herauslösen und dem Recycling zuführen, so Völl.

Wie gut lässt sich Kunststoff recyceln?

Auch Verpackungen aus Plastik zu recyceln, hat seine Tücken. Zahlen der ZSVR zufolge lag die werkstoffliche Verwertungsquote von Kunststoff 2019 bei circa 58,5 Prozent. Das heißt aber nicht, dass entsprechend viel Müll aus unserem gelben Sack aufbereitet wird und neuen Kunststoff ersetzt. Dieser Anteil ist noch geringer – laut Norbert Völl vom Grünen Punkt liegt er nur bei etwa acht Prozent. Das liegt dem Experten zufolge daran, dass aus Abfall recycelter Kunststoff, vor allem wenn er hohe Qualität erreichen soll, teurer ist als neuer Kunststoff.

Die Herausforderung dabei: Ob ein Kunststoff recycelt werden kann, hängt davon ab, woraus er besteht und ob er zum Beispiel gefärbt ist. „Bestimmte Kunststoffe wie Polyethylen sind zum Beispiel besser recycelbar als andere“, erklärt Völl. Aus diesem Stoff bestehen unter anderem Plastiktüten. Mischungen aus verschiedenen Kunststoffen können in der Regel nicht mehr getrennt werden. Und dunkel gefärbte Kunststoffe, wie zum Beispiel das Material vieler Duschgelflaschen für Männer, nicht mehr aufgehellt.

Das Verpackungsgesetz von 2019 soll Recyclingquoten erhöhen
Nur 10 bis 15 Prozent unseres gesammelten Plastikmülls werden tatsächlich wiederverwertet. (Foto: CC0 Public Domain/ Pexels / Magda Ehlers )

Hat das verwertete Plastik (Rezyklat) eine hohe Qualität, können neue Produkte und sogar teils Verpackungen daraus werden. Die Flaschen des Smoothieherstellers Innocent bestehen zum Beispiel zu über 50 Prozent aus recyceltem Kunststoff. Mischkunststoffe (inklusive viele der dünnen Verpackungsfolien) würden aber oft getrennt gesammelt und in der Regel verbrannt, so Frank Wellenreuther vom Fachbereich Industrie und Produkte des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) gegenüber Utopia.

Das muss aber nicht unbedingt schlecht sein: In vielen Supermärkten gibt es flüssige Waren, wie zum Beispiel Soßen, nicht nur in Schraubgläsern, sondern inzwischen auch in Standbeuteln aus Plastik zu kaufen. Ein Standbeutel wird Wellenreuther zufolge in der Regel nicht recycelt, sondern thermisch verwertet. Aber deshalb ist er nicht unbedingt schlechter als eine Soße im Schraubglas. Denn allein das Recycling des Schraubdeckelglases benötigt schon mehr Energie als die Herstellung des Beutels.

Der Begriff „recyclingfähig“ bedeutet übrigens nicht, dass eine Verpackung auch recycelt wird. Einer Studie des Beratungsunternehmens HTP zufolge, die der Redaktion vorliegt, soll ein großer Teil unseres Plastikmülls recyclingfähig sein (67 Prozent). Ob er wirklich recycelt wird, hängt davon ab, ob die zuständige Abfallwirtschaft die technischen Voraussetzungen hat. „Chipstüten sind zum Beispiel innen mit Metall bedampft und eigentlich recyclingfähig, praktisch werden sie aber in Deutschland in der Regel nicht recycelt“, so ifeu-Experte Wellenreuther.

Papier ist ein nachwachsender Rohstoff – aber deshalb nicht automatisch besser

Das Beispiel mit dem Recycling zeigt: Es ist schwierig, pauschal zu sagen, ob Plastik oder Papier als Verpackungsmaterialien besser sind. Doch es gibt noch mehr Punkte, die die Ökologie einer Verpackung beeinflussen. „Dazu gehört das Füllgut, dazu gehört die Logistik und da schneidet eine Plastikverpackung oftmals gar nicht schlecht ab“, erklärt Gunda Rachut von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister gegenüber Deutschlandfunk.

Laut Frank Wellenreuther vom ifeu spielt es auch eine Rolle, wie viel Material für die Verpackung verwendet wird. Tomaten zum Beispiel waren früher oft in einer dünnen Plastikfolie verpackt, inzwischen gibt es sie auch ohne Plastik, dafür in einer dicken Karton-Schale. „Die vermeintlich nachhaltigere Option braucht also mehr Material, das wirkt sich wahrscheinlich negativ auf die Ökobilanz aus“, erklärt der Experte.

Auch das Argument „Papier ist ein nachwachsender Rohstoff“ muss man genau prüfen. Klar: Die Menge an CO2-Emissionen, die bei der Entsorgung entstehen, wurde vorher von Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen. Das heißt, es kommen keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre. Bei fossilen Rohstoffen ist das anders – die Stoffe wurden von unterhalb der Erdoberfläche gefördert und befanden sich schon sehr lange nicht mehr in der Atmosphäre; die Konzentration von Treibhausgasen steigt bei der Verbrennung also.

Frank Wellenreuther warnt: „Diese Rechnung geht aber nur auf, wenn sichergestellt ist, dass genau so viel Holz nachwächst, wie auch verwendet wird. Global ist das nicht so, die Waldfläche geht zurück.“ Papier für Getränkekartons auf dem europäischen Markt komme zum Beispiel ausschließlich aus Schweden und Finnland, in Finnland nehme die Waldfläche tatsächlich zu. Bei Einkaufstüten oder anderen Verpackungen aus Papier könne das Papier auch anderen Ursprungs sein. Er rät, beim Kauf Verpackungen mit FSC-Siegel zu bevorzugen.

Wie können Verbraucher:innen bessere Verpackungen erkennen?

Ob es sich bei Papier um einen Verbundstoff handelt, ist teilweise schwer zu erkennen. Eine glänzende Oberfläche kann ein Hinweis sein. Norbert Völl vom Grünen Punkt empfiehlt, die Papierverpackung an einer Stelle einzureißen. Wenn dabei eine Folie zum Vorschein kommt oder wenn viel Kraft dafür nötig ist, handelt es sich meist um einen Verbund. Aber das geht natürlich nur, wenn du das Produkt bereits gekauft hast.

Ob eine Verpackung aus Papier, Karton oder Plastik umweltfreundlicher ist, ist für uns Verbraucher:innen beim Einkaufen kaum zu erkennen. Lies dazu auch: Alu, Kunststoff, Blech oder Glas – welche Verpackung ist die klimafreundlichste?

Was wir auf jeden Fall tun können: Auf Verpackung verzichten. In Unverpackt-Läden bekommst du fast alle Produkte komplett verpackungsfrei.

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In Unverpackt-Läden kannst du verpackungsfrei einkaufen. (Foto: CC0 Public Domain / Pexels - Polina Tankilevitch)

In einer Studie von Worldwatchers schnitten Mehrwegverpackungen (Glas und PET) mit einer besonders geringen CO2-Emission ab. Oft ist es also sinnvoll, Mehrwegverpackungen gegenüber Einwegverpackungen (aus Papier, Kunststoff oder Glas) zu bevorzugen. Besonders, wenn die Verpackungen für Produkte verschiedener Hersteller genutzt werden können – so fallen kürzere Transportwege an. Dr. Ines Oehme vom Umweltbundesamt empfiehlt daher Verpackungen wie Mehrwegnetze für loses Obst und Gemüse oder Mehrwegdosen an Frischetheken zu nutzen.

Wer zwischen einem Produkt in Papier- und einem in Kunststoffverpackung wählt, der kann darauf achten, ob das Papierprodukt insgesamt mehr Verpackung aufweist und ob es ein FSC-Siegel trägt.

Besteht eine der Verpackungen aus recyceltem Material? Ist sie unnötig groß? Ist angegeben, aus welchem Kunststoff die Verpackung besteht? All das kann dir vielleicht die richtige Richtung weisen. Aber pauschale Aussagen lassen sich leider nicht treffen.

Tipp: Wie nachhaltig welche Getränkeverpackungen sind, ist ganz gut untersucht. Lies dazu zum Beispiel: Tetrapak oder Glasflasche: Was ist umweltfreundlicher?

Tipp: Verpackungen aus Papier und Plastik korrekt entsorgen

Papier kommt in den Papiermüll, Plastik in den Plastikmüll – so viel ist klar. Aber wohin kommen Verbundstoffe?

Optimal wäre es, die beiden Materialien getrennt wegzuwerfen. Bei einem Joghurtbecher mit Papierhülle geht das zum Beispiel leicht: Wirf den Becher in den gelben Sack oder die gelbe Tonne, das Papieretikett kommt in den Papiermüll. Wichtig dabei: Zieh den Aludeckel ab und stecke Verpackungen nicht ineinander, sonst werden sie falsch sortiert, warnt Völl.

Wenn die beiden Materialien miteinander verarbeitet sind, kannst du sie nicht mehr so leicht trennen. „Auch diese Materialien gehören in die Gelbe Tonne bzw. den Gelben Sack“, erklärt Völl vom Grünen Punkt. „Zumindest, wenn der Papieranteil weniger als 95 Prozent beträgt.“

Utopia meint: Plastik schlecht, Papier gut ­– so einfach ist es leider nicht. Stattdessen muss man von Fall zu Fall unterscheiden. Wir Verbraucher:innen können also kaum erkennen, was die nachhaltigere Option ist. Trotzdem können wir etwas tun: Kritisch nachfragen, Transparenz fordern (zum Beispiel über die Replace Plastic App) und uns nicht mit nachhaltig klingenden Formulierungen wie „ökologisch“ oder „recyclingfähig“ abspeisen lassen.

Wie du Verpackung beim Einkaufen vermeidest, kannst du hier nachlesen: Verpackung vermeiden im Supermarkt: 15 Tipps und Unverpackt einkaufen: Mit diesen 4 einfachen Tipps klappt es

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