Die Energiewende hängt von den privaten Haushalten ab, heißt es immer wieder. Wenn also Hausbesitzer:innen kostenlose Wärmepumpen und Solaranlagen bekommen, müsste alles geregelt sein – oder? Ein Versuch zeigt: So einfach ist es leider nicht.
Ein Dorf in Mittelsachsen hat in den vergangenen Wochen von sich reden gemacht – mit einem so simplen wie genialen Projekt: Gratis Wärmepumpen und Solaranlagen für alle Häuser im Ort sollen eine Art Dorfkraftwerk entstehen lassen. Dank Fördergeldern und Investoren ist die Finanzierung gesichert.
Allein: Die Bevölkerung hat bislang wenig Interesse. Sind es also gar nicht die Bürokratie oder die hohen Kosten, die die Energiewende in Deutschland ausbremsen – sondern die Trägheit der Bürger:innen?
Solaranlage und Wärmepumpen für den ganzen Ort
Die Idee hinter dem Solarkraft-Projekt im Reinsberger Ortsteil Neukirchen in Mittelsachsen ist einfach: 100 Häuser auf einen Schlag mit Wärmepumpen und Photovolatik-Anlagen auszustatten ist deutlich günstiger, als sie über die nächsten 20 Jahre nach und nach umzurüsten. Der Geschäftsführer der beteiligten Landwerke Mittelsachsen, Felix Rodenjohann, sagt gegenüber dem MDR, diesen Kostenvorteil wolle man an die Menschen weitergeben.
Die Dachflächen und Ackerflächen des Orts sollen ein großes Dorf-Solarkraftwerk werden. Das heißt: Der Sonnenstrom aus den PV-Anlagen soll gemeinsam in einer Art Leasing-Modell (aber nicht kostenlos) genutzt werden. Der Haushaltsstrom soll so deutlich günstiger als übliche Stromtarife sein. Möglichst viele Heizungen sollen durch Wärmepumpen ersetzt werden – die wiederum mit dem selbst erzeugten Solarstrom betrieben werden können.
Der Clou: Alle interessierten Bürger:innen sollen sowohl die Wärmepumpe als auch die PV-Anlage gratis bekommen. Denn laut dem kürzlich zurückgetretenen mittelsächsischen Landrat Dirk Neubauer, Mitinitiator des Projekts, stehen Investor:innen Schlange. Auch Fördermittel vom Staat gibt es.
Gegenüber dem MDR sagte Neubauer: „Das Geld ist das einzige, was bei der Sache kein Problem ist. Da sich diese Sachen wirtschaftlich rechnen, finden Sie immer jemanden, der investiert. Geld war schnell geklärt.“ Auch örtliche Handwerksbetriebe seien mit an Bord.
Ein Energiewende-Vorzeigemodell?
Ein Paradebeispiel dafür, wie die Energie- und Wärmewende im Lokalen funktionieren kann, sollte man meinen: Für die Bürger:innen extrem kostengünstig, für Investor:innen attraktiv, schnell umgesetzt, langfristig klimafreundlich. Der häufige Einwand, Dachflächen-Solaranlagen und Wärmepumpen seien für viele Haushalte zu teuer, zählt in diesem Fall nicht mehr.
Und dennoch ist laut lokalen Medien das Interesse der örtlichen Bevölkerung überschaubar. Nur ein Bruchteil der Bewohner:innen Neukirchens sei zu einem Ortstermin erschienen. Geäußert wurden demnach vor allem Bedenken, die geplante Freiflächen-Photovoltaik könne Ackerflächen verdrängen.
Aufgeben wollen die Initiatoren des Projekts aber nicht, sondern möglichst viele Anwohner:innen überzeugen. Gegenüber Focus Online vermutet Landwerke-Chef Rodenjohann, viele Bürger:innen seien aufgrund von bisherigen Erfahrungen und Berichten skeptisch, dass sie wirklich profitieren können – und nicht nur die Anbieter.
Sein Plan: „Wir werden ihnen ein Angebot machen, das ihre Energiekosten, also Strom, Wärme, Mobilität insgesamt, um 100 bis 200 Euro im Monat senkt. Wenn wir die Mehrheit damit nicht überzeugen können, dann ist die Energiewende in Deutschland wohl gescheitert.“
Der nächste Schritt soll Ende Juli mit einer Abfrage der Energiedaten der interessierten Haushalte folgen. Nur, wenn genügend Bürger:innen mitmachen wollen, kann das Projekt in die konkrete Planung gehen.
Die Energiewende braucht die Bürger:innen
Immer wieder heißt es: Die Energiewende entscheidet sich in den Privathaushalten, vor allem in den Einfamilienhäusern. Damit ist gemeint, dass zwar die Politik die Weichen stellen muss und alle staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteure die Vorgaben möglichst schnell umsetzen müssen – vom Netzausbau bis zu den Fernwärmeanschlüssen.
Doch das ganze Mammutprojekt kann nur funktionieren, wenn auch die Bürger:innen mitmachen. Und zwar vor allem diejenigen, die Entscheidungen über ihre eigene Energieversorgung treffen können, sprich: in erster Linie Hausbesitzer:innen.
Wer weiter abwartet, hat höchstwahrscheinlich wenig zu gewinnen: Die staatlichen Förderungen für Photovoltaik-Anlagen, energetische Sanierung und Wärmepumpen sind derzeit hoch, die Hersteller- und Installationsbetriebe haben Kapazitäten. Die meisten ländlichen Regionen und Einfamilienhäuser brauchen auf die kommunale Wärmeplanung höchstwahrscheinlich nicht zu warten. Und Studien zeigen längst, dass der Umstieg auf erneuerbare Energielösungen langfristig viel Geld sparen kann.
Gleichzeitig zeigen Projekte wie Bürgerenergiegenossenschaften und Hunderttausende Mieter:innen mit Balkonkraftwerken, was auch im Kleinen möglich ist, wenn man nur will. Wer also ein Angebot für kostenlose Solaranlagen und Wärmepumpen plus langfristig günstigen Strom bekommt, hat eigentlich keinen guten Grund zu zögern – besser wird’s nicht.
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